Katholische Kirche:Bald ein Gegenpapst

Joseph Ratzinger mischt sich ungut in die Kirchenpolitik ein.

Von Matthias Drobinski

Vor bald sieben Jahren ist Papst Benedikt XVI. zurückgetreten mit dem Versprechen, ein zurückgezogenes Leben zu führen. Daraus ist das löchrigste Schweigegelübde der jüngeren Kirchengeschichte geworden. Der Papa emeritus hat ein Interviewbuch über seinen Rücktritt veröffentlicht und ein Pamphlet, in dem er den 68ern die Schuld am Skandal der sexuellen Gewalt durch Priester und Ordensleute gibt. Nun warnt er mit dem Kurienkardinal Robert Sarah vor jeglicher Lockerung des Zölibats, wie sie die Amazonas-Synode im Oktober diskutiert hat.

Inhaltlich ist das in Ordnung. Joseph Ratzinger, der vor 50 Jahren noch am Pflichtzölibat zweifelte, argumentiert nun: Der Priester muss mit der Kirche verheiratet sein, da passt keine Frau dazwischen. Das kann man anders sehen, aber dass ein 92-jähriger zölibatärer Priester so denkt, sollte man ihm nicht verübeln.

Übel ist jedoch die Kirchenpolitik, die Benedikt XVI. da treibt: Gemeinsam mit einem Kardinal, den man getrost als Fundi seiner Kirche bezeichnen kann, sucht er, statt zu schweigen, die weltweite Aufmerksamkeit. Er positioniert sich, bevor Papst Franziskus dies getan hat; dessen Stellungnahme zur Amazonas-Synode steht noch aus. Benedikt zeigt, wo er steht: bei der konservativen Minderheit im Vatikan. Er ist auf dem Weg vom Nebenpapst zum Gegenpapst.

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