Klimagipfel:Weg voller Widersprüche

Die Angebote der Staaten zum Klimaschutz werden konkreter, doch sie bleiben schwer vereinbar. Drei Gruppen von Ländern ringen miteinander. Es geht um Schuld und um Geld.

Cerstin Gammelin

In Kopenhagen türmen sich derzeit Berge von Papier. Viele Länder haben in den vergangenen Tagen eigene Klimaschutzziele oder Erwartungen an andere Länder formuliert und in die dänische Hauptstadt geschickt. Dort beginnen am Montag die finalen Verhandlungen um einen Nachfolgevertrag für das Kyoto-Protokoll.

Klimagipfel: Das Klima wird wärmer: Dürre in Bolivien

Das Klima wird wärmer: Dürre in Bolivien

(Foto: Archivfoto: dpa)

Dass es den Diplomaten aus 192 Staaten in den kommenden zwei Wochen gelingen wird, die Papiere zu einem verbindlichen neuen Klimaabkommen zu ordnen, bezweifeln nicht nur Umweltverbände. Auch der Gastgeber der Konferenz, der dänische Ministerpräsident Lars Løkke Rasmussen, hofft nur auf eine politisch verbindliche Absichtserklärung. Details sollten 2010 ausgehandelt werden, betonte Rasmussen bei einem Vorbereitungstreffen in Singapur. Stefan Singer, Leiter der europäischen Klimaabteilung des WWF, hält diesen Plan für falsch. Eine Vertagung käme "einem verheerenden Scheitern" gleich.

Die Chancen für ein faires und verbindliches Abkommen stehen schlecht, weil in Kopenhagen drei Gruppen von Ländern miteinander ringen, die sich bisher in keiner Weise einigen konnten, wer wie viel zum Schutze des Klimas leisten will. Das sind die Industrieländer, zu denen die 27 Staaten der Europäischen Union, Japan, Russland, die USA, Kanada oder auch Australien gehören.

Die reichen Länder haben ihren Wohlstand in früheren Jahren ohne Rücksicht auf klimaschädliche Emissionen erwirtschaftet. Sie gelten als Hauptverursacher des Klimawandels und sind daher in der Pflicht, voranzugehen. Sie müssen ihre Kohlendioxid-Emissionen massiv senken und ärmere Länder finanziell beim Klimaschutz unterstützen.

Eine weitere Gruppe sind die Entwicklungs- und Schwellenländer. Zu ihnen zählen China und Indien, aber auch Brasilien, Südkorea und die erdölexportierenden Länder der Opec wie Katar oder Saudi-Arabien. Innerhalb dieser Gruppe gibt es reichere und ärmere Länder. Einige emittieren sogar mehr klimaschädliches Kohlendioxid als die EU-Mitglieder Bulgarien oder Rumänien, die als Industriestaaten gelten. Einig ist diese Gruppe aber darin, die Industrieländer nicht aus ihrer historischen Pflicht zu entlassen.

Schließlich haben sich auch die ärmsten Staaten der Welt zusammengeschlossen, etwa die Afrikanische Union und einige Inselstaaten. Obwohl sie kaum klimaschädliches Kohlendioxid emittieren, sind sie am stärksten vom Klimawandel betroffen. Sie fordern sowohl von den Industriestaaten als auch von den reicheren Entwicklungsländern Hilfen beim Bau von Dämmen, der Bewässerung der Böden oder einen Ausgleich, wenn sie auf Abholzung ihrer Wälder verzichten.

Statt geeint voranzugehen, sind die Industrieländer noch immer darüber zerstritten, wie weit sie ihre Emissionen reduzieren sollen und ob der neue Vertrag ebenso wie das Kyoto-Protokoll völkerrechtlich bindend sein soll. Die Europäische Union pocht darauf, die Reduktionsziele auf der Basis des Jahres 1990 zu berechnen sowie auf Verbindlichkeit. Sie will bis 2020 mindestens 20 Prozent weniger Kohlendioxid an die Atmosphäre abgeben als 1990. Sollten die anderen Staaten mitziehen, soll der Ausstoß um 30 Prozent sinken.

Klimagesetz steckt im Kongress

Japans Premier Yukio Hatoyama will die Emissionen im gleichen Zeitraum um ein Viertel verringern. Auch Russland steht hinter den Zielen der EU. Praktisch bedeutet dies allerdings, dass Russland künftig mehr emittieren darf als derzeit. Australien, die USA und Kanada wollen allenfalls freiwillige Erklärungen unterschreiben. Ministerpräsident Kevin Rudd reist zudem mit leeren Händen an, nachdem die Opposition seine Klimaziele im Parlament hat durchfallen lassen.

In den USA steckt das Klimagesetz im Kongress fest. Präsident Barack Obama kann nur ankündigen, die Emissionen bis 2020 um 17 Prozent senken zu wollen, bezogen aufs Jahr 2005. Verglichen mit 1990 wären das aber nur vier Prozent. Viel zu wenig, kritisieren EU-Diplomaten. Obama könnte jedoch in der Schlussphase des Gipfels mit einem zweiten Auftritt entscheidend Einfluss nehmen, wie sein Sicherheitsberater James Jones am Freitag andeutete. Doch die USA argumentieren immer noch, Europa könne seine Emissionen nur deshalb so stark senken, weil die osteuropäische Industrie kollabiert sei.

Einig sind sich die Industrieländer lediglich darin, dass sie Entwicklungsländer nur dann finanziell unterstützen wollen, wenn deren Emissionen bis 2020 um bis zu 30 Prozent weniger stark ansteigen als bisher. China, Indien, Brasilien, Mexiko, Südafrika und Südkorea haben dazu erstmals konkrete Angebote vorgelegt. Der absolut betrachtet größte Emittent China will die Emissionen in der Produktion um bis zu 45 Prozent senken, aber das Wirtschaftswachstum nicht gefährden. Diplomaten kritisieren, dass diese Zusage kaum messbar sei.

Konkretere Verpflichtungen machen die Länder jedoch von Zusagen der Industriestaaten abhängig, sie beim Bau moderner Energie- und Industrieanlagen oder beim Bau von Dämmen zu unterstützen. Von 2020 an dürften dafür jährlich 500 Milliarden Euro nötig sein, schätzen die UN. Die Industrieländer gehen nur von einem Fünftel dieser Summe aus. Auch der Streit ums Geld lässt den Papierberg weiter wachsen.

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