Katalonien:Die Justiz greift zu

Katalonien: Der katalanische Polizeichef Lluis Trapero musste seinen Pass abgeben.

Der katalanische Polizeichef Lluis Trapero musste seinen Pass abgeben.

(Foto: Paul White/AP)

Spanische Richter gehen gegen die Führer von katalanischen Separatisten-Bewegungen vor. Puigdemont fordert die Regierung in Madrid zum Dialog auf.

Von Thomas Urban, Madrid

Das spanische Verfassungsgericht hat am Dienstag das vom katalanischen Parlament verabschiedete Gesetz über das Unabhängigkeitsreferendum am 1. Oktober für null und nichtig erklärt. Am Abend zuvor hatte ein Gericht die Verhaftung der Vorsitzenden der beiden Dachverbände der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung angeordnet. Der Chef der katalanischen Regionalpolizei, Josep Lluís Trapero, musste seinen Reisepass abgeben; nach Berichten der Madrider Presse ist ein Haftbefehl auch für ihn ausgearbeitet.

Der katalanische Regionalpräsident Carles Puigdemont forderte Premierminister Mariano Rajoy auf, "auf Dialog statt auf Repression" zu setzen. Der Vorsitzende der linksalternativen Gruppierung Podemos, Pablo Iglesias, bezeichnete die Festgenommenen als "politische Häftlinge".

Jean-Claude Juncker fordert, den Konflikt im Dialog zu lösen. Doch Madrid hält sich nicht daran

Das Vorgehen der spanischen Justiz gegen führende Köpfe der Katalanen, die für eine Abspaltung ihrer Heimatregion vom Königreich Spanien eintreten, bestätigt Medienberichte, nach denen die Regierung in Madrid auf keinen Fall der Aufforderung von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker Folge leisten werde, den Konflikt im Dialog zu lösen. Den Berichten zufolge wird Madrid aber vorläufig auf die Anwendung des Artikels 155 der Verfassung verzichten, der die Aussetzung der autonomen Rechte einer Region vorsieht. Da die katalanische Führung um Puigdemont wiederholt Urteile des Verfassungsgerichts missachtet hat, sehen Staatsrechtler die Voraussetzungen für ihre Absetzung als gegeben an. Rajoy setzt den Berichten zufolge ganz auf die Justiz. An der Spitze des Verfassungsgerichts und der Generalstaatsanwaltschaft stehen Juristen, die mit Unterstützung der von Rajoy geführten konservativen Volkspartei (PP) in ihre Ämter gekommen sind.

Puigdemont bezeichnete die Verhaftungen als "sehr schlechte Nachrichten". Auf Twitter schrieb er: "Sie versuchen, Ideen einzusperren, aber sie machen die Notwendigkeit von Freiheit größer." Die Präsidentin des katalanischen Parlaments, Carme Forcadell, forderte die sofortige Freilassung von Jordi Sànchez, des Vorsitzenden der Katalanischen Nationalversammlung (ANC), des Dachverbandes zahlreicher Bürgerinitiativen und Vereine, sowie von Jordi Cuixart, der die Gruppe Omnium Cultural leitet. Die beiden Organisationen ergänzen sich: ANC hat in den vergangenen Jahren die Massenkundgebungen zum katalanischen Nationalfeiertag, dem 11. September, organisiert, an denen sich jeweils Hunderttausende beteiligten. Omnium wirbt mit einem Kulturprogramm für die Anerkennung der Katalanen als eigenständige Nation. Allerdings haben bei den letzten Wahlen sowie bei Umfragen kaum mehr als 40 Prozent der Einwohner der Region den Unabhängigkeitskurs der Führung in Barcelona unterstützt. Die spanische Verfassung verbietet die Abspaltung einer Region. Für Mittwochabend haben beide Organisationen im Zentrum Barcelonas zu einer Protestkundgebung aufgerufen.

Sànchez und Cuixart wird konkret vorgeworfen, am 20. September hinter einer Aktion in Barcelona gestanden zu haben: An dem Tag hatten Angehörige der Guardia Civil, der nationalen Polizeitruppe, mehrere Regierungsgebäude in Barcelona durchsucht, um Belege für die Verwendung von Haushaltsmitteln für die Vorbereitung des verbotenen Referendums zu finden. Bei einem der Gebäude versperrten mehrere Hundert Demonstranten den Polizisten den Ausweg, vier Polizeiwagen wurden zerstört. Erst nach mehr als 24 Stunden bahnte eine Einheit der katalanischen Polizeitruppe, der Mossos, den Eingeschlossenen den Weg ins Freie.

Der Mossos-Kommandeur Trapero gilt als Unterstützer Puigdemonts. Die spanische Presse berichtete, er habe bei Geburtstagsfeiern des Regionalpremiers regelmäßig katalanische Lieder mit Gitarrenbegleitung zum Besten gegeben. Trapero hatte die Fahndung nach der Terroristengruppe geleitet, die hinter dem islamistischen Anschlag im Zentrum Barcelonas am 17. August stand. Dass die Mitglieder der Gruppe so schnell ausgeschaltet werden konnten, brachte ihm Ruhm ein, in Katalonien wurde er von vielen Landsleuten als Held verehrt. Doch berichtete schon damals die Presse, dass er bei der Verfolgung der Terroristen keinen Wert auf die Zusammenarbeit mit den Polizeibehörden aus Madrid gelegt habe, obwohl diese eigentlich dafür zuständig seien.

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