Katholische Kirche:Blinde Flecken beim Vermögen

Lesezeit: 3 min

Münster in Freiburg: Das dortige Erzbistum muss bis zu 160 Millionen Euro nicht abgeführte Rentenbeiträge für geringfügig Versicherte nachzahlen. (Foto: dpa)

Die Finanzskandale in der katholischen Kirche nehmen kein Ende, jede Diözese hat ihre eigene Vorstellung von Transparenz. Die katholischen Bistümer streiten nun darüber, ob strengere Bilanzen sie vor neuen Affären schützen können.

Von Matthias Drobinski, Nicolas Richter, Katja Riedel, München

Im September 2017 trafen in Frankfurt zwei Welten aufeinander. Mehrere Finanzexperten katholischer Bistümer, sogenannte "Ökonomen", besuchten ein Symposium der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG namens "Kirche und Finanzen". Während die Experten der KPMG für die professionellsten Standards bei der Rechnungslegung stehen, verkörpert zumindest die katholische Kirche eher die gut gemeinte Improvisation, die fehlende Transparenz oder schlimmstenfalls den handfesten Finanzskandal, in dem Dutzende Millionen Euro vernichtet werden.

In Frankfurt bekamen die angereisten kirchlichen Hierarchen eine Tabelle zu sehen, in der KPMG den Bilanzierungsstandard deutscher Bistümer veranschaulicht hatte. Oben standen jene mit dem höchsten Standard: dem nach Handelsgesetzbuch für Kapitalgesellschaften. Der obere Teil der Tabelle war nur mäßig bestückt: Gerade einmal sieben Bistümer standen da, was einem Viertel der 27 deutschen Bistümer entspricht. Unten in der Tabelle hingegen, bei "Sonstiger Standard", standen mindestens ebenso viele Bistümer - dazu diverse evangelische Landeskirchen.

Das Erzbistum München und Freising überweist regelmäßig Geld an ärmere Diözesen

Die Finanzskandale in der Kirche nehmen kein Ende: Das Erzbistum Freiburg muss bis zu 160 Millionen Euro nicht abgeführte Rentenbeiträge für geringfügig Versicherte nachzahlen; das Erzbistum Hamburg hat 79 Millionen Euro Schulden; acht katholische Schulen sollen deshalb geschlossen werden, im Bistum Eichstätt hat der Vize-Finanzchef bis zu 50 Millionen Euro in dubiosen US-Anlagen versenkt und sitzt in Untersuchungshaft. Letzteres fiel erst auf, nachdem Bischof Gregor Maria Hanke eine professionelle Eröffnungsbilanz in Auftrag gegeben hatte.

Nun stehen sich in der Kirche zwei Fraktionen gegenüber: Auf der einen Seite jene wie Hanke oder der Münchner Erzbischof Reinhard Kardinal Marx, die höchste Standards bei der Rechnungslegung erwarten und darin den einzigen Weg sehen, die Kirche vor neuen Skandalen zu schützen. Auf der anderen jene, die sich mit weniger Transparenz zufrieden geben wollen, weil die Kirche ja eben keine Aktiengesellschaft sei.

Der Münchner Generalvikar Peter Beer gehört zu denen, die größte Transparenz verlangen. "Wenn ich nicht nach strengsten Standards bewerte, heißt das, dass es blinde Flecken gibt beim Vermögen, bei den Risiken, bei den Prozessen", sagt er. "Und dann lautet die nächste Frage: Wozu gibt es diese blinden Flecken? Wozu sind die gut?" Das Erzbistum München und Freising verfolgt diese Entwicklung mit besonderem Argwohn, da es zu den reichsten deutschen Bistümern gehört und regelmäßig Geld an ärmere Diözesen überweist. Beer will deswegen wissen, wie die finanzielle Lage bei den anderen wirklich ist.

Trotz "Transparenzoffensive" rechnet jeder nach seinen eigenen Vorstellungen ab

Das ist allerdings nur schwer zu ermitteln. Obwohl die Kirche im Jahr 2014 eine "Transparenzoffensive" ausgerufen hat, bilanziert noch immer jedes Bistum entsprechend den eigenen Vorstellungen. Im Jahresbericht 2016 des Bistums Magdeburg heißt es etwa, man habe eine Eröffnungsbilanz aufgestellt, "die sich an die Vorgaben des Handelsgesetzbuches eng anlehnt". Im Jahresbericht 2016 des Bistums Limburg heißt es, die Jahresabschlüsse orientierten sich am HGB - "unter Berücksichtigung von Anpassungen, die im Hinblick auf die Besonderheiten einer kirchlichen Körperschaft vorgenommen wurden".

Beide Diözesen verteidigen ihre Bilanzierung auf Anfrage. Das Bistum Limburg erklärt, es sei dabei, letzte Abweichungen vom Handelsrecht abzubauen und bewerte sogar strenger als üblich, etwa bei Rückstellungen für Pensionen. Ähnlich äußert sich das Bistum Dresden-Meißen: Man bilanziere "konservativer", als es bei Kapitalgesellschaften verlangt werde. Die Last künftiger Pensionen für die Priester werde damit schon jetzt stärker berücksichtigt.

Das Bistum Magdeburg entgegnete, es habe nur Bilanzposten umbenannt, etwa "Erträge aus Kirchensteuer" statt "Umsatzerlöse". Allerdings erklärt das Bistum Magdeburg auch, dass es nur eine kleine Verwaltung habe und deswegen auf einen Lagebericht verzichte. In anderen Diözesen aber heißt es, ein Lagebericht sei dringend notwendig, weil er erfasst, ob Gläubige hinzuziehen oder wegziehen, weil er Steuereinnahmen prognostiziert, weil er also eine Einschätzung darüber ermöglicht, wie sich die Finanzen entwickeln werden.

Aber der Argwohn zwischen den deutschen Bistümern erstreckt sich auch auf weitere Bereiche: So hat jedes Bistum neben dem Haupthaushalt noch weitere Haushalte, es gibt das Kathedralkapitel, das Domkapitel, den Bischöflichen Stuhl sowie zahllose Stiftungen, in denen zum Teil großes Vermögen lagern soll. Deswegen stößt sich das Erzbistum München jetzt am Finanzausgleich der Diözesen untereinander: weil es nicht weiß, wer bedürftig ist. Der Münchner Erzbischof, Kardinal Marx, hat angekündigt, dass er seinen Bischofskollegen einen Vorschlag unterbreiten wird für mehr Klarheit und Vergleichbarkeit. Sein Generalvikar Beer gibt folgende Maxime aus: "Offenlegung, Vergleichbarkeit, und dann ist es selbstverständlich, auch Solidarität zu üben."

© SZ vom 23.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

ExklusivFinanzskandale
:Die katholische Kirche streitet ums Geld

Das Erzbistum München und Freising ist eines der reichsten in Deutschland, darum teilt es sein Vermögen mit ärmeren Bistümern - bis jetzt. Wegen mangelnder Transparenz stellt es die Solidarität infrage.

Von Matthias Drobinski, Nicolas Richter und Katja Riedel

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: