Kauskasus:Probe für Georgien

Policemen secure an area as forensic officers inspect the exploded car of Georgian opposition lawmaker Givi Targamadze in Tbilisi

Polizisten sperren in Tiflis den Ort ab, an dem das Auto eines Oppositionellen explodiert ist.

(Foto: David Mdzinarishvili/ Reuters)

Die georgische Demokratie hat sich vier Jahre nach dem ersten geordneten Machtwechsel etabliert. Nun aber überschattet ein Anschlag auf einen Oppositionspolitiker in der Hauptstadt Tiflis den Wahlkampf.

Von Julian Hans, Moskau

Ein Anschlag in der georgischen Hauptstadt Tiflis erhöht die Anspannung in dem Kaukasus-Land vier Tage vor der Parlamentswahl an diesem Samstag. Am Dienstagabend explodierte unweit des Freiheitsplatzes im Zentrum ein Sprengsatz im Auto von Giwi Targamadse. Der Politiker und sein Fahrer blieben unverletzt, vier Passanten mussten ins Krankenhaus, der Wagen ist zerstört. Premierminister Giorgi Kwirikaschwili verurteilte die Tat als "Sabotageakt gegen den Staat". Feinde Georgiens versuchten vor der Wahl das Land zu destabilisieren, sagte er in einer in der Nacht veröffentlichten Video-Botschaft.

Targamadse gehört zur Vereinten Nationalbewegung; die Partei des ehemaligen Präsidenten Michail Saakaschwili ist seit vier Jahren in der Opposition. Während Saakaschwilis Regierungszeit war Targamadse Vorsitzender im Ausschuss für Sicherheit und Verteidigung. 2013 beschuldigte ihn das russische Staatsfernsehen, die Opposition in Moskau vor der dritten Amtseinführung Wladimir Putins zu Unruhen angestiftet und bezahlt zu haben. Die russischen Behörden schrieben ihn daraufhin zur Fahndung aus.

Vier Jahre nach dem ersten geordneten Machtwechsel in der Geschichte der ehemaligen Sowjetrepublik zeichnet sich keine klare Wählerpräferenz ab. Unter den 19 Parteien und sechs Wahlbündnissen sind die regierende Partei Georgischer Traum (GD) und Saakaschwilis Vereinte Nationale Bewegung (UNM) die stärksten Kräfte. 2012 hatte der von dem Milliardär Bidsina Iwanischwili gegründete Georgische Traum die Wahlen mit einer Mehrheit von knapp 55 Prozent gewonnen und die Nationale Bewegung abgelöst, für die 40 Prozent stimmten. Korruption auf höchster Ebene und die zunehmend autokratische Amtsführung Saakaschwilis hatten den Wunsch nach einem Wechsel geweckt.

Doch seitdem ist außer der Strafverfolgung von Amtsträgern, die der Vorgängerregierung nahe standen, nicht viel passiert. Nach Jahren in der Warteschleife bei Nato und EU hat sich auch die Begeisterung für eine Westbindung langsam abgenutzt. Die Wahl finde in einem Umfeld statt, "das von der schwachen wirtschaftlichen Entwicklung des Landes und einer damit einhergehenden Enttäuschung von der politischen Elite geprägt ist", stellten Langzeitbeobachter der OSZE Ende September in einem Zwischenbericht fest.

Wahlberechtigt sind 3,5 Millionen Georgier. Von den 150 Sitzen im Parlament werden 77 über Parteilisten vergeben und 73 als Direktmandate. Unter den Bewerbern sind auch Parteien mit einer offen pro-russischen Ausrichtung wie etwa der Block "Unser Heimatland", der die Ausgabe russischer Pässe verspricht.

Der einstige Präsident Saakaschwili kündigt seine Rückkehr in die Heimat an

Für eine Wende Richtung Moskau träten zwar keine bedeutenden politischen Kräfte offen ein, sagt Nino Lejava, die das Büro der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung in Tiflis leitet. Dennoch spiele die Auseinandersetzung um die außenpolitische Ausrichtung eine wichtige Rolle im Wahlkampf. "Als Alternative zur Westbindung wird eher die Neutralität und die georgische Identität betont". So tritt etwa die ehemalige Parlamentspräsidentin Nino Burdschanadse für einen blockfreien Status ein. Das sei besser, als weiter auf die Nato zu warten und Moskau mit einer Beitrittsperspektive zu reizen.

Die beiden großen Parteien geben sich siegesgewiss. Der Georgische Traum werde mindestens 48 Prozent der Stimmen und 60 Prozent der Direktmandate holen, sagte GD-Gründer Iwanischwili. Vom anderen Ufer des Schwarzen Meeres hatte Michail Saakaschwili zuvor per Videobotschaft verkündet, ein Sieg seiner Vereinten Nationalbewegung sei unausweichlich: "Ich werde mit Sicherheit nach Georgien kommen und aktiv an der Bildung einer neuen Regierung und am Wiederaufbau Georgiens teilnehmen".

Saakaschwili durfte 2013 nach dem Ende seiner zweiten Amtszeit nicht mehr bei den Präsidentschaftswahlen antreten. Als die Generalstaatsanwaltschaft Ermittlungen wegen Veruntreuung von Staatsgeldern gegen ihn einleitete, ging er erst in die USA; seit Mai 2015 ist er Gouverneur von Odessa in der Ukraine. Seine Frau, die gebürtige Niederländerin Sandra Roelofs, tritt in der Stadt Sugdidi als Direktkandidatin an. Ihr Mann werde bald zurückkehren "um mit uns den Sieg zu feiern", sagte sie bei einer Wahlkampfveranstaltung.

Trotz des Anschlags vom Dienstag und einzelner Rangeleien zwischen Anhängern der großen Parteien in der Provinz sei die Atmosphäre weniger aufgeladen und aggressiv als bei den Wahlen 2012, sagt Nino Lejava. "Wir können heute von einer pluralistischen Landschaft sprechen. Politikerinnen und Politiker haben mehr Zugang zu den Wählern, es gibt Raum für politische Debatten".

Das sei auch dem Umstand zu verdanken, dass die Medien heute unabhängiger seien. Dass man keine Prognosen über den Wahlausgang abgeben könne, wertet sie als positiv. Andererseits könne es sein, dass die Parteien komplizierte Koalitionen eingehen müssen; "dann besteht die Gefahr, dass die Regierung nicht handlungsfähig ist".

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