Karnevalsumzüge:"Dat Sönnsche kütt"

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Laues Lüftchen statt Orkanböen: Karnevalisten am Montag in Köln.

(Foto: Patrik Stollarz/AFP)

Blauer Himmel überrascht die Feiernden am Rhein nach den Sturmwarnungen, in Düsseldorf muss man nun die Absage verteidigen.

Von Kristiana Ludwig und Susanne Höll

Düster ist die Stadt am Rosenmontagsmorgen, eine Stunde, bevor sich der Umzug in Bewegung setzt. Regentropfen klatschen auf die Kölner Domplatte, die Menschen haben sich Plastikcapes übergeworfen, nur wenige laufen durch die Straßen. Düsseldorf, etwa 35 Kilometer entfernt, hat seinen Karnevalszug gerade abgesagt. Auch die Hochburg Mainz hat das Straßenfest am Vorabend gestrichen. Der Karneval in Köln: Noch sieht es so aus, als überschatteten ihn in diesem Jahr nicht nur die Übergriffe der Silvesternacht und die Sorge vor einem Anschlag, sondern auch noch ein Sturm. Man werde trotzdem losziehen, hat die Stadt am Vortag versichert.

Um zehn Uhr hält Oberbürgermeisterin Henriette Reker eine Rede im Rathaus, auf ihrem Hut trägt sie ein imposantes Federgesteck. Plötzlich wird es hell im Raum. "Dat Sönnche kütt", sagt Reker: Die Sonne kommt. Der Saal applaudiert, als sei das ihr persönliches Verdienst. Wegen des Sturmtiefs "Ruzica" haben zahlreiche Städte ihren Rosenmontagsumzug abgesagt. Der Deutsche Wetterdienst hatte vor Windstärke 8 bis 10 gewarnt. Auch ein Gewitter hätte aufziehen können. Köln, Bonn und Aachen entschieden sich jedoch gegen eine Absage und ließen ihre Züge laufen. Dann schien die Sonne, stundenlang.

Die Kölner Karnevalisten hatten auf 500 Pferde verzichtet und auf die TÜV-geprüften Persiflagewagen und auf ihr Sicherheitskonzept vertraut. Die Feuerwehr stellte einen Windmesser auf, die Stadt nahm die Planen von den Tribünen - dann schickte sie die Spielmannszüge und Tänzer in die Stadt. Mehr als eine Million Menschen kommen jedes Jahr, um das Spektakel anzusehen. "Et hätt noch immer joot jejange", sagt man in Köln.

Auch in Koblenz, Trier, Münster, Essen und weiteren Orten fielen die Umzüge aus

Am Sonntagabend in Mainz hatte das noch ganz anders geklungen. "Wenn auch nur ein Dachziegel runterfällt und jemanden trifft, möchte ich nicht mehr dabei sein", sagte da der Präsident des Mainzer Carneval Vereins, Richard Wagner. Er ging das Risiko nicht ein. Hier, genauso wie in Koblenz, Trier, Münster, Essen, Duisburg und weiteren Orten wurden die Umzüge abgesagt, die Wagen mitsamt der Figuren, in der rheinland-pfälzischen Hauptstadt "Schwellköppe" genannt, blieben in den Hallen. Politiker aller Couleur und viele Bürger waren sich, für die hiesige Wahlkampfzeit überraschend, ziemlich einig: Bittere Entscheidung, aber richtig so. Orkanböen wurden erwartet, Sicherheit geht vor, fanden auch die Feierwütigen. Und versammelten sich zu privaten Mini-Umzügen auf den Straßen, auf dem Kopf festgezurrte Kapuzen statt bunter Kappen. Schwofen wollten die Karnevalisten trotzdem, in Kneipen, Gaststätten oder notfalls auch daheim.

