Karikaturist Boris Jefimow gestorben:Zeichner im Dienste der Macht

Von der Oktoberrevolution bis Putin: Der Zeichner Boris Jefimow hat mehr als ein Jahrhundert lang die wichtigsten Etappen der Weltpolitik mit seinen Karikaturen begleitet.

Laura Weißmüller

Seine Zeichnungen haben Boris Jefimow das Leben gerettet. Aber zuvor hatte der Karikaturist es erst einmal leichtfertig aufs Spiel gesetzt: Indem er den Stalin-Kritiker Leo Trotzki 1924 ein Vorwort zu seinem Buch schreiben ließ, verfasste er so gut wie sein eigenes Todesurteil. In einer Zeit, in der bald schon ein falsches Wort gegen den aufstrebenden Machthaber zum sicheren Tod führen konnte, war das ungefähr so, als würde man das Erschießungskommando für sich bestellen.

Karikaturist Boris Jefimow gestorben: Jefimow zeichnete sein Leben lang gegen den Westen an.

Jefimow zeichnete sein Leben lang gegen den Westen an.

(Foto: Quelle: Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland)

Aber es kam anders: Stalin selbst versah die Akte Jefimows mit einem schlichten "Nicht verhaften". Der machtgierige Diktator brauchte ihn, er wollte nicht auf seinen Haus- und Hofkarikaturisten verzichten.

Aus dem Freund wird eine Witzfigur

Jefimow zeigte sich reuig, indem er den persönlich geschätzten Trotzki in seinen Zeichnungen verhöhnte, mal als Kampfhund der Nazis, mal als schlangenköpfiges Ungeheuer. Später gestand er: "Das war natürlich kein gutes Gefühl, das war unangenehm. Aber welche Wahl hatte ich denn: Entweder musste ich diese Aufgabe erfüllen, oder mich an die Wand stellen lassen."

Ein Zeichner im Dienste der sowjetischen Machtelite - genau das blieb der 1900 in Kiew geborene Boris Jefimowitsch Jefimow sein Leben lang. Betrachtet man seine Karikaturen, ist es, als würde man ein altes Geschichtsbuch durchblättern. Denn Jefimow begleitete mit seinem schnellen Strich die großen Etappen der Weltgeschichte: von der Oktoberrevolution über Hitlers Kriegszug bis zu den Nürnberger Prozessen und dem Kalten Krieg.

Stets nahm er dabei die russische/sowjetische Perspektive ein. So verhöhnte er die Protagonisten auf der anderen Seite des Eisernen Vorhangs, Bundeskanzler Adenauer wurde sogar einer seiner Lieblingsfiguren. "Das alles habe ich aus Überzeugung gemacht. Aber: Das war eine künstlerische Bösartigkeit, keine persönliche."

Die scharfe Kritik, die er in schwarze Striche packte, war von Anfang an gegen die Gegner Mütterchen Russlands im Westen gerichtet. Denn er war überzeugt: "Der Karikaturist muss der Politik dienen und ich schloss mich dem revolutionären Kampf mit Karikaturen an."

Bis an die Front

Im Zweiten Weltkrieg zeichnete er gegen Hitler an. Seine Karikaturen wurden millionenfach in den Armeezeitungen gedruckt und an die Front verschickt. Boris Jefimow war ein Star. Auch die Nürnberger Prozesse beobachtete er als Pressevertreter mit Skizzenblock und Stift.

Seine kommunistische Überzeugung und seine Zeichenkunst machten ihn attraktiv für Stalin: Der Diktator engagierte Boris Jefimows, ordnete ihm manchmal sogar genau an, was er zu zeichnen hatte. Den amerikanischen Präsidenten Eisenhower verfrachtete Jefimow deswegen auf Wunsch des Diktators in lächerlicher Montur auf den Nordpol. Der Klassenfeind wurde zur Witzfigur.

Bis zum Ende seines Lebens begleitete Boris Jefimow die Politik Russlands mit seinen Karikaturen. Auch Wladimir Putin tauchte darin auf.

Die Einsicht, mit Stalin einen Diktator verherrlicht zu haben, oder den Kalten Krieg mit Zeichnungen befeuert zu haben, blieb aus. Am Ende - bereits über 100 Jahre alt - zeigte er sich resigniert: "Obwohl ich so viele Epochen, Kriege, Revolutionen und Gegenrevolutionen gesehen habe, reicht meine Lebenserfahrung nicht aus, um das heutige Durcheinander zu verstehen."

Boris Jefimow ist im Alter von 108 Jahren am 1. Oktober in Moskau gestorben.

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