Katalonien:Der Schlüssel zur Lösung der Katalonien-Krise liegt in Madrid

Aftermath Of The Catalonian Independence Referendum

Katalonien ist nicht Spanien: Steht auf einer Flagge, die Demonstranten während eines Protestmarschs in Barcelona vor sich her trugen.

(Foto: Getty Images)

Ein Misstrauensvotum im Parlament könnte Rajoys ausgebrannte Minderheitsregierung stürzen. Aber auch Brüssel müsste klar machen, welche Konsequenzen eine Unabhängigkeit hätte.

Kommentar von Sebastian Schoepp

Kataloniens Geschichte ist reich an Daten, die an die Demütigungen und Repressalien erinnern, welche die Region im Nordosten Spaniens durch die Zentralregierung in Madrid erlitten hat. Durch sein überhartes Durchgreifen gegen die Abstimmung über die katalanische Unabhängigkeit hat Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy den katalanischen Victimismus, den Opferkult, nachhaltig befeuert.

Er hat die Independentisten stärker gemacht, als sie je waren. Keine Seite ist zum Nachgeben bereit, weder der Sturkopf Rajoy, angetrieben von Nationalisten in seiner konservativen Partei in Madrid; noch die verantwortungslose Regionalregierung in Barcelona, die ihren Anhängern vorgaukelt, eine Unabhängigkeit werde alle ihre Probleme von alleine lösen.

Nach der Eskalation sind die Fronten verhärtet

An sich geht es den Katalanen vor allem um eines: Sie wollen nicht länger benachteiligt werden von einem Länderfinanzausgleich, der die reiche Region, die ein Viertel des spanischen Inlandsprodukts erbringt, dazu zwingt, ärmere Regionen zu alimentieren. Hätten die Katalanen eine vergleichbare Steuerhoheit wie die Basken, wäre der Konflikt reduziert auf historische Sentimentalität und politischen Kitsch, dem nur eine Minderheit von Hardlinern anhinge. Ihre Sprachrechte genießen die Katalanen längst, außerhalb Barcelonas ist es in vielen ländlichen Gegenden der Region sogar mühsam geworden, sich auf Castellano, also Spanisch, zu unterhalten.

Leider wird es nach den Prügelorgien spanischer Polizisten, die ältere Katalanen an die Franco-Diktatur erinnerte, schwer sein, zu sachlichen Finanzverhandlungen zurückzukehren. Im Gegenteil: In Madrid wird schon über die Aussetzung der katalanischen Autonomie gemunkelt, was dann in der Tat nach 1936 riechen würde, dem Vorabend des Bürgerkriegs. Und auf der anderen Seite fühlt sich Kataloniens Regierungschef Carles Puigdemont ermächtigt, die Unabhängigkeit auszurufen, obwohl am Sonntag kaum 42 Prozent der Wahlberechtigten dafür gestimmt haben.

Die Region müsste den Euro aufgeben und die EU verlassen

Die Europäische Union hat sich bislang zurückgehalten. Vor dem illegalen Referendum verwies man auf Verfassungstreue und Legalität, wodurch sich Rajoy ermuntert gefühlt haben durfte, am Sonntag derart loszuschlagen. Danach stellte die EU-Kommission fest, "Gewalt kann nie ein Instrument der Politik sein" - Rajoy zur Mahnung. Diese kann man jetzt gar nicht oft genug wiederholen.

An sich ist Zurückhaltung ja richtig, Katalonien bleibt eine innerspanische Angelegenheit. Doch andererseits sind vitale Interessen der EU berührt. Eine Abspaltung Kataloniens könnte die Gemeinschaft nach dem Brexit-Votum kaum vertragen. Spaniens Wirtschaftskraft würde abstürzen, zum Schaden der ganzen EU. In der Tat hätte das Land andere Probleme zu lösen: Noch immer liegt die Arbeitslosigkeit bei um die 20 Prozent, die Immobilien- und Schuldenkrise ist keineswegs gelöst - auch nicht in Katalonien. Der fällige Strukturwandel ist nicht bewältigt und wird auch nicht bewältigt werden, wenn Katalonien sich in Zeiten der Globalisierung auch noch abgrenzt.

Es wäre also aus Brüsseler Sicht zumindest an der Zeit, den Katalanen deutlich und klar vernehmbar zu sagen, was passiert, wenn sie wirklich eine unabhängige Zwergrepublik gründeten - ob sie dann in der EU bleiben können und den Euro behalten dürfen. Falls nicht, was eigentlich klar ist, dürfte das viele Salon-Separatisten schnell zur Vernunft bringen.

Zur wirksamsten Lösung allerdings liegt der Schlüssel in Madrid. Sozialisten, Linksalternative und Liberale könnten Mariano Rajoys ausgebrannte konservative Minderheitsregierung durch ein Misstrauensvotum stürzen und endlich den dialogbereiten Neuanfang einleiten, den sie ganz Spanien bei den letzten Wahlen versprochen hatten.

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