Karlsruhe stärkt Adoptionsrecht für homosexuelle Paare:Ein Urteil für wenige, das viele betrifft

Jetzt dürfen auch Homosexuelle die adoptierten Kinder ihrer Lebenspartner adoptieren. Schwule, Lesben und Oppositionspolitiker jubeln über die Karlsruher Entscheidung. Denn eine grundsätzliche Gleichstellung beim Adoptionsrecht scheint nun in greifbarer Nähe.

Von Barbara Galaktionow

Im Kampf um die Gleichstellung homosexueller Paare fällt eine weitere Hürde: Lesben und Schwule, die in einer eingetragenen Partnerschaft leben, dürfen künftig nicht nur ein leibliches Kind ihres Partners adoptieren, sondern auch eines, das ihr Partner selbst adoptiert hat. Das haben die Verfassungsrichter in Karlsruhe entschieden.

Der Jubel bei Homosexuellen-Vertretern und bei der Opposition ist groß - kein Wunder, denn das Urteil dürfte weit über den konkreten Fall hinauswirken. Der Lesben- und Schwulenverband Deutschlands (LSVD) begrüßte "das positive Urteil". Alexander Vogt, Vorsitzender der Lesben und Schwulen in der Union (LSU) zeigte sich "froh und glücklich"; dies sei ein großer Tag für die Kinder in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften.

Auch Grünen-Fraktionschefin Renate Künast sprach von einem Sieg für die Kinder, denn diese seien jetzt auch rechtlich verbunden mit denen, die im Alltag schon längst ihre sozialen Eltern seien. Volker Beck, parlamentarischer Geschäftsführer der Partei, twitterte schlicht "Hurra!".

Freuen können sich auch die Kläger, die das Verfahren ins Rollen gebracht haben: Eine lesbische Frau, die ein in Bulgarien geborenes Kind adoptiert hatte, und ein schwuler Mann, der ein Kind aus Rumänien angenommen hatte - und deren Lebenspartnern die Adoption bislang verwehrt wurde.

Das Adoptionsverbot für homosexuelle Paare ist hinfällig

In erster Konsequenz sind es nur wenige, die das Urteil betrifft. Einer Studie des Justizministeriums zufolge lebten vor ein paar Jahren nicht einmal zehn gleichgeschlechtliche Paare in Lebenspartnerschaften, von denen einer ein Kind adoptiert hatte, sagt Manfred Bruns, Bundesvorstandmitglied des LSVD und ehemaliger Bundesanwalt am Bundesgerichtshof.

Letztlich geht es jedoch um mehr - das zeigt sich an der großen Resonanz, die das Urteil erzeugt: um das generelle Adoptionsrecht für homosexuelle Paare - und das Ziel einer Gleichstellung der eingetragenen Lebenspartnerschaft mit der Ehe.

"Das Verbot der gemeinschaftlichen Adoption ist mit dem Urteil praktisch hinfällig", sagt Bruns mit Blick auf die Argumentation in Karlsruhe. Die Verfassungsrichter hatten geurteilt, dass die bisherige Regelung, die Schwulen und Lesben die Adoption des von ihrem Lebenspartner adoptieren Kindes verbietet, es Ehepartnern aber erlaubt, gegen das Recht auf Gleichbehandlung verstößt. Das müsse ebenso gelten, wenn ein schwules oder lesbisches Paar gemeinsam ein Kind adoptieren wolle, so Bruns.

Ähnlich sieht Horst-Heiner Rotax die Konsequenz aus der Entscheidung. Er ist Vizevorsitzender der Kinderrechtekommission beim Deutschen Familiengerichtstag. Es sei "nachgerade widersinnig", wenn mit dieser Argumentation die Erstadoption durch homosexuelle Paare nicht berührt werde. Und nicht nur das: Das Urteil sei Teil einer Reihe von Verfassungsgerichtsentscheiden, mit denen Karlsruhe die Lebenspartnerschaft der Ehe in unterschiedlichen Aspekten gleichgestellt habe: "Es ist ein weiterer Baustein einer Straße, die das Bundesverfassungsgericht ganz klar gepflastert hat", sagt Rotax.

