Kenia:Recht gesprochen

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Kenias Oberstes Gericht stellt demokratische Werte über Stabilität und annulliert die Präsidentschaftswahl. Ein gutes Zeichen - ob mit dem Urteil aber auch etwas Positives eingeleitet wird, muss sich zeigen.

Von Bernd Dörries

Positiven Ereignissen etwas Grundsätzliches beizumessen hat in Afrika eine gewisse Tradition. Sie werden gern als Zeitenwende zum Besseren interpretiert. Weil der Kontinent für die meisten ein schwarzes Loch des Schreckens ist und nur selten eine positive Nachricht ihren Weg aus diesem Loch heraus findet. So wie jetzt, da der Oberste Gerichtshof in Kenia die Präsidentschaftswahl für ungültig erklärt hat, wegen grober Unregelmäßigkeiten. Es ist das erste Mal in der an Wahlunregelmäßigkeiten reichen Geschichte des Kontinents, dass ein Gericht einen Urnengang wiederholen lässt. Schon sprechen manche in Europa von einer Signalwirkung für den ganzen Kontinent. Das hat etwas von einer ungeduldigen Aufforderung. Man betrachtet Afrika als einen Kontinent, der sich bitte mal zusammenreißen soll.

Doch dieses Urteil in Kenia ist tatsächlich ein historisches im positiven Sinne. Ein Gericht, das vielen Kenianern als regierungsnah vorkam, sagt der Regierung, dass es bei ihrer Wahl nicht mit rechten Dingen zugegangen sei. Das ist mutig und aller Ehren wert. Die Unregelmäßigkeiten festzustellen, war auch gar nicht so schwer, man musste nur mitbekommen haben, dass wenige Tage vor der Wahl der Technikchef der Wahlkommission ermordet worden war. Dies geschah unter den Augen einer Beobachterkommission, die kaum hochrangiger besetzt hätte sein können, vom ehemaligen US-Außenminister John Kerry bis zum südafrikanischen Ex-Präsidenten Thabo Mbeki.

Sie alle schwiegen vornehm zu dem Mord und wollen auch sonst keine Unregelmäßigkeiten entdeckt haben. Sie alle bestätigten das Klischee, dass Wahlbeobachtermissionen vor allem ein Zeitvertreib für pensionierte Staatsmänner sind, die nicht gern Golf spielen. Auch die Bundesregierung hatte dem vermeintlichen Wahlsieger Uhuru Kenyatta bereits gratuliert. Wohl etwas früh.

Das Gerichtsurteil zeigt, dass es in Kenia stabile Institutionen gibt, die genauer hinschauen als manche Politiker im Westen, die nicht nachfragten, was es denn mit Tausenden dubiosen Wahlformularen auf sich hatte. Man war mal wieder zu schnell bereit, die sogenannte Stabilität den eigenen Prinzipien zu opfern. Lieber eine manipulierte Wahl, aber dafür Ruhe im Land, auf das man dann Demokratie schreiben kann, Hauptsache, gewählt.

Der Fall Kenia hat mal wieder gezeigt, dass demokratische Wahlen nicht schon per se ein stabilisierender Faktor sind, sondern auch sein Gegenteil sein können. "Die Wahl ist kein Ereignis, sondern ein Prozess", sagte der Oberste Richter selbst. Erst ist Wahlkampf, dann Wahl, dann folgt der Kampf um das richtige Ergebnis. So läuft es in Kenia schon immer. Man wird also erst im Nachhinein sagen können, ob das Urteil etwas Positives eingeleitet hat - oder einfach eine Runde war im Machtkampf, der an die eine Seite ging.

Es wäre natürlich schön, wenn die Rollen in dem nun wieder beginnenden Wahlkampf klar verteilt wären, wenn es einen Kandidaten gäbe, der ein Hoffnungsträger wäre für die größte ostafrikanische Wirtschaft, von deren Zustand wiederum die Hoffnungen so vieler anderer Länder abhängen. Leider ist es nicht so, leider treten wieder zwei alte Männer an, die dem ziemlich jungen Volk seit Jahren Besserung versprechen. Die ist dann nie so recht eingetreten. Aber die kenianische Gesellschaft hat in den vergangenen Jahren auch gezeigt, dass sich auch unter einer suboptimalen Politik einiges erreichen lässt. Mit vielen kleinen Schritten, mit viel Geduld. Es muss nicht immer gleich eine Zeitenwende sein.

© SZ vom 02.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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