Ob die Mainzer Parade irgendwann im Frühsommer nachgeholt wird, ist noch offen. Darüber würden sich die heimischen Narren freuen, insbesondere die in den Vereinen. Denn dem Mainzer Carneval-Verein (MCV), zuständig für die Organisation des Zuges, droht nun wirtschaftlicher Schaden. Zwischen 350 000 und 400 000 Euro kostet der Umzug. Ob und welche Einbußen man verkraften müsse, hänge davon ab, ob Sponsoren des Spektakels ihr Geld zurückfordern würden, sagte MCV-Sprecher Michael Bonewitz dem SWR. Das Wetter am Montag wurde in Mainz tagsüber dann tatsächlich ausgesprochen wechselhaft. Es gab Sturmböen und Regen, dazwischen Sonnenschein.

Die Kölner beharrten auch 1990 trotz Sturmwarnung auf ihrer Parade

In Düsseldorf hingegen sah es lange Zeit genauso aus wie in Köln: Blauer Himmel, leichtes Lüftchen. So mancher Narr konnte da an den Warnungen zweifeln. Um 15 Uhr aber fegte dann ein Gewitter mit Böen der Stärke 10 über die nordrhein-westfälische Landeshauptstadt. Es folgte ein Regenbogen. Die zwölf Mottowagen des Wagenbauers Jacques Tilly präsentierten die Karnevalisten stehend, vor dem Rathaus. "Wir sind überzeugt, dass die Entscheidung zum Zeitpunkt heute früh richtig gewesen ist", sagte ein Sprecher des Comitees Düsseldorfer Carneval. Der Zug hätte, so wie in Köln, gegen 17 Uhr geendet. Der ARD-Meteorologe Karsten Schwanke dagegen kritisierte die Düsseldorfer Entscheidung am Morgen auf Twitter: "Absage #Düsseldorf - für mich ein Rätsel", schrieb Schwanke. Schließlich sei es abzusehen gewesen, dass die stärksten Böen erst am Nachmittag oder Abend zu erwarten waren. Es ist nicht das erste Mal, dass Umzüge mit einer Sturmwarnung konfrontiert sind. Bereits 1990 war der Kölner Rosenmontagszug trotz eines Sturms gestartet. Man lief verspätet los und so wie dieses Jahr ohne Pferde. Nur ein Verein setzte sich damals über das Pferdeverbot hinweg. Der Kölner Stadtanzeiger beschrieb, wie die Jecken in Hauseingängen ausharrten, um sich vor dem Regen zu schützen, bis der Zug kam. Während Mainz damals ebenfalls feierte, sagten Bonn und Düsseldorf ihre Züge ab. Im Mai wurde der Düsseldorfer Umzug nachgeholt.

Der Präsident des Bundes Deutscher Karneval (BDK), Volker Wagner, hält Überlegungen zum Nachholen abgesagter Rosenmontagszüge allerdings für verfrüht. Einige Repräsentanten des Verbands äußerten sich sogar grundsätzlich skeptisch: BDK-Vizepräsident Peter Krawietz sagte, es gebe "grundsätzlich die Regelung, dass außerhalb der Fastnachtszeit keine karnevalistischen Veranstaltungen stattfinden sollen."

Die Kölner müssen sich diese Gedanken nicht mehr machen. Sie haben ihre Parade gesehen, auch wenn sie kürzer und schneller als sonst war. Traktoren zogen die Pferdekutschen, die Reiter gingen zu Fuß und doppelt so viele Polizisten wie in den Vorjahren beobachteten Zugstrecke und Innenstadt. Seit dem Beginn des Straßenkarnevals haben sie 414 Menschen vorübergehend festgenommen und fast 1100 Platzverweise erteilt - mehr als in den Vorjahren, sagt der Polizeipräsident. Durch die starke Präsenz mussten die Feiernden aber auch seltener Beamte zur Hilfe holen. Bis Montagabend wurden 542 Anzeigen erstattet, darunter 44 mit sexuellem Hintergrund. Seit Silvester sei die Hemmschwelle bei Frauen, Männer auch wegen verbaler Belästigung anzuzeigen, gesunken, heißt es. Letztlich sorgte aber das schlechte Wetter für weniger Besucher - und damit für mehr Sicherheit.

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