Katastrophe bei der Loveparade:Duisburger Verhältnisse

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In Duisburg wird der Oberbürgermeister für die Toten bei der Loveparade verantwortlich gemacht. Als im Vorfeld Kritik an der Veranstaltung laut wurde, übte Sauerland Druck aus, um sie verstummen zu lassen.

B. Dörries

Die Tage vor der Loveparade haben sie bei der Duisburger Polizei in die Faxgeräte geschaut und sich gefragt, ob da noch was kommt. Erst nach mehrmaliger Intervention war die Stadtverwaltung bereit, der Polizei, die mit 4000 Einsatzkräften eine Mammutveranstaltung sichern sollte, zur Kenntnis zu bringen, was überhaupt genehmigt wurde.

Der Duisburger Oberbürgermeister Sauerland wird in der Stadt für die Katastrophe bei der Loveparade verantwortlich gemacht. (Foto: REUTERS)

Die Einsätze für die Loveparade hatten längst begonnen, als die Polizei am Samstagmorgen doch noch die Genehmigung der Veranstaltung bekam, in der auch die maximale Personenzahl für das Gelände festgelegt wurde: 250.000. Kein ganz unwichtiges Detail.

"Eine verantwortungsvolle Zusammenarbeit zwischen Stadt und Polizei stelle ich mir anders vor", sagt Innenminister Ralf Jäger (SPD). Jäger kommt selbst aus Duisburg und kennt die Verhältnisse, die für Außenstehende schwer zu begreifen sind.

Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU) hat sich am Dienstag mal wieder aus seiner Trutzburg gemeldet und zu den Vorwürfen und den Rücktrittsforderungen gesagt: "Ich muss das durchhalten." Wenn er zurücktrete, würde er für den Rest des Lebens für die Toten verantwortlich gemacht. Das wird er aber auch so schon in der Stadt.

Wenn Kritik laut wurde an der Veranstaltung, dann übte Sauerland Druck aus, um die Kritiker zum Schweigen zu bringen. Eine Baudezernentin, die sich weigerte, das Konzept der Loveparade vorzustellen, wurde mit unbekanntem Ziel versetzt. Als es in einer Sitzung im Rathaus einmal kritisch wurde, da sagte der Ordnungsdezernent: Der OB "wünsche die Veranstaltung", daher müsse "hierfür eine Lösung gefunden werden".

Und so wurden Lösungen gefunden: Nach Angaben eines Beamten der Stadt haben die Behörden für die Loveparade offenbar nicht eine einzige Genehmigung erteilt, wie es eigentlich üblich ist, sondern das Festivalgelände und den Tunnel separat behandelt. "Dass es verschiedene Genehmigungen gab, zeigt doch, dass sich die Verwaltung intern nicht grün war", sagt ein Beamter der SZ. Wenn ein Verantwortlicher etwas nicht unterschreiben wollte, wurde die Sache an ein anderes Dezernat weitergeleitet, wo willigere Beamte saßen. Und die Genehmigungen und schriftlichen Protokolle, die es gibt, seien doch erstaunlich kurz ausgefallen, sagt der Beamte.

Die Nutzungsänderung für das Gelände ist nur zwei Seiten lang, wenig für so eine riesige Veranstaltung. "Die haben versucht, wenig Spuren zu hinterlassen", sagt ein Polizeibeamter. Es wird vielleicht bald von Duisburger Verhältnissen die Rede sein. Bernd Dörries

© SZ vom 29.07.2010/segi - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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