Katalonien:Kampf der Kulturen

Neuwahl des Regionalparlaments in Katalonien

Eine spanische und eine katalanische Flagge wehen nebeneinander in Barcelona.

(Foto: dpa)

Von Frieden kann vor der Parlamentswahl in Katalonien keine Rede sein - auch, weil die Führung in Madrid in der Vergangenheit versagt hat. Die tiefe Ursache des Konflikts liegt aber im Zusammenprall unterschiedlicher Kulturen.

Kommentar von Thomas Urban

Tage vor dem Fest des Friedens wählen die Katalanen nach den Turbulenzen der vergangenen Wochen ein neues Parlament. Doch von Frieden kann in der Region keine Rede sein. Sowohl die Verfechter der katalanischen Unabhängigkeit, als auch die Verteidiger der spanischen Einheit setzen auf harte Konfrontation. Die Ausgangslage ist klar: Die Verfassung des Königreichs lässt die Abspaltung einer Region nicht zu. Der konservative Premier Mariano Rajoy hatte also das Recht auf seiner Seite, als er die katalanische Führung um Carles Puigdemont absetzte. Überdies hatten die Separatisten auch kein Mandat zur Abspaltung, denn nur etwa 40 Prozent der Wahlberechtigten haben sie unterstützt.

Allerdings war die Eskalation eine Folge der Sturheit Rajoys, der jahrelang Verhandlungen über einen banalen Streitpunkt, nämlich die Verteilung von Steuermitteln, schlicht verweigerte. Gute Politik erkennt man daran, dass sie Krisen rechtzeitig entschärft. Hier hat die Führung in Madrid eklatant versagt.

Doch Geld war nur ein vordergründiger Anlass für den Konflikt. Seine tiefere Ursache liegt im Zusammenprall zweier unterschiedlicher politischer Kulturen. Die in Madrid regierenden Konservativen denken in Kategorien von Sieg und Niederlage. Dagegen ist Katalonien geprägt von einer Tradition der Kaufleute und Handwerker, für die das Aushandeln von Kompromissen Alltag ist.

Die Wahl allein wird Spanien keine Versöhnung bringen

Überdies sehen sich die Katalanen trotz ihrer Wirtschaftserfolge als permanente Verlierer gegenüber Madrid. Zwar ist die Region seit dem Tod des Diktators Franco 1975 keinerlei Repression mehr ausgesetzt, aber die Konservativen in Madrid, König Felipe eingeschlossen, haben die Aufarbeitung der Franco-Zeit, die für Katalonien Unterdrückung und Erniedrigung bedeutete, nach Kräften blockiert. So liegt es nahe, dass Untersuchungshaft und ruinöse Geldstrafen für katalanische Aktivisten für viele Katalanen Erinnerungen an das Franco-Regime weckt, auch wenn dies von der Sache her stark übertrieben ist.

Grundsätzlich stellt sich die Frage, ob es einer Demokratie würdig ist, friedlich agierende Politiker ins Gefängnis zu werfen, auch wenn diese die Verfassung nicht respektiert haben. Der Vorwurf, sie hätten eine Rebellion angezettelt, klingt grotesk, denn die Rebellion hat es ja nicht gegeben. Vielmehr hat die katalanische Führung ihre Absetzung akzeptiert, auch die daraus folgenden Neuwahlen. Eine starke Demokratie muss es verkraften, wenn ein Teil der Bürger mit friedlichen Mitteln ein anderes Staatsmodell anstrebt. Ein Rechtsstaat hat genügend Möglichkeiten, effektiv vorzugehen, wenn er seine Grundlagen gefährdet sieht, etwa den Entzug von Mandaten und des passiven Wahlrechts.

König Felipe müsste sich zu einer Amnestie durchringen

Mit Recht empört es viele Katalanen, dass die spanische Justiz mit zweierlei Maß misst: Die Aktivisten, die glaubten, sich für eine bessere Zukunft ihrer Heimatregion einzusetzen, werden wie Kriminelle behandelt; dagegen bleiben korrupte Politiker aus der konservativen Volkspartei Rajoys, die Abermillionen veruntreut haben, auf freiem Fuß und können so wohl riesige Summen auf die Seite schaffen.

Mit einer Politik der Einschüchterung trägt Madrid nicht zum Frieden in der Region bei. Für diese Befriedung gäbe es aber durchaus die Chance: Den Schlüssel hat der blasse König Felipe in der Hand, dem es in Katalonien allerdings nachhängt, dass sein Vater, der lebenslustige Juan Carlos, ein Monarch von Francos Gnaden war. Felipe VI. müsste sich zu einer Amnestie für die von Justiz und Steuerbehörden drangsalierten Katalanen durchringen. Im Gegenzug müssten die sich verpflichten, künftig die Verfassung zu achten. Felipe sollte also endlich eine versöhnliche Rede halten, auf Katalanisch.

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