Kelly-Affäre:Geheimdienst-Ausschuss entlastet Blair-Regierung

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Ein Ausschuss des britischen Parlaments kommt zu dem Schluss, dass die Regierung das Geheimdienstdossier zu irakischen Massenvernichtungswaffen "nicht aufgebauscht" hat. Die Parlamentarier werfen jedoch dem Verteidigungsminister Hoon vor, er habe "potenziell irreführende" Aussagen gemacht.

Einem Untersuchungsbericht zufolge verschwieg Geoff Hoon dem Ausschuss zur Kontrolle der britischen Geheimdienste zunächst die Bedenken zweier Waffenexperten seines Ministeriums gegen das Irak-Dossier der Regierung Blair, das vor einem Jahr veröffentlicht worden war.

Dies sei "potenziell irreführend" gewesen, sagte die Ausschussvorsitzende Ann Taylor am Donnerstag in London. Die Abgeordneten seien "beunruhigt" über das Verhalten Hoons.

Oppositionsführer Iain Duncan Smith bezeichnete Hoons Position daraufhin als "unhaltbar". Doch Außenminister Jack Straw sagte nach einem Gespräch mit Premierminister Tony Blair, er zweifle nicht daran, dass Hoon im Amt bleiben werde. Ein Sprecher der Downing Street bestätigte, Blair habe "volles Vertrauen" in seinen Verteidigungsminister.

Hoon selbst lehnte einen Rücktritt ab. Im Unterhaus räumte er lediglich "Missverständnisse" ein. Dennoch vertraten Kommentatoren verschiedener britischer Medien die Ansicht, es sei nicht mehr die Frage, ob, sondern wann Hoon zurücktrete.

"Das Irak-Dossier ist nicht aufgebauscht worden"

Der Ausschuss befand einstimmig, dass die Regierung Blair das Geheimdienstmaterial zum Irak in ihrem Beweis-Dossier korrekt wiedergegeben habe. "Es hat keine politische Einmischung gegeben - das Dossier ist nicht aufgebauscht worden", sagte Taylor. Damit widersprach sie einem umstrittenen Bericht des Rundfunksenders BBC.

In einigen Einzelpunkten übte der Ausschuss allerdings Kritik. So bemängelten die Abgeordneten, dass die Regierung in dem Dossier mehrmals darauf hingewiesen habe, dass Saddam Hussein seine Massenvernichtungswaffen binnen 45 Minuten einsetzen könne. Damit sei nur gemeint gewesen, dass der Irak im Falle eines Krieges die Munition für chemische und biologische Waffen binnen 45 Minuten auf das Schlachtfeld bringen könne. Dies sei nicht klar genug geworden.

Saddam war keine Bedrohung für Großbritannien

Die Regierung hätte auch betonen müssen, dass Saddam Hussein in keiner Weise das britische Staatsgebiet bedrohe, kritisierte der Ausschuss. Um Missverständnisse in der Bevölkerung auszuschließen, hätte die Regierung zum Beispiel explizit sagen sollen, dass Saddam nicht imstande sei, eine Atombombe auf London abzuwerfen.

Außenminister Straw sagte, die Regierung werde sich diese Kritikpunkte genau ansehen und daraus für die Zukunft lernen.

Der Ausschuss gilt als vergleichsweise unabhängig, auch wenn alle Mitglieder von Blair ernannt worden sind. Von den neun Mitgliedern kommen sechs aus Blairs Labour-Partei, zwei sind von den Konservativen und einer von den Liberaldemokraten. Die meisten stehen jedoch eher am Ende ihrer Laufbahn und haben von Blair keine Regierungsämter mehr zu erwarten.

(sueddeutsche.de/dpa)

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