Kleinwaffen:Export von Kleinwaffenmunition aus Deutschland verzehnfacht sich

Razzia bei Waffenfirma Sig Sauer in Eckernförde

Eine Sig-Sauer-Pistole Kaliber 9 mm. Sie zählt zu den Kleinwaffen, ebenso wie leichte Maschinengewehre und -pistolen.

(Foto: picture alliance / dpa)
  • Die deutschen Exporte von Kleinwaffenmunition haben sich in der ersten Jahreshälfte 2016 im Vergleich zum selben Zeitraum ein Jahr zuvor verzehnfacht.
  • Das geht aus dem Rüstungsexportbericht hervor, aus dem die Deutsche Presseagentur zitiert.
  • Unter Kleinwaffen versteht man etwa Maschinenpistolen, Sturmgewehre und leichte Maschinengewehre, mit denen besonders häufig Menschen getötet werden.

Ginge es nur um die Waffen selbst, so könnte die Bundesregierung am morgigen Mittwoch einen Rückgang vermelden. Dann berät das Kabinett über den Rüstungsexportbericht für das erste Halbjahr 2016 - und in dem Dokument, aus dem die Deutsche Presseagentur nun vorab Auszüge veröffentlicht hat, steht, dass die Ausfuhren sogenannter Kleinwaffen abgenommen haben: Im ersten Halbjahr 2015 wurden noch Kleinwaffen im Wert von 12,4 Millionen Euro exportiert, 2016 waren es 11,6 Millionen Euro.

Nimmt man aber die Exporte von Munition hinzu, so zeigt sich ein völlig anderes Bild. Deren Ausfuhr hat sich in der ersten Jahreshälfte 2016 im Vergleich zur ersten Jahreshälfte 2015 nämlich mehr als verzehnfacht, von 27 Millionen auf 283,8 Millionen Euro.

Diese Entwicklung ist bedeutsam, da unter den Begriff der Kleinwaffen auch solche Waffen fallen, die so klein nicht sind. Neben Pistolen und Revolvern werden etwa auch Gewehre als "Kleinwaffen" geführt, ebenso Maschinenpistolen und leichte Maschinengewehre. Per Definition gehört Kriegsgerät dazu, das ein einzelner Kämpfer tragen kann.

Ein großer Teil geht an Nato- und EU-Staaten, ein anderer in den Irak

Kleinwaffen richten einen enormen Schaden an. Nach Angaben der Vereinten Nationen sterben jährlich etwa 200 000 Menschen durch den Einsatz von Kleinwaffen, das ist etwa die Hälfte aller gewaltsamen Tode weltweit. In Bürgerkriegen wie derzeit in Syrien werden die meisten Zivilisten mit Maschinenpistolen, Sturm- und Maschinengewehren getötet.

Den Großteil der Kleinwaffenmunition lieferten deutsche Unternehmen aber nicht in derartige Kriegsländer, sondern in EU- und Nato-Staaten. Zählt man die den Nato-Ländern gleichgestellten Staaten Australien, Neuseeland, Japan, Schweiz hinzu, so entfallen auf sie 275 Millionen Euro. Ein deutlicher Anteil von 5,4 Millionen Euro geht allerdings auch in den Irak, dort unterstützt die Bundesrepublik die Kurden im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat.

Nimmt man Kleinwaffen, deren Bestandteile und Munition zusammen, so geht die zweitgrößte Lieferung in den Irak, nur Frankreich liegt noch davor. Auf Platz drei folgt Polen.

Die Linke übt Kritik

Der Rüstungsexportbericht fällt in die Zuständigkeit von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD). In seiner Amtszeit gingen deutsche Kleinwaffenexporte stark zurück. Bei Lieferungen in problematische Länder außerhalb von EU und Nato, in denen die Menschenrechtslage heikel ist, ist die Regierung sensibler geworden.

Der Opposition reichte der Rückgang bei den Kleinwaffen-Geschäften bislang aber nicht. Der Verteidigungsexperte der Linken etwa, Jan van Aken, fordert ein komplettes Exportverbot für Kleinwaffen. "Die Vorstellung, dass jeden Tag irgendwo auf der Welt mit deutschen Waffen und deutscher Munition gemordet wird, ist unerträglich", teilte er mit.

Seit Anfang Juli ist bekannt, dass die Regierung in den ersten sechs Monaten 2016 die Ausfuhr von Waffen und Ausrüstung im Gesamtwert von 4,029 Milliarden Euro genehmigte - mehr als eine halbe Milliarde mehr als im Vorjahreszeitraum. Größter Posten war eine Fregatte für Algerien, die eine Milliarde Euro kostet. Damit liegt das nordafrikanische Land auf Platz eins der wichtigsten Bestimmungsländer. Linken-Politiker van Aken prognostiziert, diese Zahl werde noch einmal um ein bis zwei Milliarden Euro steigen, da in dem genannten Gesamtwert sogenannte Sammelausfuhrgenehmigungen noch nicht berücksichtigt seien.

Mehr Lieferungen an die Türkei

Interessant ist auch, wie sich die Rangliste der wichtigsten Bestimmungsländer von Rüstungsexporten verändert hat. So rückte die Türkei seit Beginn der Flüchtlingskrise vor gut einem Jahr in den ersten sechs Monaten dieses Jahres mit einem Volumen von 76,4 Millionen Euro von Platz 25 auf Rang acht der wichtigsten Empfängerländer. Fast zwei Drittel der Lieferungen betreffen Teile für Flugzeuge, unbemannte Luftfahrzeuge, Triebwerke und Bodengeräte.

Auch die Lieferungen in andere Spannungsregionen haben im Jahresvergleich zugenommen. So rückt Südkorea, das mit einer wachsenden Bedrohung durch Nordkorea leben muss, auf der Liste von Platz zehn auf Platz vier vor. Das Land erhält Rüstungslieferungen im Wert von fast 205 Millionen Euro. Knapp ein Drittel davon betrifft Kampfschiffe und U-Boot-Teile, gut ein Fünftel Raketen und Raketenabwehrsysteme. Hinzu kommen Teile für Kampfpanzer, Hubschrauber und Kampfflugzeuge.

Saudi-Arabien, das der Bundesregierung als stabilisierender Faktor in einer unruhigen Region gilt, bleibt in der Rangfolge auf Platz drei, der Gesamtwert der Lieferungen vervielfacht sich allerdings von 179 Millionen auf etwa 484 Millionen Euro. Die Bundesregierung liefert in das umstrittene Königreich unter anderem Hubschrauber, Flugzeuge und deren Teile sowie Ausrüstung für Luftbetankung. Die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) rücken ebenfalls in die Top Ten der deutschen Rüstungsexportländer auf - von Platz 13 im ersten Halbjahr 2015 auf Platz sieben. Die Zahl der Genehmigungen stieg von 70 auf 106, der Gesamtwert der Ausfuhren verdoppelte sich fast von 46 Millionen auf knapp 85 Millionen Euro.

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