Klimaschutz:Amerika könnte unter Trump zum strategischen Gegner Europas werden

Der Ausstieg des US-Präsidenten aus dem Klimaschutzabkommen zeigt: Der Rest der Welt ist ihm egal. Ihn interessieren nur vermeintlich gute Geschäfte. Dieser Mann ist kein Anführer der freien Welt.

Kommentar von Hubert Wetzel

In der Rede, in der er am Donnerstag den Austritt der USA aus dem Klimaschutzabkommen von Paris erklärte, hat Donald Trump einen bemerkenswerten Satz gesagt: "Ich wurde gewählt, um die Bürger von Pittsburgh zu vertreten, nicht die von Paris." Das war, wie so vieles, was Trump sagt, zumindest halb gelogen.

Die Wahrheit ist: Trump gewann bei der Präsidentenwahl zwar Pennsylvania, jenen Bundesstaat, in dem Pittsburgh liegt. In der alten Stahlstadt und dem dazugehörigen Landkreis, Allegheny County, verlor Trump jedoch klar gegen Hillary Clinton. Man kann also bezweifeln, dass die Bürger von Pittsburgh mehrheitlich glauben, Trump vertrete sie.

Völkerrechtliche Regeln sind den USA offenbar egal

Dennoch beschreibt der Satz treffend den Horizont, den dieser US-Präsident hat. Für Donald Trump endet die Welt in - Pittsburgh. Dagegen ist zunächst einmal gar nicht viel einzuwenden. Trump ist der Präsident Amerikas, und es ist seine wichtigste Aufgabe, das Wohl der Amerikaner zu fördern. Wenn er freilich der Meinung ist, ein globales, von 195 Staaten beschlossenes Abkommen, das eine globale Bedrohung wie die Erderwärmung eindämmen soll, gehe nur die Bewohner jener Stadt etwas an, in der es eben zufällig ausgehandelt wurde - dann wird es gefährlich.

Dann spricht aus diesem Satz nicht nur Desinteresse, Ignoranz oder Dummheit. Sondern dann bedeutet dieser Satz auch: Wir, die Vereinigten Staaten von Amerika, die stärkste Militär- und Wirtschaftsmacht der Erde, kümmern uns künftig einen Dreck um den Rest der Welt. Völkerrechtliche Regeln, internationale Vereinbarungen - sprich: Zusagen, die Amerika selbst gegeben und feierlich besiegelt hat - sind uns heute egal. Wem das nicht passt, der kann sich gern beim Pentagon beschweren.

Es gab nach Trumps Wahlsieg Leute, die befürchteten, dass nun ein Isolationist ins Weiße Haus einziehe, ein Präsident, der dem Rest der Welt den Rücken zukehrt. Aber es ist schlimmer. Trump ist kein Isolationist, sondern ein rempelnder Nationalist. Er dreht der Welt nicht den Rücken zu, sondern er packt sie und hält ihr die Faust unter die Nase. America first - das kann man getrost wörtlich nehmen: Zuerst kommt Amerika. Immer.

Trump will keinen respektvollen Umgang, sondern goldene Orden

Wer sich diesem Anspruch unterwirft, wer Trump mit goldenen Orden behängt, mit ihm den Schwerttanz tanzt und ihm Waffen abkauft wie jüngst die Saudis, der wird mit Wohlgefallen belohnt. Wer, wie die Europäer, einen vernünftigen, respektvollen Umgang erwartet, wie er sich unter alten Verbündeten ziemt, bekommt erst einmal einen Hieb zwischen die Augen.

Für Trump sind Allianzen wie die Nato und Abkommen wie der Pariser Klimavertrag keine Mittel zum Zweck, um die Interessen der USA voranzubringen, sondern Teile einer großen, gemeinen Verschwörung gegen Amerika. Trumps aggressiver Unilateralismus wird nur noch von der Weinerlichkeit übertroffen, mit der er darüber klagt, dass angeblich die ganze Welt die armen Vereinigten Staaten ausnutzt. Das ist für den Präsidenten eines Lands, das stolz darauf ist, seit einem Jahrhundert die Ordnungsmacht der Welt zu sein, schon ein sehr bizarres Verhalten.

