Katars Staatsoberhaupt in Berlin:Merkel glaubt Emir Distanz zu IS-Miliz

Der Emir von Katar steht im Verdacht, die Dschihadisten des IS zu finanzieren. Gerade ist er zu Besuch in Berlin - das freut die Wirtschaft, für die Kanzlerin ist der Besuch heikel. Sowohl Merkel als auch Bundespräsident Gauck sprechen den Scheich auf Menschenrechtsfragen an.

  • Der Emir von Katar ist zu Besuch in Berlin. Nach einem Gespräch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) distanziert er sich von jeder Unterstützung der Extremistengruppen al-Qaida und Islamischer Staat.
  • Scheich Tamim Bin Hamad al-Thani räumt Probleme bei Menschen- und Bürgerrechten in seinem Land ein.

Emir von Katar distanziert sich von IS

Der Emir von Katar hat sich von jeder Unterstützung der Extremistengruppe "Islamischer Staat" distanziert. Das erklärte er nach einem Treffen mit Kanzlerin Merkel auf einer gemeinsamen Pressekonferenz in Berlin. Katar war wiederholt beschuldigt worden, der im Irak und Syrien kämpfenden Terrorgruppe zu helfen. Merkel nannte die Gespräche mit Scheich Tamim Bin Hamad al-Thani "konstruktiv" und "freundschaftlich-offen".

"Katar hat extremistische Gruppierungen nie unterstützt", sagte al-Thani, und zwar weder in Syrien noch im Irak. Auf die Frage nach der Unterstützung libyscher Extremisten ging er der Übersetzung zufolge nicht ein. Die Kanzlerin sagte, der Emir habe ihr glaubwürdig versichert, dass der Kampf gegen den IS auch eine Frage der Sicherheit Katars sei: "Ich habe keinen Grund, den Aussagen des Emirs nicht zu glauben." Auch das Verhältnis Katars zur Hamas sei diskutiert worden. Die Palästinenserorganisation, die im Gazastreifen regiert und sich im Sommer einen blutigen Krieg mit Israel lieferte, wird von Katar unterstützt. Israel und westlichen Regierungen gilt sie eine Terrororganisation.

Der Westen versucht, einflussreiche Golfstaaten wie Saudi-Arabien und Katar für den Kampf gegen den IS zu gewinnen. Die sunnitischen Extremisten, deren Streitmacht nach Schätzungen mehrere Zehntausend Kämpfer angehören, beherrschen weite Landstriche in Syrien und im Irak. Für ihr "Kalifat" kämpfen auch Hunderte Konvertiten aus den USA und Europa, darunter auch mehrere Deutsche.

Emir gibt Fehler bei Behandlung von Arbeitern zu

Wie zuvor in einem Treffen mit Bundespräsident Joachim Gauck sprach der Emir auch mit der Kanzlerin über die Frage, wie ausländische Arbeiter, meist aus armen muslimischen Staaten wie Bangladesch, auf den Baustellen der WM-Stadien behandelt würden. Merkel sagte: "Ich habe sehr deutlich gemacht, dass in einem Land wie Katar, das ja zu den Reichen der Erde gehört, die Bedingungen für Gastarbeiter gute Bedingungen sein sollten." Al-Thani räumte ein: "Ja, es gab in Katar Fehler und Probleme, wir sagen nicht, wir sind der ideale Staat, der keine Fehler macht. Aber wir haben vieles angepackt, auch in Bezug auf die ausländischen Arbeiter." Entsprechende Projekte würden umgesetzt.

Umstrittener Besuch in Berlin

Im Vorfeld forderten Politiker von SPD, Linken und Grünen von Merkel, in den Gesprächen das Verhältnis von Katar zu den IS-Dschihadisten zu klären. Deutschland bewaffnet kurdische Kämpfer im Nordirak, die gegen den IS kämpfen. Katar selbst kauft in Deutschland seit längerem Rüstungsgüter, darunter den Kampfpanzer Leopard 2. Merkel äußerte sich nach dem Treffen vage zu Waffenexporten nach Katar: "Das ist in jedem Fall eine einzelne Abwägung." Die Sicherheitsinteressen beider Länder müssten berücksichtigt werden.

Der stellvertretende SPD-Chef Ralf Stegner sagte dazu Handelsblatt Online: "Länder, die finanziell oder politisch den Terrorismus des IS unterstützen, dürfen weder deutsche Waffenlieferungen bekommen, noch sollte es mit solchen Staaten privilegierte Wirtschaftsbeziehungen geben." Die Linken-Politikerin Sevim Dağdelen nannte es "unerträglich, dass Berlin dem blutigen Diktator Katars (...) den roten Teppich ausrollt".

Reiches Land mit schlechtem Ruf

Der fromme Tamim al-Thani ist seit Juni 2013 Emir von Katar und mit 34 Jahren jüngster aller arabischen Herrscher. Der Scheich hat den kleinen Golfstaat auf das internationale Tableau gehoben. Er holte für 2022 die Fußball-WM ins Land. Nach dem "Arabischen Frühling" wurde Katar zum politischen Akteur über seine Ländergrenzen hinaus. International wird der Scheich aber mit Argwohn beobachtet. Kritiker werfen ihm Unterstützung der IS-Terrormiliz vor. Auch gewährte er dem Chef der im Gazastreifen herrschenden Hamas, Chaled Maschaal, Asyl, ebenso Mitgliedern der in Ägypten verbotenen Muslimbruderschaft. Wirtschaftlich ist das kleine Katar ein Riese. Jeder der zwei Millionen Einwohner - davon nur 280 000 inländische Kataris - erwirtschaftet dank der großen Gas- und Ölvorkommen ein Bruttoinlandsprodukt von mehr als 100 000 US-Dollar (77 100 Euro).

Größter arabischer Investor in Deutschland

Die Kanzlerin lobte die Art und Weise, wie Katar Geld in verschiedene deutsche Unternehmen stecke. Das Land sei ein langfristiger Investor, der "nicht nur rein und raus gehe". Katar zählt in Deutschland zu den größten ausländischen Investoren. Es ist nach eigenen Angaben mit 18 Milliarden US-Dollar (13,9 Mrd. Euro) der größte arabische Investor in Deutschland. Investoren aus dem Golfstaat sind unter anderem an Volkswagen, Deutsche Bank, Siemens und Hochtief beteiligt.

Der Golfstaat, der viel Geld mit dem Verkauf von Gas einnimmt, hat weitere Unternehmensbeteiligungen im Blick. Wirtschafts- und Handelsminister Ahmed bin Jassim al-Thani - auch ein Mitglied der Herrscherfamilie - sagte bei einem Wirtschaftsforum in Berlin: "Wir erwarten in der nächsten Zukunft, dass die Investitionssumme Katars in der deutschen Wirtschaft weiter wachsen wird." Umgekehrt gebe es auch für deutsche Firmen in Katar große Investitionschancen. Bis zur Fußball-WM sind dort gewaltige Infrastrukturprojekte geplant.

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