Kirche:Kalkulationen mit Kardinälen

Cardinals Attend A Celebration At St. Peter's Basilica

Beim nächsten Konsistorium am 20. November wird Papst Franziskus 17 neuen Kardinälen ihre roten Birette übergeben. 13 von ihnen sind unter 80 Jahren alt und dürften damit an einem Konklave zur Wahl des nächsten Pontifex teilnehmen.

(Foto: Franco Origlia/Getty Images)

Erneut hat der Papst mit der Auswahl der Bischöfe überrascht, die er zur Würde der Purpurträger erhebt. Seine Personalpolitik folgt aber erkennbaren Kriterien: Weder Europa, noch die Kurie stehen für ihn im Zentrum.

Von Oliver Meiler, Rom

Alle noch so kundige Raterei schießt ins Leere, auch bestes Insiderwissen ist nicht mehr viel wert. Wenn dieser Papst jeweils eine Liste neuer Kardinäle verkündet, die er zu "kreieren" gedenkt, wie die Beförderung in der Sprache der katholischen Personalpolitik heißt, dann sind meist alle überrascht - die Bedachten mindestens so sehr wie die, die dachten, bedacht zu werden. So war es auch am vergangen Sonntag wieder, als Franziskus bekannt gab, dass er am 20. November, zum Abschluss des Heiligen Jubiläumsjahres der Barmherzigkeit, 17 Kirchenmänner in den Kardinalstand erheben werde. Selbst die italienischen "Vaticanisti", diese gut vernetzten Experten für alles Vatikanische unter den Journalisten am Heiligen Stuhl, lagen wieder daneben. Wie schon beim ersten und beim zweiten Konsistorium von Jorge Mario Bergoglio. Man könnte meinen, der Argentinier mache sich einen Sport daraus, die Prognosen zu widerlegen und mithin hoffnungsfrohe Karrieristen zu enttäuschen.

Doch natürlich ist die Berufung seiner engsten Mitarbeiter ein ernsthaftes und hochpolitisches Geschäft, vielleicht das persönlichste von allen, die ein Papst zu erledigen hat. Die Kardinäle sollen ja dann einmal seinen Nachfolger wählen - zumindest jene 120, die zum Zeitpunkt des Konklaves jünger als 80 Jahre und damit wahlberechtigt sein werden.

So rätselhaft Franziskus' personalpolitischen Reflexe auch anmuten: Einige Kriterien sind gut erkennbar. Am deutlichsten erscheint sein Versuch, das Gremium zu internationalisieren. Unlängst sagte er, ihm gefalle es, wenn man dem Kardinalskollegium die Universalität der Kirche ansehe - "möglichst alle fünf Kontinente" sollen vertreten sein. In der jüngsten Promotionsrunde gelingt der Mix: Von den 13 Neuen, die unter 80 Jahre alt sind, stammen drei aus Europa, drei aus Nordamerika, drei aus Lateinamerika, zwei aus Afrika, einer aus Asien und einer aus Ozeanien. Weniger Europa, dafür mehr Restwelt, mehr Peripherie. Der Unterschied zu seinen beiden Vorgängern, Johannes Paul II. und Benedikt XVI., ist markant. Berücksichtigt man auch dieses dritte Konsistorium, hat Franziskus in dreieinhalb Amtsjahren 44 Kardinäle mit Stimmrecht berufen. Nur 14 von ihnen kommen aus Europa - das ist weniger als ein Drittel. Benedikt hatte insgesamt 74 Purpurträger unter 80 erhoben, von denen 39 Europäer waren - mehr als die Hälfte also.

Der Pontifex "vom Ende der Welt" stärkt die geografischen Ränder des katholischen Universums

Dass ein Papst, der "vom Ende der Welt" kommt, wie es Franziskus nach seiner Wahl nannte, die geografischen Ränder stärkt, verwundert nicht. Doch der Kurs verändert die Kirche mehr, als es vielen lieb ist. Gehadert wird vor allem im alten Machtzentrum, in der römischen Kurie und in den großen westlichen Diözesen, wo man sich bisher immer auf Traditionen und Automatismen verlassen konnte. Nun gelten die Gewohnheiten nicht mehr, das Recht auf die Kardinalswürde ist abgeschafft.

Die Italiener zum Beispiel, die in der Vergangenheit immer üppig mit Kardinalshüten bedacht wurden, bekommen mittlerweile nicht einmal ihre vermeintlich Gesetzten ins hohe Amt: Die Erzbischöfe von Venedig und Turin etwa stehen wieder nicht auf der Liste. Manche Posten im vatikanischen Verwaltungsapparat, die bisher als sichere Sprungbretter galten, sind heute eher hinderlich für den Aufstieg. Bergoglio ist nun mal kein Freund des Kurienbetriebs.

Stattdessen beruft er Leute, die er für Helden der Kirche oder für Symbolträger seiner politischen Linie hält. Der Nuntius im kriegsversehrten Syrien, Mario Zenari, ist so einer. Er soll auch als Kardinal Botschafter bleiben. Franziskus setzte Zenari zuoberst auf die neue Liste. Natürlich befördert er auch enge Vertraute wie zum Beispiel den Erzbischof Blase J. Cupich. Der eher liberale Erzbischof von Chicago, ein erklärter und expliziter Gegner von Donald Trump, half ihm dabei, die konservative Kirchenspitze in den USA etwas aufzumischen. Es steigen außerdem Herrschaften auf, die mit ihrer Vermittlung dazu beigetragen hatten, dass Bergoglio überhaupt gewählt wurde.

Ein Drittel des künftigen Wahlkollegiums für seine Nachfolge hat Franziskus nun schon bestimmt - auf seine ganz eigene Art und Weise. Alle Raterei, wer daraus dereinst als Papst hervorgehen könnte, wäre aber verwegen.

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