Klimagipfel Kopenhagen:Molotowcocktails und Tränengas

Krawalle in Kopenhagen: Randalierer haben nahe des UN-Gipfels Barrikaden in Brand gesetzt und Polizisten angegriffen. Hunderte Demonstranten wurden festgenommen.

Nach nächtlichen Ausschreitungen am Rande des Klimagipfels in Kopenhagen hat die dänische Polizei mehr als 200 Menschen festgenommen. Randalierer errichteten am Montagabend brennende Barrikaden nahe der alternativen Wohnsiedlung Christiania und griffen die Polizei mit Molotowcocktails an. Auf dem Gipfel soll am Dienstag mit dem Auftakt der Ministerberatungen die entscheidende Phase beginnen.

Klimagipfel Kopenhagen: Feuer auf Kopenhagens Straßen: Demonstranten setzten Barrikaden außerhalb des "Freistaats Christiania" in Brand.

Feuer auf Kopenhagens Straßen: Demonstranten setzten Barrikaden außerhalb des "Freistaats Christiania" in Brand.

(Foto: Foto: AP)

Die Polizei setzte Tränengas und Wasserwerfer ein und drang kurz vor Mitternacht in die Wohnsiedlung ein, wo sie nach Angaben eines Sprechers rund 210 Menschen verhaftete. Zahlreiche dänische und ausländische Umweltaktivisten hatten zuvor an einem Fest auf dem Gelände des Christiania-Geländes teilgenommen. Ein Augenzeuge sagte dem Nachrichtensender TV2 News, die Polizei habe alle Ausgänge des Geländes abgeriegelt und Tränengas eingesetzt, um die in einem Zelt versammelten Teilnehmer auseinanderzutreiben.

Offiziellen Angaben zufolge gab es unmittelbar nach den Zusammenstößen keine Berichte über Verletzte.

Stundenlang gefesselt in der Kälte

Das harsche Vorgehen der dänischen Polizei gegen die Demonstranten hatte bereits am Montag Proteste hervorgerufen. Binnen drei Tagen hat die Polizei inzwischen über 1200 Demonstranten festgenommen und teils in Käfige in einer Lagerhalle gesperrt oder stundenlang gefesselt in der Kälte sitzen lassen.

Den größten Block der Festgenommenen stellen mit 335 die Deutschen. Am Mittwoch steht eine erneute Kraftprobe bevor: Militante Gruppen haben angekündigt, entgegen aller Verbote den Tagungsort des Gipfels stürmen zu wollen.

Christiania entstand Anfang der 1970er Jahre auf einem ehemaligen Kasernengelände, wo sich Aussteiger und Künstler niederließen,und wurde zum Inbegriff der dänischen Hippie-Kultur. Bei Protesten gegen Polizeieinsätze und den Abriss sowie die Räumung von Häusern in Christiania kam es wiederholt zu Straßenschlachten.

Im Video: Die Beamten drangen am frühen Dienstagmorgen auf das Gelände des Wohnprojekts "Freistaat Christiania" in Kopenhagen ein. Mehrere Menschen wurden festgenommen. Weitere Videos finden Sie hier

Auf dem Kopenhagener Gipfel ringen Industriestaaten und Entwicklungs- sowie Schwellenländern neben der Verminderung von Treibhausgas-Emissionen vor allem um die Finanzierung des Kampfes gegen den Klimawandel. Die Industrieländer sind bisher hauptverantwortlich für den bedrohlichen globalen Temperaturanstieg. Geht es nach den Demonstranten, sollen vor allem die reichen Staaten stärker in die Pflicht genommen werden und noch strengere Umweltstandards einführen.

Obama hofft auf Übereinkunft

US-Präsident Barack Obama, der am Freitag in Kopenhagen erwartet wird, erhofft sich nach Angaben seines Sprechers Robert Gibbs eine verbindliche Übereinkunft vom Klimagipfel, "die die Länder verpflichtet, aussagekräftige Schritte zu unternehmen". Der ehemalige US-Vizepräsident Al Gore sagte in Kopenhagen, die USA müssten "sehr viel mehr" für den Kampf gegen die Erderwärmung tun. Das, was Obama in weniger als einem Jahr unternommen habe, sei allerdings hervorragend im Vergleich zu den acht Jahren der Vorgängerregierung unter George W. Bush.

Als erster der in Kopenhagen erwarteten rund 120 Staats- und Regierungschefs schaltete sich der Präsident der Malediven, Mohamed Nasheed, in die UN-Klimakonferenz ein. Mit einem dramatischen Appell zur Rettung der Inselkette seiner Heimat wandte sich Nasheed an die Delegierten aus 193 Staaten. "Bei allen politischen Abkommen geht es um Verhandlungen, um Bereitschaft zum Kompromiss", sagte er.

Beim Klimawandel aber gehe es um Physik und "mit Mutter Natur kann man keinen Handel schließen", warb Nasheed dafür, die wissenschaftlichen Vorgaben im Kampf gegen den Klimawandel zu akzeptieren. Nach Schätzungen des UN-Klimarats würde schon ein Anstieg des Meeresspiegels um 18 bis 59 Zentimeter ausreichen, um die flachen Inseln der Malediven weitgehend unbewohnbar zu machen.

Die inhaltlichen Beratungen auf Ministerebene beginnen erst am Mittwoch. Allerdings halten sich bereits seit dem Wochenende zahlreiche Minister zu informellen Gesprächen in Kopenhagen auf, darunter auch Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU). Von Seiten zahlreicher Entwicklungsländer wurden solche Gespräche im kleinen Kreis, zu denen auch die dänische Konferenzleitung einlud, als intransparent kritisiert.

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