Klimagipfel Kopenhagen:Briten machen China für Scheitern verantwortlich

Deutliche Worte aus London: Der britische Umweltminister Ed Miliband beklagt, dass Peking ein Klima-Abkommen verhindert habe - Premier Brown spricht von Erpressung.

Die britische Regierung hat China für das Scheitern des Klimagipfels verantwortlich gemacht. China habe gegen die Einigung bei der Reduzierung von Treibhausgasen sein Veto eingelegt und damit ein Abkommen verhindert, schrieb Umweltminister Ed Miliband in der Zeitung The Guardian.

Klimagipfel, Miliband, Reuters

Verhinderer China: Großbritanniens Umweltminister Ed Miliband - der jüngere Bruder von Außenminister David Miliband - sieht die Schuld für das Scheitern in Kopenhagen in Peking.

(Foto: Foto: Reuters)

Die Mehrheit der Länder sei davon überzeugt gewesen, dass ein verbindlicher Vertrag nötig sei, um die Erde vor dem Klimawandel zu schützen. "Manche führenden Entwicklungsländer heißen das derzeit jedoch nicht gut."

Der Gipfel in Kopenhagen sei "chaotisch" und von "verfahrenstechnischen Spielchen" gekennzeichnet gewesen, schrieb Miliband. Es dürfe nicht mehr passieren, dass einige wenige Länder die Verhandlungen blockieren könnten. Dazu sei eine Reform der UN-Behörde nötig, die für die Klimaverhandlungen verantwortlich ist.

Auch Premierminister Gordon Brown stimmte in die Schuldzuweisungen ein. Es dürfe nie wieder passieren, "dass nur eine Handvoll Länder" einen weltweiten Gipfel "erpressen", sagte Brown nach einem vorab verbreiteten Podcast, aus dem der Sender BBC zitierte.

Bei dem zweiwöchigen Gipfel hatten die 193 Länder am Samstag nicht verbindlich über die Ziele gegen den Klimawandel abgestimmt, sondern die sogenannte Kopenhagen-Vereinbarung nur "zur Kenntnis genommen".

Der Präsident des Umweltbundesamtes, Jochen Flasbarth, gab UN-Generalsekretär Ban Ki Moon eine Mitschuld am Scheitern des Klimagipfels in Kopenhagen. "Die Stimme der Vereinten Nationen war am Ende zu klein und zu leise", sagte Flasbarth dem Hamburger Abendblatt. Ban habe die Möglichkeiten seines Amtes nicht vollständig ausgeschöpft.

"Für die vielen Staaten, die zum Schluss nicht mitverhandelt haben, hätte jemand das Wort ergreifen müssen", kritisierte Flasbarth. Und diese Stimme hätten nur die UN in Person des Generalsekretärs sein können. Flasbarth forderte daher eine Debatte über die zukünftige Rolle der UN: "Wir haben nach Kopenhagen Diskussionsbedarf darüber, welche Führungsrolle die Vereinten Nationen im Klimafolgenprozess einnehmen müssen."

"Die Gipfel müssen schlanker werden"

Der Chefökonom des Potsdam-Instituts für Klimaforschung, Ottmar Edenhofer, sagte der Berliner Zeitung nach dem Misserfolg in Kopenhagen, man dürfe beim Klimaschutz nicht das ganze Gewicht der Verantwortung auf die Schultern der Vereinten Nationen legen. Beim Klimaschutz müsse es ergänzende Prozesse geben, etwa auf transatlantischer Ebene oder im Rahmen der G 20.

Als Konsequenz aus dem Scheitern in Kopenhagen forderte Edenhofer zudem eine grundsätzliche Reform der Klimakonferenzen. "Die Gipfel müssen schlanker werden", sagte Edenhofer. "Die Mischung aus Kirchentag-Happening und Verhandlungen ist nicht zielführend", betonte der Wissenschaftler, der zugleich ein Vorsitzender im Weltklimarat der UN ist.

Neben den Vereinten Nationen gab es auch Kritik am Gastgeberland Dänemark. So bemängelte der WWF Deutschland die Leitung der Konferenz durch den dänischen Ministerpräsidenten Lars Lokke Rasmussen. Regine Günther, Leiterin des Bereichs Klima beim WFF, sagte der Online-Ausgabe des Hamburger Abendblatts, Rasmussen habe die Konferenz in die Katastrophe geführt. "Als Ministerpräsident Rasmussen übernahm, wurde es schrecklich. Es gab kein überzeugendes Verhandlungskonzept", bemängelte Günther.

Die WWF-Expertin kritisierte auch die Größe des Gipfels: "Es ist eine enorm komplexe Materie, die besonderer Vorbereitungen bedarf, wenn sie nicht auf Experten-, sondern auf Staatsebene verhandelt werden."

Der frühere Chef des UN-Umweltprogramms (UNEP), Klaus Töpfer, kritisierte die EU. Sie habe in Kopenhagen keine Führerschaft übernommen. "Dadurch hat der Konflikt zwischen den USA und China den Gipfel geprägt." Er bezeichnete die Klimakonferenz in der Frankfurter Rundschau (online) als Misserfolg. Dass Kopenhagen ein "heilsamer Schock" gewesen sei, der die Weltgemeinschaft aufrüttele, glaube er nicht.

"Wir müssen sofort handeln"

Er forderte die Gipfelländer auf, nicht auf weitere Gipfel zu warten und ihre jeweiligen CO2-Reduktionsziele sofort in konkrete Handlungspläne umzusetzen. "Wir können nicht mehr Jahre verhandeln, wir müssen sofort handeln", wird er zitiert.

Der Grünen-Fraktionsvorsitzende Jürgen Trittin warnte nach dem Scheitern des Gipfels vor Resignation. "Wenn Europa heute Vorreiter in Technologien wie Windenergie und Gebäudedämmung ist, erwächst das aus ehrgeiziger Klimaschutzpolitik", sagte der frühere Bundesumweltminister der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung. "Hier nachzulassen, wäre ökonomisch dumm und gefährlich."

Trittin sagte, noch sei der Weg zu einem verbindlichen Abkommen offen. Daher werde man den Klimaprozess mit allem Nachdruck bis zur Konferenz im Sommer 2010 in Bonn fortsetzen müssen. Der Grünen-Politiker plädierte für einseitige Vorleistungen der EU: "Europa erklärt endlich verbindlich als Ziel, was es schon in Aussicht gestellt hat, nämlich bis 2020 eine Reduktion um 30 Prozent, nur dann lässt sich bis 2050 ein Abbau um 80 Prozent erreichen, der allseits für notwendig gehalten wird."

Dagegen warnte der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) vor einseitigen Klimaschutz-Zusagen. "Die Kopenhagen-Konferenz macht klar, dass die klimapolitische Vorreiterrolle Deutschlands und der EU andere Staaten nicht automatisch zu ebenso klaren Reduktionszusagen veranlasst", sagte DIHK-Präsident Hans Heinrich Driftmann der Passauer Neuen Presse.

"Klimaschutzziele müssen deshalb in Deutschland und der EU mit Rücksicht auf Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung umsetzt werden." Mit einer weiteren einseitigen Verschärfung der EU-Minderungsziele auf minus 30 Prozent sei angesichts des Anteils von nur 14 Prozent an den globalen Emissionen nichts gewonnen. Die Wettbewerbsfähigkeit würde jedoch aufs Spiel gesetzt, warnte Driftmann.

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