Die Union blockiert

Bruns und Rotax sind sich einig, dass gleichgeschlechtliche Paare bald das Recht erhalten werden, gemeinsam Kinder zu adoptieren. Dies sei "eigentlich ein Selbstgänger", so Rotax, eine schnelle Regelung daher ein "Ruhmesblatt". Wie schnell oder langsam es tatsächlich geht, ist nun vor allem eine politische Frage.

Denn bislang blockieren die Unionsparteien jedwede Annäherung der Lebenspartnerschaften an die Ehe - ganz gleich, ob es um das Adoptionsrecht oder steuerliche Fragen geht. Erst entsprechende Verfassungsgerichtsurteile konnten die Regierung in Berlin bislang zum Handeln bewegen. "Das ist ein nicht nachvollziehbarer Umgang mit dem Rechtsstaat", kritisiert Bruns.

Ähnlich beurteilen die Oppositionsparteien den Umgang der Regierung von Kanzlerin Angela Merkel mit der Homo-Ehe und das heutige Urteil. Bei der rechtlichen Gleichstellung von Homosexuellen verhalte sich die schwarz-gelbe Bundesregierung "wie ein störrischer Esel", sagte Ansgar Dittmar, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Lesben und Schwulen in der SPD (Schwusos). SPD-Politiker Johannes Kahrs sprach von einer "schallenden Ohrfeige" für Kanzlerin Merkel.

Die Linken-Abgeordnete Barbara Höll bezeichnete es als "peinlich", dass die Bundesregierung "mittels höchstrichterlicher Rechtsprechung immer wieder aufgefordert werden muss, lesbische und schwule Partnerschaften der Ehe gleichzustellen". Der Grüne Volker Beck sprach von einer "Niederlage der homophoben Politik der Merkel-Regierung" - und will den Bundestag noch vor der Neuwahl im Herbst über das Adoptionsrecht abstimmen lassen, wie er der Neuen Osnabrücker Zeitung sagte.

"Die volle Adoption muss der nächste Schritt sein"

Selbst der liberale Koalitionspartner macht deutlich, dass er die Linie der Union in Fragen der Homosexuellen-Gleichstellung nicht teilt. Es sei "bedauerlich, dass wir solche gesellschaftlichen Ungerechtigkeiten durch das Bundesverfassungsgericht zurechtrücken lassen müssen", erklärte der FDP-Bundestagsabgeordnete Patrick Meinhardt.

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) bezeichnete das Urteil als "historischen Schritt", mit dem die "Regenbogenfamilien" in Deutschland auf ein "umfassendes sicheres rechtliches Fundament" gestellt würden und verlangte: "Die volle Adoption muss der nächste Schritt sein."

Sollte es politisch keine schnelle Lösung geben, muss sich wohl wieder das Bundesverfassungsgericht mit der Frage auseinandersetzen. Nach Bruns' Informationen gibt es bereits einen Fall in Berlin, wo zwei Frauen mit einem Pflegekind darüber nachdenken, ihren Adoptionswunsch bis nach Karlsruhe zu tragen. Der zuständige Familienrichter könnte sich durch das Urteil zur Sukzessivadoption in einem solchen Schritt bestärkt fühlen.

Rotax zufolge könnte ein besonders mutiger Familienrichter sich aber vielleicht sogar schon jetzt dazu durchringen, homosexuellen Lebenspartnern einfach eine gemeinschaftliche Adoption zu erlauben. Denn gerade kleine Kinder hätten ein anderes Zeitempfinden - bei ihnen könne es kindeswohlwidrig sein, auf lange politische Entscheidungsprozesse oder ein Verfassungsgerichtsurteil zu warten.

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