Kinder- und Jugendkriminalität:Das Kreuz mit dem Hessen

Spätestens mit dem Vorschlag, auch Kinder unter 14 Jahren in den Knast stecken zu wollen, hat Hessens Ministerpräsident Roland Koch jede Glaubwürdigkeit in dieser Sache verloren.

Thorsten Denkler, Berlin

In der Politik muss man auch mal gönnen können. Also gönnen wir dem hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch für einen Augenblick, dass er endlich das Wahlkampfthema gefunden hat, nach dem er so lange gesucht hat: die Kinder-und Jugendkriminalität.

Kinder- und Jugendkriminalität: Ein Knast in Köln: Kinder unter 14 haben hier nichts verloren.

Ein Knast in Köln: Kinder unter 14 haben hier nichts verloren.

(Foto: Foto: dpa)

Das Thema hält sich schon verhältnismäßig lange. Doch bis zur Hessen-Wahl sind es noch knapp zwei Wochen - eine lange Zeit im politischen Zirkus. Will Koch sein Wahlkampfthema nicht verlieren, muss er es immer wieder drehen und wenden. Nur so ist zu erklären, weshalb er jetzt auch Kinder unter 14 Jahren zur Not in den Knast stecken will.

Ernst meinen kann er diesen Vorschlag nicht. Zum einen führen Haftstrafen bei Jugendlichen selten dazu, dass sie sich von da an wie Musterschüler benehmen. Zum anderen ist die Voraussetzung für Strafe die Strafmündigkeit. Der Angeklagte muss sich bewusst darüber sein können, dass er Unrechtes getan hat. Bei Kindern ist dieses Unrechtsbewusstsein spätestens mit 14 Jahren ansatzweise ausgebildet.

Das aber sind Differenzierungen, die im Wahlkampf keine Rolle spielen. Da darf ein Politiker Meinungen vertreten, die irrsinnig sind und an die er (hoffentlich) selbst nicht glaubt. Hauptsache, die Wähler machen ihr Kreuz an der richtigen Stelle.

Wäre Koch die Jugendkriminalität wirklich ein Herzensanliegen, er könnte sofort in seinem Bundesland die Mittel für Familienhilfe, für Jugendzentren, für psychologische Betreuung aufstocken. Ist alles Ländersache. Und damit die Sache des Roland Koch.

Er macht das aber nicht. Er hat vielmehr in großem Stil Stellen gestrichen, auch in der Justiz - mit dem Ergebnis, dass Strafverfahren in Hessen extrem lange dauern. Deshalb sind die Forderungen des Ministerpräsidenten auch so unglaubwürdig. Harte Strafen sollten nicht an erster Stelle stehen, wenn es darum geht, Kinder zu erziehen. Welchen pädagogischen Nutzen es haben soll, elfjährige Taschendiebe hinter Gitter zu schicken, hat Koch bisher nicht erklären können.

Kein Wunder: Es ist auch nicht zu erklären.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: