Debatte um Atomausstieg:Umweltminister wollen alte Meiler endgültig stilllegen

Die im Zuge des Moratoriums abgeschalteten Atomkraftwerke sollen nicht wieder ans Netz: Darauf haben sich die Umweltminister von Bund und Ländern geeinigt. In der Koalition bahnt sich ein neuer Streit um die Atomsteuer an - vor allem die FDP stemmt sich gegen deren Abschaffung.

Die Umweltminister von Bund und Ländern sind sich einig: Die derzeit abgeschalteten sieben ältesten Atomkraftwerke sollen nicht wieder ans Netz gehen. Darauf verständigten sie sich auf ihrer Konferenz in Wernigerode, wie Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) mitteilte.

Atomkraftwerk Biblis

Das hessische Atomkraftwerk Biblis: Geht es nach dem Willen der Umweltminister, sollen die Altmeiler endgültig vom Netz.

(Foto: dpa)

Die sieben Meiler sowie das Kernkraftwerk Krümmel sind wegen des Atommoratoriums der Bundesregierung derzeit nicht am Netz. Bezüglich der Energiewende fordert die Umweltministerkonferenz die Bundesregierung auf, einen "frühestmöglichen gesetzlichen Ausstieg aus der Kernenergie" festzulegen. Dies teilte der Sprecher des Umweltministeriums von Sachsen-Anhalt mit. Die Bundesregierung solle ein "ehrgeiziges und realistisches Konzept vorlegen".

Vor einer sofortigen Stilllegung aller im Zuge des Moratoriums abgeschalteter Kernkraftwerke spricht sich die Bundesnetzagentur aus: "Im Winter wird sich die Situation verschärfen", sagte Behördenchef Matthias Kurth. Unter bestimmten Bedingungen könnten die Kapazitäten eng werden. Dies will er noch bis Mitte August näher überprüfen. Es solle aber die Möglichkeit erhalten bleiben, "die fehlende Kapazität auch aus den im Moratorium befindlichen Kraftwerken insbesondere im Süden decken zu können", betonte er.

Die entscheidenden Gespräche bezüglich des Atomausstiegs finden am kommenden Sonntag statt: Dann nämlich berät der Koalitionsausschuss mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) über das Ausstiegskonzept. Das Bundesumweltministerium kalkuliert in einem Positionspapier mit einem Ausstieg bis spätestens 2020, aber auch das Jahr 2017 ist dem Papier zufolge ohne gravierende Probleme machbar, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters. Weder werde es Strompreissprünge, Versorgungsprobleme noch Gefahren für Netzstabilität oder Klimaschutz geben, heißt es in dem Papier mit dem Titel "Die Zukunft der Energie".

Das Papier liefert Argumentationshilfen für die Koalitionsrunde am Sonntag, in der über den Atomausstieg entschieden werden soll. An der Runde bei Kanzlerin Angela Merkel nehmen neben Umweltminister Norbert Röttgen auch Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP), Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Bauminister Peter Ramsauer (CSU) teil. Thema der Gespräche wird auch die umstrittene Brennelementesteuer sein, die CSU-Chef Horst Seehofer schon "vom Tisch" sah.

Anders ist diesbezüglich die Haltung der FDP, namentlich von Parteichef Philipp Rösler. Kurz vor dem Treffen der Koalitionsspitzen stemmt er sich gegen das Aus der Brennelementesteuer. Die Union müsse offen sagen, ob sie die Brennelementesteuer wirklich abschaffen will und wie sie diese gegenfinanzieren wolle, sagte der Wirtschaftsminister der Bild-Zeitung. "Die FDP ist jedenfalls dagegen", machte Rösler klar. "Wir sollten die Mehrbelastungen für den Bundeshaushalt so gering wie möglich halten."

Die Steuer wird bei der erstmaligen Benutzung neuer Brennelemente für die AKW-Betreiber fällig. Sie sollte dem Bund bis 2016 jährlich bis zu 2,3 Milliarden Euro bringen. Wenn aber im Zuge der Reaktorkatastrophe von Fukushima-1 bis zu acht Meiler stillgelegt werden, würden sich die Einnahmen stark mindern.

Die Union erwägt eine Streichung der Steuer, deren Einnahmen zur Sanierung des maroden Atomlagers Asse und zur Haushaltskonsolidierung genutzt werden sollen. Die Begründung: So hätten die Energiekonzerne mehr Luft für Investitionen in erneuerbare Energien. Nach Meinung von CSU-Chef Horst Seehofer ist die Steuer bereits vom Tisch.

Zur Abschöpfung der Gewinne aus den im Schnitt zwölf Jahre längeren Laufzeiten war ein Fonds zum Ausbau der erneuerbaren Energien eingerichtet worden, der bis zu 16,9 Milliarden Euro einbringen soll. Die Zahlungen der Konzerne in den Fonds werden aber bei einer Aufhebung der Laufzeitverlängerung gemäß dem Vertrag mit der Regierung nichtig. Die Betreiber haben wegen des dreimonatigen Moratoriums bereits die Zahlungen gestoppt.

Derweil lotet Bundeskanzlerin Angela Merkel nach SZ-Informationen in Gesprächen mit SPD und Grünen einen möglichen Konsens in Sachen Atomausstieg aus. Die CDU-Vorsitzende traf sich demnach am Mittwoch mit SPD-Parteichef Sigmar Gabriel sowie Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier, um über einen Energiekonsens zu sprechen. Zusagen oder Vereinbarungen habe es nicht gegeben, verlautete aus SPD-Kreisen.

Grünen-Chef Cem Özdemir sagte im Südwestrundfunk, die Grünen bestünden auf einen "echten Atomausstieg". "Unser grünes Siegel, das kriegt diese Regierung nur dann, wenn es ein glaubwürdiger Abschied von der Atomenergie ist", so Özdemir.

Dazu gehöre auch, einen Wiedereinstieg auszuschließen und erneuerbare Energien breit zu fördern. Mit Blick auf den Koalitionsausschuss am Sonntag sagte Özdemir, es wäre wünschenswert, wenn es zu einem echten Konsens komme. "Das werden wir uns genau anschauen, ob die Regierung ernsthaft einen Kompromiss möchte, oder ob ihr der Koalitionsfrieden mit der Atomlobby in der eigenen Fraktion und mit der FDP, die sich ja schon wieder verabschiedet vom Ziel des Ausstiegs."

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