Katalonien:Puigdemont in der Klemme

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Treten für die Einheit Spaniens ein: Demonstranten in Barcelona sprachen sich am Nationalfeiertag, den das Land am Donnerstag begangen hat, gegen eine Ablösung Kataloniens aus. (Foto: AP)

In Spanien mehren sich Rufe nach dem Rücktritt des Regional­präsidenten wegen seiner Autonomie­bestrebungen.

Von Thomas Urban, Barcelona

Sowohl die katalanische Metropole Barcelona als auch die Hauptstadt Madrid standen am Donnerstag ganz im Zeichen des spanischen Nationalfeiertags. In Barcelona nahmen mehrere Tausend Demonstranten an einer Kundgebung für die spanische Einheit teil, in Madrid bejubelten Zehntausende eine Militärparade. In beiden Städten mehrten sich die Stimmen, die den katalanischen Regionalpräsidenten Carles Puigdemont wegen seiner Versuche, seine Heimatregion vom Königreich Spanien abzuspalten, zum Rücktritt aufforderten.

Nach Angaben von Mitarbeitern beriet Puigdemont mit führenden Vertretern der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung, wie auf das am Vortag vom spanischen Premier Mariano Rajoy gestellte Ultimatum zu reagieren sei. Rajoy hatte ihn aufgefordert, bis Anfang kommender Woche zu erklären, ob er am Dienstag im Parlament zu Barcelona die Unabhängigkeit der Region ausgerufen oder lediglich ihre Ausrufung angekündigt habe. Die Ausführungen Puigdemonts dazu waren nicht eindeutig: Er hatte von einem "Recht der Katalanen auf die Unabhängigkeit" gesprochen, doch seien deren "Effekte" im Interesse eines Dialogs mit Madrid "für mehrere Wochen" auszusetzen.

Von der Antwort Puigdemonts hängen die weiteren Schritte Madrids ab. Im Falle, dass sie "Ja" lautet, steht nach den Worten Rajoys die unmittelbare Anwendung von Artikel 155 der spanischen Verfassung im Raum. Dieser sieht die Aufhebung der autonomen Rechte einer Region vor, falls deren Führung verfassungswidrige Entscheidungen trifft. Dazu zählen nach einer Entscheidung des Verfassungsgerichts in Madrid Vorbereitungen zur Sezession einer Region; Puigdemont würde abgesetzt, ihm würde Gefängnis wegen "Rebellion" drohen.

Sollte die Antwort aber "Nein" lauten, so würde Puigdemont seine Mehrheit im katalanischen Parlament verlieren. Die von ihm geführte Regierungskoalition aus Liberalkonservativen und der Republikanischen Linken, die klassisch sozialdemokratische Positionen vertritt, verfügt lediglich über 62 der 135 Sitze. Sie ist auf die Unterstützung der neomarxistischen Gruppierung CUP angewiesen, die die sofortige Erklärung der Unabhängigkeit fordert.

Die größte Oppositionsfraktion in Barcelona, die liberale Bürgerpartei (Ciudadanos), die entschieden für die Einheit Spaniens eintritt, forderte den sofortigen Rücktritt der Regierung und Neuwahlen für die Region. Die von Rajoy geführte konservative Volkspartei (PP) in Madrid schloss sich der Forderung an. Puigdemont hatte erklärt, dass er für das Amt des Präsidenten Kataloniens nicht mehr zur Verfügung stehen werde; er war erst Anfang 2016 als Kompromisskandidat in das Amt gekommen. Für die Medien in Barcelona ist nur die Frage offen, ob ihm ein Rückzug in Ehren erlaubt werde oder er sich vor Gericht wegen seines verfassungswidrigen Unabhängigkeitskurses verantworten müsse.

Sein politischer Gegenspieler, Mariano Rajoy, der nach Meinung der Madrider Presse die Kraftprobe mit Barcelona für sich entschieden hat, stand am Donnerstag auf der Ehrentribüne hinter König Felipe VI., der als Oberkommandierender der Streitkräfte die Militärparade abnahm. Neben Kontingenten aller Waffengattungen marschierten Kompanien in historischen Uniformen vorbei: von der Zeit der Habsburger, als Spanien dank seiner Eroberungen in Amerika zur Weltmacht wurde, bis zu den Napoleonischen Kriegen. Formationen von Kampfflugzeugen überflogen die Parade; bei der Rückkehr auf seinen Stützpunkt stürzte ein Eurofighter ab, der Pilot konnte sich nicht retten.

Die Parade beschlossen Einheiten der nationalen Polizei und der Guardia Civil, der paramilitärischen Polizeitruppe, die beide bei der Blockade des illegalen Unabhängigkeitsreferendums in Katalonien am 1. Oktober zum Einsatz gekommen waren. Felipe hatte zwei Tage später in einer Fernsehansprache von der katalanischen Führung die "Rückkehr zur Legalität" verlangt. Nach Meinung von liberal sowie links orientierten Politikern und Publizisten hat er die Chance versäumt, durch versöhnliche Worte zur Entschärfung des Konflikts um Katalonien beigetragen. In Barcelona endete die Kundgebung der Verteidiger der spanischen Einheit mit Hochrufen auf den König.

© SZ vom 13.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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