Kinderbetreuung:Erzieher gesucht

Eine neue Studie der Bertelsmann-Stiftung belegt: Die Kinderbetreuung ist besser geworden, aber es gibt große Unterschiede von Land zu Land. Besonders, wenn es um das Personal geht.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Wie gut ein Kind im Kindergarten betreut ist, hängt nicht nur von Erzieherinnen ab, sondern ganz entscheidend auch von seinem Wohnort. Das hat der diesjährige "Ländermonitor Frühkindliche Bildungssysteme" der Bertelsmann-Stiftung ergeben. Nach der Studie, die am Mittwoch in Gütersloh veröffentlicht wurde, zeigt sich beim Personalschlüssel in Kitas und Krippen wie schon in früheren Jahren ein erhebliches Gefälle zwischen dem Osten und dem Westen Deutschlands. In Baden-Württemberg ist bei der Betreuung inzwischen ein Personalschlüssel erreicht, der den Empfehlungen der Bertelsmann-Stiftung entspricht. In Mecklenburg-Vorpommern hingegen müsste das Personal nahezu verdoppelt werden, um den Empfehlungen zu entsprechen.

Die Chance frühkindlicher Bildung - und als solche werten Experten den Kita-Besuch - sind demnach keineswegs gerecht verteilt. Und auch, wenn erheblich in den Kita-Ausbau investiert wurde: Wer für sein Kind einen Platz ergattert hat, ist noch lange nicht am Ziel. "Der Kita-Besuch allein verbessert nicht die Bildungschancen der Kinder. Es kommt auf die Qualität der Angebote an", sagt Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsmann-Stiftung.

Drei Kinder unter drei Jahren sollte eine Erzieherin laut Empfehlung der Bertelsmann-Stiftung allein zu betreuen haben, mehr nicht. Bei Kindergartenkindern über drei Jahren sollten auf eine Betreuerin im Schnitt nicht mehr als 7,5 Kinder kommen. So weit zur Theorie, die Praxis ist eine andere. Nach der Studie aus Gütersloh kommen derzeit auf eine Fachkraft in Vollzeit durchschnittlich 4,3 ganztags betreute Krippenkinder unter drei Jahren und 9,3 Kindergartenkinder über drei Jahren. 2012 waren die Gruppen noch etwas größer. Auf eine Erzieherin kamen im Schnitt 4,8 Kinder unter drei Jahren und 9,8 darüber.

Rhineland-Palatinate Governor Dreyer Visits Child Day Care Center

Spielerisch rechnen lernen: Das übt dieser Junge in einem Kindergarten in Rheinland-Pflalz. Nicht überall werden die Kinder so gut gefördert.

(Foto: Thomas Lohnes/Getty Images)

Die Zahl der Kita-Plätze ist gestiegen - und was ist mit der Qualität?

Bundesweit hat sich die Kita-Qualität demnach also verbessert, wenn auch nur wenig. Und auch im Südwesten Deutschlands, wo der Krippenbesuch lange mit Skepsis betrachtet wurde, ist inzwischen die Erkenntnis gereift, dass neben Betreuungsplätzen auch mehr Personal nötig ist. Denn wo Erzieherinnen fehlen, bleiben Projekte wie Sprachförderung und Anregungen aus dem musischen oder künstlerischen Bereich oft fromme Wünsche.

Familienministerin Manuela Schwesig (SPD), die seit Langem bundesweite Qualitätsstandards fordert, begrüßte die Ergebnisse der Studie, auch wenn "noch Luft nach oben" sei. "Es ist wichtig, dass allen Kindern, unabhängig von ihrem Wohnort, eine gute Qualität in der frühkindlichen Bildung zugutekommt", sagte sie. Bund, Länder und Kommunen müssten sich für einen "Qualitätsprozess" einsetzen, zu dem mehr gehöre als zusätzliches Personal.

Schon bei der Zahl der Erzieherinnen aber hapert es in vielen Ländern, vor allem in Ostdeutschland. Während eine Erzieherin in Baden-Württemberg drei Kinder unter drei Jahren betreut, sind es in Sachsen im Schnitt 6,4, in Brandenburg 6,3. Bei über Dreijährigen kommen auf eine Fachkraft in Bayern - wie in Berlin - 8,8 Kindergartenkinder. Die Gruppen sind hier etwas größer als im westdeutschen Durchschnitt, aber kleiner als im ostdeutschen. In Sachsen-Anhalt betreut eine Vollzeit-Erzieherin 11,9 Kindergartenkinder, in Mecklenburg-Vorpommern sogar 14,1.

Kita

SZ-Grafik; Quelle: Ländermonitor Frühkindliche Bildungssysteme

Im Vergleich zu 2012 haben etliche Bundesländer ihren Personalschlüssel aber auch verbessert. Sachsen-Anhalt hat mit Hamburg beim Krippenpersonal am meisten zugelegt. In Kindergärten gibt es insbesondere in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Hamburg und Nordrhein-Westfalen Verbesserungen. Und auch in Mecklenburg-Vorpommern, wo die Kindergruppen am größten sind, bewegt sich etwas, wenn auch langsam. 2012 kamen auf eine Erzieherin hier 14,7 Kindergartenkinder, jetzt sind es 14,1. Von einem kindgerechten Personalschlüssel aber ist das Bundesland noch weit entfernt. Zudem, so betonte die Bertelsmann-Stiftung, falle in allen Ländern das tatsächliche Betreuungsverhältnis im Kita-Alltag ungünstiger aus als der rechnerisch ermittelte Durchschnitt. Erzieherinnen wenden mindestens ein Viertel ihrer Zeit für Team- und Elterngespräche, Dokumentation und Fortbildung auf.

Um kindgerechte Betreuung zu erreichen, sind laut Bertelsmann-Stiftung bundesweit zusätzlich 107 000 Fachkräfte nötig. Geschätzte Kosten: rund 4,8 Milliarden Euro und Etaterhöhungen von etwa einem Drittel. Bei Bund und Ländern dürften solche Forderungen wenig Begeisterung wecken. Und auch die Studie der Bertelsmann-Stiftung sorgt nicht überall für Applaus. Obwohl Bayern im Bundesschnitt überdurchschnittlich gut dasteht, hält die bayerische Sozialministerin Emilia Müller (CSU) wenig von der Erhebung. Das Aufzählen von Personalschlüsseln und die Kritik an diesen werde "der komplexen, verantwortungsvollen Aufgabe der Kinderbetreuung" nicht gerecht, sagte sie.

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