Klima-Demo in Kopenhagen:"Dann müssen wir die Politiker ändern"

Zehntausende Menschen demonstrieren in Kopenhagen für einen besseren Klimaschutz - und appellieren an das Gewissen der Politik.

M. Bauchmüller

100.000 Demonstranten? Der Polizist schüttelt den Kopf. In Kopenhagen habe es ja schon viele Demonstrationen gegeben, sagt er - aber eine mit 100.000 Leuten, das noch nie. Da musste erst die Klima-Karawane halt machen in Dänemarks Hauptstadt.

Klima-Demo in Kopenhagen: Halbzeit der Klimakonferenz in Kopenhagen - und Zeit für Zehntausende Demonstranten, für den Klimaschutz auf die Straße zu gehen.

Halbzeit der Klimakonferenz in Kopenhagen - und Zeit für Zehntausende Demonstranten, für den Klimaschutz auf die Straße zu gehen.

(Foto: Foto: ddp)

Am Samstagmittag hatten sich die Demonstranten auf dem Platz vor dem dänischen Parlament versammelt, Umweltschützer, Gewerkschafter, Menschenrechtler. Die indische Umweltakivistin Vandana Shiva war gekommen, der neue Greenpeace-Chef Kumi Naidoo, das dänische Top-Modell Helena Christensen.

Aber niemand stimmte die Menge besser auf die Demo ein als eine resolute Dame aus Uganda. Und das mit einer ziemlich nüchternen Schilderung. Das Dorf, aus dem sie stamme, sei vor einigen Jahren von einer Flut heimgesucht worden. "Die Leute flohen, und als sie wiederkamen, war ihr Dorf weg", beschrieb sie. Sie kamen zurück, bauten ihre Häuser wieder auf.

"Dann kam die Malaria." Der Malaria wiederum, so fuhr sie fort, folgte eine Trockenperiode. "Und als wäre all das nicht genug, kam diesen Sommer die nächste Flut." Das Dorf ist nun verlassen.

"Wir kommen heute zu den Weltführern", schloss sie, "damit sie begreifen, dass sie unsere Zukunft sichern müssen." Das saß.

Nicht minder eindrucksvoll war wenig später die Rede des Südafrikaner Kumi Naidoo bei einem seiner ersten großen öffentlichen Auftritte. "Wenn Ihr im Dezember 2009 aus Kopenhagen heimkommt", so appellierte er an die Staats- und Regierungschefs, "dann müsst ihr euren Kindern und Enkeln in die Augen schauen können und sagen: Ja, wir haben es geschafft."

Kommende Woche werden mehr als hundert Staats- und Regierungschefs in Kopenhagen erwartet. Auf Einladung der dänischen Regierung sollen sie bei einem fünfstündigen Treffen am Freitagnachmittag den Weg frei machen in ein neues Klimaabkommen. "Wir können die Wissenschaft nicht ändern", rief Naidoo den 100.000 zu.

"Wenn wir die Wissenschaft nicht ändern können, müssen wir die Politik ändern. Und wenn wir die Politik nicht ändern können, müssen wir die Politiker ändern." Jubel.

In den vergangenen Tagen hatte sich schon abgezeichnet, dass die Demonstration weit mehr Zulauf haben würde als die ursprünglich 20.000 erwarteten Teilnehmer. Noch am Freitag war die Prognose auf 50.000 Demonstranten heraufgesetzt worden. Mit 100.000 aber hatte keiner gerechnet.

Insbesondere aus Deutschland waren zahlreiche Demonstranten angereist, darunter eine nicht kleine Delegation der Grünen. "Die Realität des Klimawandels ist bei vielen Staatschefs noch nicht angekommen", sagte Grünen-Chefin Claudia Roth zu sueddeutsche.de. Statt ernsthafter Verhandlungen gebe es ein "peinliches Geschachere". "Und dies hier ist die Antwort der Zivilgesellschaft."

Mehrere Stunden zog sich der Demonstrationszug südwärts durch Kopenhagen, am späten Nachmittag traf er beim Konferenzzentrum ein, um dort Tausende Unterschriften zu sammeln. Im Inneren des Gebäudes brüteten die Diplomaten derweil ungestört über möglichen Vertragstexten. Ohne nennenswerte Fortschritte zu erzielen.

Vor den Türen des Kongresszentrums kam es indes zu Ausschreitungen. Die dänische Polizei nahm über 900 Menschen fest, die große Mehrzahl "vorbeugend" wegen vermuteter Gewaltbereitschaft. Behördensprecher bestätigten die Zahl am Abend in Medien und erklärten, man bedaure es, wenn Unschuldige darunter gewesen seien. Bei vielen handele es sich um Mitglieder des gewaltbereiten Schwarzen Blocks, teilte die Polizei mit. Die mit Steinen und Knüppel bewaffneten Vermummten hätten sie sich unter die Teilnehmer des Demonstrationszugs gemischt, während diese zum Tagungszentrum des Klimagipfels zogen.

Die Autonomen hätten zudem Knaller gezündet, sagte Polizei-Vizechef Per Larsen. Schon kurz nach Beginn des Protestzugs hatte eine Gruppe von 300 Menschen laut Polizei in der Innenstadt Fensterscheiben eingeworfen.

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