Berlin: Zehn Jahre Wowereit:Der ewige Herbergsvater

Sparen bis es quietscht, arm aber sexy: Die flotten Sprüche des Klaus Wowereit sind legendär. Heute feiert der Regierende Bürgermeister von Berlin sein zehnjähriges Dienstjubiläum - und wirkt mittlerweile so eingerostet, dass er nichts mehr ist, außer ein netter alter Kerl auf der Suche nach einer Vision.

Constanze von Bullion

Er ist nicht zu beneiden in diesen Tagen, der gute alte Sozialdemokrat. Die Welt scheint sich gegen ihn verschworen zu haben, seit in den politischen Landschaften das Grüne so wuchert, seit Schwarze mit Gelben regieren und mit Grünen flirten und das Rot der SPD zu einer Farbe verkümmert, die fürs Gestern steht, für Herrschaften, die ein wenig wunderlich geworden sind. Klaus Wowereit ist so ein netter alter Kerl. Am Donnerstag ist er zehn Jahre Chef der Jugendherberge Berlin, und wenn man ihn lässt, wird er im Herbst in seine nächste Dienstzeit schlurfen, in die dritte.

Wowereit besucht Berliner Tafel

Seit zehn Jahren Regierender Bürgermeister von Berlin: Klaus Wowereit (SPD).

(Foto: dpa)

Ob Wowereit sich gefällt in der Rolle des ewigen Herbergsvaters, bleibt sein Geheimnis. Wenn er so weitermacht jedenfalls, kann er seinem Vorgänger Eberhard Diepgen den Titel des Berliner Dauerregierers abnehmen, um sich wie dieser in aller Stille von der Zukunft überholen zu lassen.

Wowereit fehlt zwar nicht der Sinn für den Zeitgeist, wohl aber jede Art von Vision. Wie der Rest seiner Partei zehrt er vom Früher, von der Legende, dass die SPD für Chancengleichheit sorgt, für eine bessere, irgendwie gerechtere Welt. Die Betonung liegt auf irgendwie. Denn Geld für soziale Wohltaten ist keines mehr da, zumal in Berlin, und frische Impulse geben andere.

Dabei hatte die Ära Wowereit mal so anders begonnen, mit einem jugendlich wirkenden Genossen, dessen Aufstieg zum Bürgermeister ein Geräusch begleitete, als würde an einem Dampftopf ein Ventil geöffnet. Die dicke Luft, die da entwich, kam aus einer Stadt, die sich in Ost wie West in Provinzialität und Vetternwirtschaft eingerichtet hatte, in ideologischen Nischen und alternativen Projekten, die selbstverständlich andere zu finanzieren hatten.

"Hier bin ich doch schon mal gewesen"

Wowereit wurde bejuchzt, nicht nur von seiner Partei, als er sich so fröhlich zum Schwulsein bekannte. Als er am 16. Juni 2001 gewählt wurde, starrte die Stadt auf ihren Bankenskandal. Berlin saß auf 40 Milliarden Euro Schulden, der Neue wusste Rat: ein Mentalitätswechsel musste her.

Sparen bis es quietscht, arm aber sexy, die flotten Sprüche des Klaus Wowereit sind Legende. Nur dass sie einen faden Beigeschmack bekommen haben. Nach zwei erfolgreich ausgesessenen Volksentscheiden und Jahren strikter Haushaltskonsolidierung, die sich mit dem Namen Sarrazin verbinden, nach reduzierter Bezahlung in Berlins öffentlichem Dienst und tiefen Schnitten ins soziale Netz ist Frust eingekehrt, Schlendrian, Langeweile beim Regierenden.

Wer Wowereit in eine Neuköllner Schule begleitet, hört, ach, hier sei er doch schon mal gewesen. Ach, sagt er matt, als seine Partei ihn zum Spitzenkandidaten kürt, "ist doch immer wieder schön bei euch."

Wowereit will die Richtung weisen - wohin eigentlich?

Wenn es am schönsten ist, soll man gehen - oder anfangen, nach vorne zu denken. Wenn Berlin nach seinen Weltklasse-Museen und seiner Weltklasse-Uniklinik Charité nicht auch die Hoheit über die Finanzen an den Bund abgeben will, weil es in die Haushaltsnotlage schlittert, muss ein Plan zur Drosselung der Ausgaben her, bis Oktober. Er wird weh tun in Behörden, wo der Altersschnitt zu hoch ist, auch bei den vielen Arbeitslosen, denen Berlins öffentlich alimentierter Beschäftigungssektor zu selten echte Jobs verschafft. Wer das verschweigt, lügt.

Berlin braucht keine Fata Morgana einer Kunsthalle oder einer unbezahlbaren Landesbibliothek. Es reicht auch nicht, dass der Senat sich rühmt, die Hauptschulen abgeschafft und die Ganztagsbetreuung schneller ausgebaut zu haben als andere. Berlins Schulen gehören zu den leistungsschwächsten des Landes, auch weil es oft nicht gelingt, Unterschichtskinder mitzunehmen.

Wowereit will bei der Zuwanderung die Richtung weisen - wohin eigentlich? Wowereit will mehr Polizei in der U-Bahn - wie die CDU. Wowereit will auch umweltfreundlicheren Verkehr - wie die Grünen. Wowereit ist wie seine Partei. Er braucht mal wieder eine Idee, die seine eigene ist. Sonst wird er bald Geschichte sein.

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