Kenia:Applaus für viel Kritik

US-Präsident Obama lobt in Kenia den Gastgeber - aber unter großem Beifall greift er auch Korruption und die Unterdrückung der Frauen an.

Von Tobias Zick, Kapstadt

Nach all dem herzlichen Schulterklopfen mit lange vernachlässigten Verwandten, nach Lob für Wirtschaftswachstum, Unternehmergeist und "gemeinsame Werte" hat US-Präsident Barack Obama zum Abschluss seines Kenia-Besuchs am Sonntag einen deutlich ernsteren Ton angeschlagen. In einer Rede in einem Stadion der Hauptstadt Nairobi, die live im Fernsehen übertragen wurde, sagte er zunächst jedoch unter gewaltigem Jubel, er sei "stolz, der erste amerikanische Präsident zu sein, der nach Kenia kommt - und natürlich bin ich auch der erste kenianisch-amerikanische Präsident der Vereinigten Staaten". Er pries die "großen Fortschritte", die das Herkunftsland seines Vaters in jüngster Zeit gemacht habe: Kenia stehe "am Scheideweg", sagte er, "es ist ein Moment voller großer Risiken, aber auch großer Verheißungen".

Die jungen Bürger des Landes, so Obama, müssten sich keinem Kolonialherren unterwerfen und auch nicht das Land verlassen auf der Suche nach Bildung, Arbeit und einem besseren Leben, so wie noch sein eigener Großvater und sein Vater: "Dank Kenias Fortschritten, dank eures Potenzials könnt ihr eure eigene Zukunft aufbauen, hier und jetzt", sagte der US-Präsident - um dann zu einer ganzen Liste ungewöhnlich deutlicher Warnungen und Mahnungen anzusetzen: "Fortschritt erfordert, den dunklen Ecken unserer Vergangenheit ehrlich entgegenzutreten." Nach wie vor berge eine Politik, die sich hauptsächlich auf ethnische Zugehörigkeit stütze, die Gefahr, "ein Land zu zerreißen." Das war eine deutliche Anspielung auf das Thema, das einem früheren Besuch Obamas in der Heimat seiner Vorfahren im Weg gestanden hatte: Der Internationale Strafgerichtshof ermittelte gegen Präsident Uhuru Kenyatta wegen dessen mutmaßlicher Rolle als Mitanstifter von ethnischen Unruhen um die Jahreswende 2007/2008. Damals starben mehr als 1000 Menschen, Hunderttausende vertrieben wurden.

Bei seinen früheren Afrika-Reisen machte Obama auch deshalb jeweils einen Bogen um Kenia. Im Dezember 2014 ließ das Gericht in Den Haag die Anklage aus Mangel an Beweisen fallen, was die diplomatischen Beziehungen Kenias zu den USA und anderen Ländern merklich entspannt hat - auch wenn die Ankläger eine "erhebliche Einflussnahme auf Zeugen" für die Schwierigkeiten bei den Ermittlungen verantwortlich machen und noch ein ähnliches Verfahren gegen Vizepräsident William Ruto weiter läuft.

Zudem mahnte Obama die Kenianer, gegen den "Krebs" der Korruption zu kämpfen, der die Schaffung von Hunderttausenden Arbeitsplätzen verhindere. Am deutlichsten wurde er in seiner Kritik am Umgang mit Frauen in Kenia und anderen afrikanischen Ländern: "Jedes Land und jede Kultur hat Traditionen, die einzigartig sind und die das Land zu dem machen, was es ist", sagte Obama mit Blick etwa auf die bis heute in Kenia verbreitete Praxis der Genitalverstümmelung; "aber nur weil etwas Teil eurer Vergangenheit ist, heißt das nicht, dass es richtig ist und dass es eure Zukunft bestimmt." In vielen Teilen der Welt sei es Tradition, Frauen zu unterdrücken und zu schlagen und Kinder nicht zur Schule zu schicken - "das sind schlechte Traditionen. Sie müssen sich ändern", sagte der US-Präsident.

Unter großem Applaus steigerte Obama seine Kritik noch weiter: Frauen als Bürger zweiter Klasse zu behandeln sei nicht nur eine falsche, überholte Tradition, sondern auch ein Faktor, der ein Land im globalen Wettbewerb zurückwerfe: "Stellt euch vor, ihr habt ein Team, und die Hälfte des Teams darf nicht mitspielen. Das ist dumm, es ergibt keinen Sinn." Wie erwartet, erneuerte er auch seine Kritik am Umgang mit Homosexuellen: Wie in vielen anderen Ländern des Kontinents sind gleichgeschlechtliche Beziehungen in Kenia verboten und können mit bis zu 14 Jahren Haft bestraft werden. Vor Obamas Besuch hatte Kenias Präsident Kenyatta einerseits die "gemeinsamen Werte" beschworen, die sein Land mit den USA verbinde - in Bezug auf den Umgang mit Homosexualität jedoch erklärt, da hätten die Kenianer schlicht "andere Werte"; es handle sich im Laufe des Staatsbesuchs um ein "Nicht-Thema", man könne einer Bevölkerung nichts aufzwingen, was sie selber nicht akzeptiere. Obama blieb Sonntag unbeirrt: "Die Vorstellung, dass Menschen anders behandelt werden müssen aufgrund ihrer Liebe zu jemandem, ist falsch - Punkt."

Am späten Nachmittag reiste Obama weiter ins benachbarte Äthiopien, das ebenso wie Kenia ein wichtiger Verbündeter der USA im Kampf gegen islamistischen Terrorismus am Horn von Afrika ist und zugleich großes Wirtschaftswachstum aufweist - jedoch äußerst repressiv regiert wird; bei der Parlamentswahl im Mai errang die Opposition keinen einzigen Sitz.

Menschenrechtler kritisieren Obamas Entscheidung, als erster US-Präsident dem Regime seine Aufwartung zu machen. Am Dienstag wird er auch vor der Versammlung der Afrikanischen Union (AU) sprechen, die ihren Sitz in Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba hat. Für die Kommissionsvorsitzende Nkosazana Dlamini-Zuma ist dies ein "historischer Besuch", der die Beziehungen zwischen der AU und den USA vertiefen werde.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: