Karlsruhe:Ein "Gefühl" für Europa

Andreas Voßkuhle will weniger Europa, um mehr zu kriegen.

Von Wolfgang Janisch

Menschen in Europa müssen das "Gefühl" bekommen, dass sie auf die Entscheidungsprozesse in Europa in irgendeiner Form Einfluss nehmen können. Gesagt hat das Andreas Voßkuhle, Präsident des Bundesverfassungsgerichts. Eigentlich nicht weiter erwähnenswert, nach dem großen Brexit-Erwachen haben sich viele an die Menschen erinnert, die sich abgehängt fühlen. Allerdings haben Voßkuhle und sein Gericht den demokratischen Faktor nicht erst am vergangenen Freitag entdeckt.

Es lohnt sich, die Rechtsprechung des Verfassungsgerichts zum Thema Europa noch einmal aus der Perspektive dieses Juni-Schocks zu betrachten. Die europafeste "Verfassungsidentität" Deutschlands, die gerichtliche Letztkontrolle, die demokratische Rückbindung fundamentaler Haushaltsentscheidungen: Karlsruhe saß immer im Bremserhäuschen des europäischen Zugs. Zuletzt, als sich die EZB im Überschwang der eigenen Möglichkeiten zu einem EU-Superwirtschaftsministerium zu entwickeln drohte, pochte das Gericht auf die Achtung des Rechts.

Das Gericht ist für seine "Europa-Skepsis" manchmal kritisiert worden - teilweise zu Recht, weil es bisweilen in der Gefahr stand, die eigene Wächterrolle in Europa überzubetonen. Seine Kernbotschaft aber ist jene Erkenntnis, auf die Europa sich nun besinnen sollte: Die Union gehört nicht den Brüsseler Eliten, sondern den Mitgliedstaaten. Und den Bürgern.

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