Klausurtagung der CDU:Eine Partei auf Sinnsuche

Erika Steinbach ist trotz ihrer unverschämten Chuzpe für die CDU nicht das größte Problem: Die Parteispitze muss sich auf der Klausur gegen Vorwürfe wehren, nicht mehr konservativ zu sein - und betont ihre Vielfalt.

Stefan Braun

"Der gemeinsame Wille" wird an diesem Montag zum geflügelten Wort bei den Christdemokraten. Immer wieder ist von diesem gemeinsamen Willen die Rede, als es für die CDU-Parteispitze darum geht, die Debatte der letzten Tage in ruhigere Bahnen zu lenken. Das gilt für zahlreiche CDU-Politiker aus der Führung. Und es gilt noch viel mehr für CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe. Gerade ein Generalsekretär muss sich in schwierigen Zeiten darum kümmern, dass seine Leute nicht auseinander laufen, sondern zusammen bleiben. Also sagt Gröhe nach der Klausur des Präsidiums, die Beratungen seien geprägt gewesen "von dem festen gemeinsamen Willen", die Rolle der CDU als "wertegebundene Partei und Partei der Mitte in eine gute Zukunft zu führen."

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Angela Merkel im Hintergrund, Erika Steinbach vorne: Liberal, konservativ und zugleich christlich-sozial will die CDU sein.

(Foto: AFP)

Gröhes Worte sollen programmatisch und entschieden klingen. Vor allem aber dienen sie als Selbstschutz und Selbstvergewisserung in Zeiten, in denen sich schlechte Umfragewerte mit scharfer Kritik am Profil der Partei verbunden haben. Dabei, das zeigt sich am Montag, ist Erika Steinbach nicht das größte Problem. Problematischer ist die schlechte Grundstimmung draußen. Steinbach selbst besitzt die fast unverschämte Chuzpe, am Montag nach Verlassen des Bundesvorstands zu erklären, man habe sich "offen und sehr freundschaftlich" unterhalten. Das klingt wie Hohn nach ihren Attacken der letzten Tage. Manchmal staunt man schon, wie schnell mancher Politiker von scharfen Attacken zu Freundschaftsbekundungen wechselt.

Gröhe dagegen räumte ein, dass sich die Parteiführung natürlich Sorgen mache. Und dies vor allem, weil die Bevölkerung in vielen Lebensbereichen mit wachsenden Unsicherheiten konfrontiert werde. "Das stellt uns als Volkspartei natürlich vor immer größere Herausforderungen", sagte Gröhe - ohne freilich daraus den Schluss zu ziehen, es habe bei der CDU inhaltliche Versäumnisse gegeben.

Zuvor hatten sich auch zahlreiche Ministerpräsidenten ähnlich geäußert. Niedersachsens Regierungschef David McAllister betonte, es gebe keinen Bedarf "für eine Partei rechts der Union". Wichtig sei für die CDU, ihre drei Strömungen - das liberale, das konservative, das christlich-soziale in gleichem Maße zu berücksichtigen und ernst zu nehmen. "Ich halte das für eine virtuelle Debatte."

In gleicher Weise äußerte sich McAllisters Amtskollege aus Sachsen, Stanislaw Tillich. Der Ministerpräsident in Dresden erklärte, in der Union hätten "alle Strömungen ihre Heimat, auch die Konservativen. Rezept einer Volkspartei sei es, auf allen Flügeln Mitglieder zu haben - und genau das sei bei der CDU der Fall. "Auch wenn einzelne Mitglieder ausgetreten sind oder sich aus dem Politischen zurückgezogen haben, hat die Partei nicht an Profil verloren", meinte Tillich. Der Montag ist bei der CDU eben ein Tag zur Stärkung des eigenen Rückens.

Intern soll die Debatte ein klein wenig anders gelaufen sein. Dabei hat es, so berichten es viele Teilnehmer, keinen Streit gegeben bei der Klausur am Sonntagabend auf Schloss Diedersdorf bei Berlin. Wohl aber haben die Vertreter der Parteispitze länger als geplant und "sehr ernsthaft" über Kurs und Linie gesprochen. Insbesondere Fraktionschef Volker Kauder und der Vorsitzende der Jungen Union, Philipp Mißfelder, hätten betont, dass es da eine Gefahr und große Nachdenklichkeit gebe - und dass es nötig sei, das Konservative nicht zu vernachlässigen. Nach Berichten von Teilnehmern hätten beide dabei mehr auf das christliche als auf das konservative Element hingewiesen. Wolfgang Schäuble dagegen hätte davor gewarnt, einen Pfad der Mitte zu verlassen.

Die CDU sei auch unter Konrad Adenauer und Helmut Kohl die Partei der Mitte gewesen, davon also solle man sich keineswegs abbringen lassen. Worte, die viel Zustimmung ernteten - auch zum Schutz der eigenen Positionen. So gesehen hat in Diedersdorf Bundesumweltminister Norbert Röttgen für das meiste Kopfschütteln gesorgt - auch wenn er selbst gar nicht da war. Er hatte Berichte, er habe gegenüber Umweltpolitikern aus Nordrhein-Westfalen die beschlossene Laufzeitverlängerung juristisch in Frage gestellt, am Sonntag zwar umgehend zurück gewiesen. Dies habe Bundeskanzlerin Angela Merkel nach einem Telefonat mit Röttgen bestätigt. Trotzdem ist die Zahl derer in der CDU-Parteispitze, die ihm dieses Dementi wirklich glauben, in den letzten Wochen deutlich gesunken. Das ist für Röttgen deshalb besonders unangenehm, weil er noch letzte Woche in der ihm gegenüber sehr kritischen Bundestagsfraktion für das Energiekonzept und seine Verteidigung desselben viel Beifall geerntet hatte.

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