Klimagipfel in Kopenhagen:Getrieben von Gefahren

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Wie afrikanische Staaten verhindern wollen, "erneut vergewaltigt" zu werden - und was andere wichtige Akteure in Kopenhagen vom Klimagipfel erwarten. SZ-Korrespondenten berichten.

Wie wird der Klimagipfel weltweit von Medien und der Öffentlichkeit wahrgenommen - und welche Erwartungen knüpfen wichtige Akteure an das Treffen? Ein Überblick.

Die Erde hat Fieber - und in Kopenhagen beraten die Nationen auf dem Klimagipfel, wie man dem Patienten helfen will. (Foto: Foto: dpa)

Afrikanische Staaten Von Arne Perras, Kampala

Selten sprechen die Afrikaner mit einer Stimme. Aber für den Klimagipfel in Kopenhagen haben sie nun doch zueinander gefunden. Von den Industrienationen fordert die Afrikanische Union (AU) mit ihren 52 Mitgliedern eine Reduktion des Kohlendioxid-Ausstoßes um 40 Prozent bis 2020, gemessen an den Werten von 1990. Minderungen um 20 bis 30 Prozent nennen sie "inakzeptabel".

Äthiopiens Regierungschef Meles Zenawi hat gewarnt, dass die Afrikaner die Verhandlungen verlassen könnten, wenn ihr Kontinent dabei "erneut vergewaltigt" würde. Er erinnerte an die hohen Summen, die reiche Länder während der Finanzkrise aufgebracht hätten, um ihre Banken zu retten. Sie lägen um ein Vielfaches höher als das, was nun zum Schutz gegen die Klimaveränderungen in die Entwicklungsländer transferiert werden müsse.

Afrika möchte erreichen, dass die reichen Länder 0,5 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für Investitionen in den armen Ländern bereitstellen, damit diese Anpassungen an die Folgen des Klimawandels bezahlen können.

Die einzige Industrienation des Kontinents, Südafrika, will seine Emissionen um 34 Prozent bis 2020 drücken, erklärte Präsident Jacob Zuma. Es wird allgemein akzeptiert, dass der afrikanische Kontinent mit am stärksten unter den Gefahren des Klimawandels leidet, obgleich er ihn nur zu einem geringen Teil mitverursacht. Die Region ist nur für einige wenige Prozent der globalen Emissionen verantwortlich.

Lesen Sie auf den folgenden Seiten, was sich EU, Russland, die USA, Japan und China von dem Gipfel erwarten.

Europäische Union Von Oliver Bilger, Brüssel

Bevor es nächste Woche in die entscheidende Phase der Klimaverhandlungen in Kopenhagen geht, berät die Europäische Union an diesem Donnerstag ihre Strategie für das Endspiel. Beim Abendessen werden sich die Staats- und Regierungschefs der EU dafür in Brüssel die Karten zurechtlegen. Europa will geschlossen auftreten - auch wenn die Klimapolitik zum Teil weiter in nationaler Hand liegt. Ziel der Europäer ist ein weltweites, "rechtlich verbindliches Abkommen" zur Verringerung der Treibhausgase, das am 1. Januar 2013 in Kraft treten soll. Damit würde das Kyoto-Protokoll ersetzt, das Ende 2012 ausläuft. Mit dem neuen Abkommen soll die Welt sich darauf verpflichten, alles zu unternehmen, um die Erderwärmung auf höchstens zwei Grad zu begrenzen.

Um diesem Ziel näher zu kommen, hat die EU sich bereits auf eine Reduzierung von 20 Prozent der Kohlenstoffdioxid-Emissionen bis zum Jahr 2020 verpflichtet, im Vergleich zum Jahr 1990. Dass Europa in Kopenhagen eine Senkung der Treibhausgase um 30 Prozent anbietet, gilt in Diplomatenkreisen derzeit als nicht völlig ausgeschlossen. Europa wäre dazu bereit, wenn "andere Industrieländer sich zu vergleichbaren Reduktionen verpflichteten und Entwicklungs- wie Schwellenländer ihren Fähigkeiten entsprechend beitragen", heißt es im Entwurf der Abschlusserklärung des EU-Gipfels. Wird dieses Angebot vom Gipfel noch einmal ausdrücklich bekräftigt, worauf die schwedische EU-Präsidentschaft dringt, die Europa auch in Kopenhagen vertritt, dann könnte Bewegung in die Kopenhagener Verhandlungen kommen. Das jedenfalls hoffen die Diplomaten.

Als "Anschubfinanzierung" will die EU voraussichtlich zwei bis drei Milliarden Euro pro Jahr in den nächsten drei Jahren an Entwicklungsländer zahlen. Ein "faires Angebot" soll es sein, heißt es im Vorfeld. Über den genauen Betrag wollen die Regierungschefs auch beim Abendessen in Brüssel beraten.

