Katalonien:Madrid ruft Puigdemont zur Teilnahme bei Neuwahl in Katalonien auf

  • Der abgesetzte katalanische Regierungschef Carles Puigdemont hat in einer TV-Ansprache zur "Gründung eines freien Landes" aufgerufen.
  • Per Veröffentlichung im Amtsblatt ist die katalanische Regierung seit Samstagmorgen offiziell entmachtet.
  • 150 Mitglieder der katalanischen Regierung mussten gehen, die Amtsgeschäfte übernimmt laut El País Spaniens Vizepremierministerin Soraya Sáenz de Santamaría.
  • Nach Ansicht der spanischen Zentralregierung soll Puigdemont bei der geplanten Neuwahl in der Region teilnehmen.

Der von der spanischen Zentralregierung abgesetzte katalanische Regierungschef Carles Puigdemont hat die Fortsetzung der Unabhängigkeitsbestrebungen verkündet. In einer TV-Rede rief er die Bürger der Region zum friedlichen Widerstand gegen die von Madrid beschlossenen Zwangsmaßnahmen und zur "Gründung eines freien Landes" auf.

"Unser Wille ist es, weiter zu arbeiten, auch in Kenntnis der aktuellen Schwierigkeiten", sagte Puigdemont. In den spanischen Medien wurde die Rede so interpretiert, dass er der Amtsenthebung nicht Folge leisten wolle. Rajoys konservative Volkspartei Partido Popular warf Puigdemont in einer ersten Reaktion eine "grenzenlose Unverantwortlichkeit" vor.

Nach Ansicht der spanischen Zentralregierung soll Puigdemont bei der geplanten Neuwahl in der Region teilnehmen. Regierungssprecher Inigo Mendez de Vigo sagte in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters, dass Madrid einen solchen Schritt begrüßen würde. Wenn Puigdemont weiter Politik machen wolle, sollte er sich auf die nächste Abstimmung vorbereiten.

Der spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy hatte am frühen Samstag offiziell die Amtsgeschäfte des abgesetzten katalanischen Regierungschefs übernommen. Auch die übrigen Mitglieder der nach Unabhängigkeit strebenden Regierung in Barcelona wurden mit der offiziellen Veröffentlichung im Amtsblatt für abgesetzt erklärt. Der spanische Senat hatte mit der Billigung des nie zuvor angewandten Verfassungsartikels 155 am Freitag den Weg für die Entmachtung der Regierung und für Neuwahlen am 21. Dezember freigemacht.

Nach Informationen der Zeitung El País hat Rajoy Vizepremierministerin Soraya Sáenz de Santamaría mit der Übernahme der Verantwortung für die täglichen Amtsgeschäfte betraut. Sie hat offiziell den Posten des abgesetzten katalanischen Vizes Oriol Junqueras übernommen. Insgesamt mussten 150 Mitarbeiter der katalanischen Regierung gehen.

Ob und wie sich die katalanischen Minister an die Anordnung halten, war am Samstag allerdings noch unklar. Laut der katalanische Zeitung Vanguardia könnten sie noch versuchen, rechtlich gegen die Absetzung vorzugehen.

Chefs der katalanischen Polizeieinheit Mossos d'Esquadra abgesetzt

Auch die Chefs der katalanischen Polizeieinheit Mossos d'Esquadra, Josep Lluis Trapero und Pere Soler, wurden am Samstag abgesetzt. Im Fall Trapero war zunächst vermutet worden, dass er seinen Posten behalten könne. Soler hat seinen Posten nach Informationen der Zeitung El Mundo bereits widerstandslos geräumt. Er habe sich in einem Schreiben von seinen Mitarbeitern verabschiedet.

Nach der Entlassung hat die Regionalpolizei ihre Beamten zur Neutralität im Unabhängigkeitsstreit aufgefordert. "Es ist unsere Verantwortung, die Sicherheit aller zu gewährleisten", hieß in einem internen Vermerk der Polizeiführung, den die Nachrichtenagentur Reuters am Samstag einsehen konnte. Es werde wahrscheinlich einen Anstieg an Versammlungen und Kundgebungen geben. Die Polizei müsse ihren Beitrag leisten, dass diese störungsfrei stattfinden könnten.

Die katalanische Regionalpolizei Mossos d'Esquadra ist in der Region stark verwurzelt. Beim teilweise gewaltsamen Vorgehen gegen Demonstranten am Tag des Referendums am 1. Oktober hatte sie sich zurückgehalten. Für die Gewalt wurde in erster Linie die spanische Guardia Civil verantwortlich gemacht.

Erste Details zu Neuwahlen in Katalonien und Demonstrationen

In der digitalen Form des Amtsblattes wurden am Samstag auch erste Details zu den geplanten Wahlen veröffentlicht. Demnach haben die Parteien für den Wahlkampf 15 Tage Zeit. Er beginnt am 5. Dezember.

Das katalanische Parlament hatte am Freitag nur kurz vor der Entscheidung im Senat für einen Prozess zur Loslösung von Spanien und zur Gründung eines unabhängigen Staates gestimmt - allerdings ohne einen Zeitplan festzulegen. Tausende auf den Straßen bejubelten dies als Unabhängigkeitserklärung.

Bei einer Demonstration von ultrarechten Gruppen gegen den Unabhängigkeitsbeschluss beschädigten Teilnehmer am späten Freitagabend Glastüren und Fenster des Radiosenders Catalunya Radio. Nach Berichten der Zeitung El Diario und anderer Medien wurden auch Passanten attackiert.

Auch in Madrid gingen am Samstag tausende Menschen auf die Straßen, um gegen die Unabhängigkeitsbestrebungen der Katalanen zu demonstrieren.

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