Klaus Wowereit:"Wir haben den Mentalitätswechsel geschafft"

Berlins amtierender Bürgermeister über seine Zusammenarbeit mit der PDS und die Optionen der SPD nach der Wahl am 17. September.

Interview: Philip Grassmann

Am 17. September wird in Berlin ein neues Abgeordnetenhaus gewählt. Der Sozialdemokrat Klaus Wowereit (52) regiert seit 2001 gemeinsam mit der Linkspartei/PDS, auch gegen anfänglichen Widerstand in der eigenen Partei. In Umfragen liegt die SPD derzeit klar vor der CDU.

Wowereit, dpa

Wowereit in der SPD-Wahlkampfzentrale: eines wird es nicht geben: eine Koalition mit der CDU.

(Foto: Foto: dpa)

SZ: Was hat Sie an der Zusammenarbeit mit der PDS am meisten überrascht?

Wowereit: Diese Koalition hat gezeigt, dass sie hinter verschlossenen Türen Entscheidungen treffen kann und sie dann nach außen geschlossen vertritt.

SZ: Damit hatten Sie nicht gerechnet?

Wowereit: Bei Rot-Rot hat es, anders als in der großen Koalition zuvor, selbst in schwierigen Situationen, wie etwa bei den Tarifverhandlungen mit der Gewerkschaft Verdi, keine Tricksereien oder Illoyalitäten gegeben. Wir haben zusammengehalten und das durchgestanden. Man hat uns sogar vorgeworfen, dass wir zu harmonisch miteinander umgehen. Rot-Rot hat den Berlinern viel zugemutet. Aber wir haben den Mentalitätswechsel, den ich eingefordert habe, geschafft.

SZ: Was hat Sie enttäuscht?

Wowereit: Eigentlich nichts.

SZ: Auch nicht der Umgang der PDS mit dem DDR-Unrecht?

Wowereit: Es gibt immer ein paar Ewiggestrige, die nichts aus der Geschichte gelernt haben. Einige Formulierungen der PDS hätten da durchaus deutlicher ausfallen können.

SZ: Ist Rot-Rot auch ein Geschäftsmodell für den Bund?

Wowereit: Eine Regierungsbeteiligung der PDS im gesamten Bundesgebiet ist etwas anderes als auf Landesebene. Die PDS/Linkspartei ist auf Bundesebene derzeit nicht regierungsfähig. Sie vertritt den reinen Populismus. Auch personell hat die Partei nichts zu bieten.

SZ: Aber auf Landesebene kommt eine Neuauflage von Rot-Rot in Frage?

Wowereit: Natürlich, wir haben ja gut zusammengearbeitet. Aber auch die Grünen sind eine Option. Es gibt auch da viele Berührungspunkte.

SZ: In einigen Umfragen reicht es weder für Rot-Rot noch für Rot-Grün.

Wowereit: Warten wir mal ab. Die SPD kämpft darum, stärkste Fraktion zu werden, notfalls kommt auch ein Dreierbündnis in Frage. Nur eines wird es nicht geben: eine Koalition mit der CDU.

SZ: Warum?

Wowereit: Die Berliner CDU ist derzeit nicht regierungsfähig. Sie ist inhaltlich und personell in einem desolaten Zustand und hat aus ihren Fehlern in der Vergangenheit nichts gelernt: Sie verharrt immer noch in den Attitüden des alten West-Berlin.

SPD-Landesparteitag, ddp

SPD-Landesparteitag": Ich bin nicht auf Jobsuche".

(Foto: Foto: ddp)

SZ: Der Spitzenkandidat Friedbert Pflüger gehört zum liberalen Flügel.

Wowereit: Mag sein. Bei seinen aktuellen Auftritten vermisse ich diese angebliche Liberalität. Man kann nicht vormittags zu den türkischen Verbänden gehen und sich für Integration einsetzten und nachmittags die Proteste gegen den Bau einer Moschee unterstützen. Pflüger passt sich leider der Berliner CDU an.

SZ: Nach fünf Jahren Rot-Rot ist das Wirtschaftswachstum nach wie vor niedrig, die Arbeitslosigkeit hoch. Was läuft falsch?

Wowereit: Berlins Probleme sind wesentlich historisch bedingt. Durch den Wegfall der Berlin-Hilfen und den Zusammenbruch der DDR-Kombinate sind Hunderttausende Arbeitsplätze weggebrochen. Die Umstrukturierung des Öffentlichen Sektors hat ebenfalls Zehntausende Arbeitsplätze gekostet. Es gab zwar auch Unternehmens-Ansiedlungen, aber in der Bilanz hat es einen kräftigen Verlust gegeben. Die jüngsten Konjunkturdaten sind dagegen gut. Die Industrie- und Handelskammer hat 1,5 Prozent Wachstum prognostiziert, einen Wert, den wir schon lange nicht mehr hatten.

SZ: Ihnen wird vorgeworfen, Sie hätten einen schlechten Draht zur Wirtschaft.

Wowereit: Ich habe allein im vergangenen Jahr mehr als 300 Gespräche mit Unternehmen, Verbänden und potenziellen Investoren geführt. Da brauche ich mir überhaupt nichts vorwerfen zu lassen.

SZ: Rot-Rot hat einen strikten Sparkurs eingeschlagen. Ist Sparen zum Selbstzweck geworden?

Wowereit: Es war ein hartes Stück Arbeit, das Primärdefizit auf null zu bringen. Von Ende dieses Jahres an werden sich Einnahmen und Ausgaben decken. Was wir aus eigener Kraft bisher noch nicht schaffen, sind die Zinszahlungen für die rund 60 Milliarden Euro Schulden des Landes. Aber Sparen ist kein Selbstzweck, sondern soll die Handlungsfähigkeit des Staates erhalten. Dazu gehört auch, dass wir eine vernünftige Einnahmesituation haben. Deshalb ist die geplante Mehrwertsteuererhöhung unbedingt notwendig. Wir brauchen das Geld, um Investitionen nachzuholen. Wir müssen dringend Geld in Schulen, Infrastruktur und Gebäude investieren.

SZ: Sie sind einer der wenigen SPD-Ministerpräsidenten. Warum bringen Sie sich nicht stärker ein?

Wowereit: Das tue ich, zum Beispiel bei der Föderalismusreform. Ich werde mein bundespolitisches Engagement künftig aber noch verstärken.

SZ: Was halten Sie von einer Entsendung deutscher Truppen nach Nahost?

Wowereit: Es wird darauf ankommen, welche Anforderungen an die Hilfstruppen gestellt werden und welche Aufgaben die deutschen Soldaten übernehmen sollen. Es wäre ja völlig undenkbar gewesen, dass sich Deutschland an einer Militäraktion im Nahen Osten beteiligt, ohne dass die israelische Regierung das eingefordert hätte. Das hat sie aber getan. Die Entscheidung wird eine schwierige Abwägung werden, für jede Partei. Wichtig ist, dass es eine Perspektive für die Entwicklung dort gibt.

SZ: Sie sind also für den Einsatz?

Wowereit: Ich schließe mich der Position des Parteivorsitzenden Kurt Beck an.

SZ: Würde Sie ein Wechsel auf die Bundesebene reizen?

Wowereit: Ich kandidiere für das Amt des Regierenden Bürgermeisters. Das füllt mich aus. Ich bin nicht auf Jobsuche.

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