Russland Von Sonja Zekri, Moskau

Es gibt Themen, die Russland mehr umtreiben als der Klimagipfel. Die Brand-Katastrophe in Perm, ein ungeklärter Zuganschlag, der plötzliche Wintereinbruch in Moskau. Wochenlang litt die Hauptstadt unter suppigem Dunst und Wärmerekorden. Trotz nachweislicher Klimaerwärmung aber ist Umweltschutz kein Aufreger in Moskau, auch wenn die Mächtigen des Landes zumindest auf Verlautbarungsebene den Ernst der Stunde beschwören.

Präsident Dmitrij Medwedjew zumindest hat den Klimaschutz ins Portfolio seiner Modernisierungsoffensive aufgenommen und vor ein paar Wochen verkündet, bis 2020 solle Russland 40 Prozent weniger Energie verbrauchen - dank Energiesparbirnen, besser isolierter Häuser und weniger Verschwendung in der Industrie. Bislang ist aber noch nicht klar, ob er überhaupt nach Kopenhagen fahren wird.

Überhaupt sind die Erwartungen russischer Umweltschützer an den Gipfel verhalten. Nicht allein, dass sie kaum mit einem bindenden Dokument zum Abschluss rechnen, weil der Dissens etwa zwischen Industrie- und Entwicklungsländern über die Verteilung von Kosten und Quoten zu groß sei. Russland, meldet die Zeitung Kommersant , rechne sich dabei seinen Anteil einfach schön: Zwar habe Moskau vorgeschlagen, dass Russland den CO2-Ausstoß bis zum Jahr 2020 um ein Viertel verringern wolle, allerdings vom Jahr 1990 an berechnet. Lege man ein Boomjahr wie 2007 zugrunde, ergebe sich sogar eine Steigerung um 14 Prozent.

USA Von Moritz Koch, New York

Die Reaktion der Wirtschaftslobby ist ungefähr so überraschend wie ein Feuerwerk zum Neujahrsfest. Die Handelskammer in Washington warnt vor Jobverlusten und dem Ende der konjunkturellen Erholung. Der Verband der petrochemischen Industrie attestiert: Inmitten einer schweren Krise sei "wohl kaum der richtige Zeitpunkt, die Reste des industriellen Sektors in Amerika für einen Marketing-Sieg zu gefährden".

Das ist geschehen: Die amerikanische Umweltbehörde Epa hat beschlossen, das Treibhausgas Kohlendioxid als "gesundheitsschädlich" einzustufen. Die Entscheidung wird von Umweltverbänden bejubelt. Auf dem Klimagipfel in Kopenhagen gibt sie Barack Obama dringend benötigten Verhandlungsspielraum. Denn bisher stand der US-Präsident klimapolitisch mit leeren Händen da.

Ein Gesetz zur Einführung eines Handelssystems für Verschmutzungsrechte, wie es in Europa bereits existiert, steckt seit Monaten im Senat fest. Mit ihrer jüngsten Entscheidung kann die Epa notfalls auch ohne parlamentarische Zustimmung Emissionsgrenzen festlegen.

Origineller als der Alarmismus der Wirtschaftslobby war die Kritik des republikanischen Kongressabgeordneten Dave Camp an dem Epa-Vorstoß. Der Versuch, das zu regulieren, "was wir ausatmen", sei "lächerlich", schimpfte er am Mittwoch.

Camp war gemeinsamen mit anderen Kongressmitgliedern von Obama ins Weiße Haus eingeladen worden, um über den Arbeitsmarkt zu reden. Das Treffen sollte die Möglichkeiten überparteilicher Kooperation ausloten, doch es verlief feindselig. Die Regierung verfolge eine Agenda zur Arbeitsplatzvernichtung, polterten die Republikaner, gerade auch mit ihren Klimainitiativen. Trotz des Widerstands der Opposition gehen die USA mit einem konkreten Angebot in die internationalen Verhandlungen. Sie sind bereit, ihren CO2-Ausstoß gegenüber dem Niveau von 2005 bis 2020 um 17 Prozent zu senken.

Japan Von Christoph Neidhart, Tokio

Japans Premier Yukio Hatoyama hat den Klimagipfel in Kopenhagen zu seinem persönlichen Anliegen gemacht. Mit seiner Ankündigung im September, Japan werde seinen CO2-Ausstoß bis 2020 um 25 Prozent reduzieren, brachte er die Regierungen Südkoreas, der USA, Chinas, Indiens und Brasiliens dazu, ebenfalls Reduktionsziele zu beziffern. Dies ist die Lesart der Regierung in Tokio, welche Japans Medien übernehmen.

Umweltminister Sakihito Ozawa sagt, die japanische Regierung werde proaktiv für den Erfolg der seiner Meinung nach schwierigen Verhandlungen in Kopenhagen kämpfen. Und nennt klare Kriterien, die erfüllt werden müssen, damit Japan COP15 - die 15. UN-Klimakonferenz - als Erfolg werte.