Europas alter Freund Amerika könnte zum Gegner werden

Aber genau das war der Kern der Rede. Donald Trump will die Welt nicht ordnen. Er ist nicht an Ausgleich oder Kompromissen interessiert, nicht einmal an Politik im engeren Sinn. Er hat keine Vorstellung davon, welche Werte Amerika in der Welt vertreten, welche Bündnisse es stärken soll. Trump ist auch als Präsident ein engstirniger Immobilienhändler geblieben. Er denkt in Zahlen, und sein einziges Ziel ist es, finanziell und wirtschaftlich für Amerika rauszuholen, was sich rausholen lässt.

Das ist ein historischer Bruch. Amerika war gewiss nie schüchtern, wenn es darum ging, seine Interessen durchzusetzen. Aber es gab im vergangenen Jahrhundert nie einen Präsidenten, der Amerikas Beziehungen zur Außenwelt rein an den Handelsbilanzen gemessen und ausgerichtet hat - daran, was für Amerika ein gutes oder ein schlechtes "Geschäft" ist.

Diesen Bruch zu kitten, wird schwierig werden. Denn Trump, der nie ein origineller Denker war, folgt mit seiner America-first-Doktrin nur einem Zeitgeist. Natürlich sind viele Amerikaner entsetzt über die Klimapolitik ihres Präsidenten. Aber dieser Präsident hieße nicht Trump, hätte nicht ein wesentlicher Teil der Amerikaner das Gefühl, jahrzehntelang von anderen Ländern - und unter tätiger Mithilfe der eigenen Regierung - betrogen worden zu sein. Dieses Gefühl ist stark, und es wird bleiben, selbst wenn Trumps Präsidentschaft nur noch eine finstere Erinnerung ist.

Amerikafreundin Merkel weiß, dass es Trump nicht um den fairen Klimaschutz geht

Und noch eine Prognose: Keine Weltregion wird diesen Bruch so hart zu spüren bekommen wie Europa. Die USA und Europa waren ja, um in Trumps Bild zu bleiben, gerade dadurch verbunden, dass im 20. Jahrhundert amerikanische Jungs aus Pittsburgh gleich zwei Mal Paris gerettet haben. Die USA und Europa waren danach gemeinsam die Garanten für das, was man die liberale, westliche Weltordnung nennt, und die Schutzmächte der Prinzipien, die diese Ordnung tragen: Demokratie, Freiheit, Bürger- und Menschenrechte. Für Trump ist das alles nur sentimentales Geschwätz. Den Pakt mit Europa hat er gekündigt.

Das ist wohl der Grund, warum Angela Merkel den US-Präsidenten so scharf kritisiert - ausgerechnet Angela Merkel, die erklärte Amerikafreundin und Kanzlerin jenes europäischen Landes, das für amerikanische Präsidenten immer einer der engsten Partner war. Merkel weiß, dass es Trump nicht um richtigen oder falschen, fairen oder angeblich unfairen Klimaschutz geht.

Sondern, dass Trumps Amtsantritt eine Zäsur war, dass etwas passiert ist, das in den vergangenen 70 Jahren, die nicht arm waren an transatlantischen Streitereien, undenkbar war: Amerika könnte unter Trump zu einem strategischen Gegner Europas werden, zu einer Macht, die eine grundlegend anders gestaltete Welt will als die Europäer; eine Welt, die keine "internationale Gemeinschaft" ist, in der jeder zu seinem Recht kommen sollte, sondern ein Schulhof, auf dem der stärkste Schläger siegt.

Bevor Trump am Donnerstag mit seinem angeblichen Wahlsieg in Pittsburgh angab, sprach Vizepräsident Mike Pence. Er nannte Trump "den Anführer der freien Welt". Auch das war eine Lüge.

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