Kinderbetreuung:In Raum S002 bahnt sich eine kleine Revolution an

Kinderbetreuung: Von 17 bis 21 Uhr ist der Raum in Sitzungswochen besetzt, dann also, wenn keine Kita mehr geöffnet hat.

Von 17 bis 21 Uhr ist der Raum in Sitzungswochen besetzt, dann also, wenn keine Kita mehr geöffnet hat.

(Foto: Imago Stock&People)
  • Die Verwaltung des Bundestages richtet neben dem Plenarsaal ein Spielzimmer für die Kinder der Abgeordneten ein.
  • In der Testphase vor der Sommerpause ist nur am Donnerstag geöffnet.
  • Dass es das Spielzimmer gibt, hat mit der Hartnäckigkeit einiger Politikerinnen zu tun.

Von Claudia Fromme

Im Bundestag wird nicht nur geredet. Für Parlamentarier gibt es in den Gebäuden einen Andachtsraum, ein Restaurant, eine Bibliothek und sogar eine Turnhalle. An Kinder dachte bislang allerdings keiner. Und wenn doch, dann in guter Hausmeistertradition: Vor einer Weile ging ein Brief herum, nach dem Abgeordnete doch bitte auf ihren spielenden Nachwuchs achten sollten, damit nicht ein Kind vom Geländer stürzt oder kleine Finger in irgendeinem Schredder landen.

Nun aber bahnt sich eine kleine Revolution an, genauer in Raum S002. Dort richtet die Verwaltung des Bundestages ein Spielzimmer ein. Wenn im Plenum zu später Stunde debattiert oder abgestimmt wird, betreuen Erzieher den Nachwuchs der Parlamentarier. Von 17 bis 21 Uhr ist der Raum in Sitzungswochen besetzt, dann also, wenn keine Kita mehr geöffnet hat, Abgeordnete aber oft noch arbeiten. In der Bundestags-Kita am Spreeufer sind da die Lichter schon längst aus; auch ist sie in der Regel nur für den Nachwuchs der Mitarbeiter, nicht aber für den der Parlamentarier vorgesehen. Die Kinder mit ins Plenum zu nehmen, ist keine Lösung, sie dürfen nicht herein. Der diensthabende Präsident kann allenfalls in Notfällen für ein Baby eine Ausnahme machen.

In der kommenden Woche startet der Betrieb. In der Testphase vor der Sommerpause ist nur am Donnerstag geöffnet, an dem Tag also, an dem im Plenum abends für gewöhnlich lange debattiert wird. Die Kosten tragen die Abgeordneten, und wenn die Nachfrage bleibt wie erhoben, wird das Spielzimmer eine ständige Einrichtung, geöffnet auch, wenn keine Betreuer da sind.

Damit Buntstifte und Kuscheltiere eine neue Heimat finden im Reichstag, haben die sechs Vizepräsidenten ihren Verfügungsraum direkt neben dem Plenarsaal geräumt. Statt Ordner stehen in dem grauen Einbauschrank nun grüne Plastikkisten für die Wechselkleidung der Kinder, Teppiche mit Piraten hübschen die graue Auslegeware auf, eine Kuschelecke, Kindertische und kleine Stühle stehen bereit. Zum Plenarsaal sind es nur wenige Schritte, wenn es pressiert, können Saaldiener sofort Mama oder Papa holen.

Der freiwillige politikfreie Sonntag ist das Fernziel

Dass es das Spielzimmer gibt, hat mit der Hartnäckigkeit einiger Politikerinnen zu tun. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist in der Politik mit vielen Terminen am Abend und Wochenende nicht leicht, es gibt keine Elternzeit, acht Wochen nach der Geburt müssen Mütter wieder voll einsteigen. Auch darum haben Anfang 2015 Abgeordnete mit kleinen Kindern die Initiative "Eltern in der Politik" gegründet.

Vertreten sind so unterschiedliche Charaktere wie die ehemalige Familienministerin Kristina Schröder (CDU) über die Linken-Chefin Katja Kipping und Franziska Brantner (Grüne). Der freiwillige politikfreie Sonntag ist das Fernziel, das Nahziel, die Abende im Berlin organisiert zu bekommen. Am Pranger für faule Abgeordnete wollen sie nicht stehen, darum haben sie bereits durchgesetzt, dass bei namentlichen Abstimmungen im Protokoll vermerkt wird, wenn man im Mutterschutz verhindert ist.

Das Spielzimmer sei "eine schlichte Notwendigkeit", sagt Kristina Schröder. "Es gab noch nie so viele Parlamentarierinnen, die im Amt ein Kind bekommen haben." In dieser Legislaturperiode seien es 21 Frauen gewesen. "Es ist nicht nachvollziehbar, dass im Bundestag das Normalste der Welt, nämlich dass Abgeordnete Kinder haben, keine Rolle spielt", sagt Franziska Brantner. Es gab offenbar dicke Bretter zu bohren, ehe der Raum eingerichtet wurde. Immerhin herrsche nun "zumindest ein Stückchen Normalität" im Bundestag.

Zu große Erwartungen dämpft die Verwaltung trotzdem. In die Verträge zum Spielraum schreibt sie: "Das Reichstagsgebäude ist nicht für die Unterbringung von Kindern angelegt."

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