Er sagt auch, Hatoyama habe sich mit Präsident Obama bei dessen Besuch in Tokio geeinigt, dass die entwickelten Staaten ihren CO2-Ausstoß um 80 Prozent bis 2050 reduzieren müssen. Der Klimaschutz ist einer jener ganz seltenen Bereiche, in denen Japan eine Führungsrolle beansprucht. Und dies mit Nachdruck.

Die wichtigen Medien Japans sind staatstreu und selbstbezogen. Interessant finden sie alles, was Japan betrifft. Die großen Morgenzeitungen berichteten am Dienstag deshalb alle auf ihren Frontseiten von der Eröffnung der Konferenz in Kopenhagen und zeigten im Innern der Blätter auf, wie der weltweite CO2-Ausstoß sich zusammensetzt, aus welchen Quellen das Treibhausgas stammt und aus welchen Ländern. 41 Prozent des CO2 aus den USA und China zusammen.

Japan selber ist im Klimaschutz freilich sehr unausgeglichen. Seine Industrie spart mehr Energie als in irgendeinem andern Land, Hybrid-Autos gehören längst zum Straßenbild. Aber die Häuser sind kaum isoliert. Und vielen Leuten ist gar nicht bewußt, dass ihre Häuser Energie verschwenden. Da müsse man auch ansetzen, um die Klimaziele zu erreichen, sagt der Umweltminister. Und fordert die Medien zur Mithilfe auf.

China Von Christina Maria Berr

Die staatliche Homepage china.org.cn hat eine einnehmende Bildstrecke, die man fast schon als Reisetipp verstehen könnte: "Schönes Kopenhagen: Ort des Weltklimagipfels" heißt es da. Gepriesen wird eine Stadt mit vielen Sehenswürdigkeiten. Man fragt sich allerdings, wem diese Anpreisung nützen kann. Nur wenige Chinesen können sich so eine Reise leisten und eine Reiseerlaubnis für die Stadt bekommen, auf die momentan die Welt blickt. Dort wiederum blickt man auf China, denn ohne Pekinger Zusagen geht es nicht.

Kopenhagen bedeutet in diesen Tagen Klimagipfel - und das wiederum ist in den vielen chinesischen Medien ein beliebtes Thema, vor allem auch auf englischsprachigen Publikationen. Denn hier kann man mit Weltoffenheit punkten und mit wegweisender Weltpolitik. Schließlich, so der Tenor in den Medien und der Politik, seien gerade die Chinesen ganz vorne dabei, wenn es um Klima und Emmissionsschutz geht. So gibt es beispielsweise auf china.org.cn eine Geschichte über Aufforstung und Waldschutzmaßnahmen und die Einführung einer "Grünen Bank". Der Text liest sich bald so, als bestehe China aus einem einzigen Naturschutzparadies. Doch damit nicht genug: Die Mehrheit der Chinesen wolle sogar einen höheren Preis für Energie bezahlen, um den Klimawandel abzumildern, heißt es an anderer Stelle auf dieser Internetseite.

Dabei führt die Seite selbst eine entlarvend-lustige Rechnung an: Sieben von zehn Chinesen würden mehr bezahlen, aber nur drei von zehn sehen ein ernstes Problem in puncto Klimaschutz. Damit, so darf man vermuten, greifen die Macher die Verständnislosigkeit für derartige Maßnahmen auf, verfolgen sie aber - logischerweise - nicht weiter. Würde man diesen Journalisten folgen, hieße das: Die Chinesen zahlen gern für Dinge, die sie nicht einsehen.

Von der Kritik aus Wirtschaftskreisen, China sei viel zu wenig ambitioniert oder von der Aufforderung, China müsse noch zulegen (Bundeskanzlerin Angela Merkel), ist hier wie auch auf den anderen Seiten nichts zu lesen. Die in Hongkong ansässige South China Morning Post betont, dass die EU den Schlüssel zum Erfolg in China sehe und betont den schnellen Wandel der Nation vom Geächteten zum Anwalt - und sieht darin den richtigen Meinungswandel.

Derweil verbreitet sich die Nachricht, die chinesische Regierung wolle die "CO2-Intensität" - mit der der CO2-Ausstoß in der Industrie gemessen wird - um 40 bis 50 Prozent bis 2020 senken. Das Bezugsjahr soll 2005 sein. Als "wegweisend" beschreiben das die chinesischen Medien.

In westlichen Blättern dagegen kommentiert man diese Zusage eher nüchtern: Die USA und China hätten weltweit die höchsten CO2-Emissionen, sind aber nur zu wesentlich geringeren Verminderungen bereit als die EU, heißt es da. Das aber kann man in China nirgends lesen, weil die Internetportale immer wieder gesperrt werden und ausländische gedruckte Zeitungen ohnehin äußerst selten einen Weg in ausgewählte Zeitungskioske finden.

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