Kanzlerkandidat gegen SPD-Chef:Steinbrücks Wahlkrampf

-

Nervös statt gelassen: Kanzlerkandidat Steinbrück liest Parteichef Gabriel öffentlich die Leviten.

(Foto: AFP)

Die SPD ist eine faszinierende Partei. Keine hundert Tage vor der Bundestagswahl glaubt Kanzlerkandidat Steinbrück, er müsse seinem Parteichef die Leviten lesen und wird seinem Ruf als Pannen-Peer mal wieder voll gerecht. Kanzlerin Merkel kann das nur freuen.

Ein Kommentar von Thorsten Denkler

Es ist schon faszinierend, mit welch unerbittlicher Konsequenz sich die SPD in diesem Wahlkampf 2013 selbst demontiert. All die Fehler, Pannen und Pännchen aufzuzählen, mit denen die Sozialdemokraten in den vergangenen Wochen und Monaten das Wahlvolk unterhalten haben, würde an dieser Stelle manchem ehrlichen Genossen die Tränen in die Augen treiben.

Die Vortragshonorare und der - sagen wir - eher robuste Umgang des Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück damit. Seine interessanten, aber in seiner Rolle völlig absonderlichen Ausführungen zum Kanzlergehalt im Vergleich zum viel höheren Einkommen von Sparkassendirektoren. Oder seine clowneske Herabwürdigung italienischer Politiker, die den Verdacht nahelegten, Steinbrück lasse die nötige Grandezza für das Amt des Kanzlers vermissen.

Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Inzwischen ist die Öffentlichkeit so aufgescheucht, dass selbst das Vorleben eines neuen Pressesprechers als Bild-Mann und Immobilien-Lobbyist an der Seite Steinbrücks spannend genug ist, um es aufzuschreiben.

Gelassenheit wäre jetzt oberste Pflicht

Dieser SPD-Wahlkrampf, er läuft weder rund, noch eckig. Er läuft gar nicht. Steinbrück ist der Pleiten-, Pech- und Pannen-Peer. Ein Makel, den er nicht mehr loswerden wird.

Gelassenheit wäre jetzt oberste Pflicht. Aber was macht der Kanzlerkandidat? Er tritt seinem Parteichef öffentlich vor's Schienbein, dass es nur so kracht und splittert. Im Interview mit dem Spiegel ließ er sich zu der kleinen aber explosiven Passage hinreißen: "Nur eine Bündelung aller Kräfte ermöglicht es der SPD, die Bundesregierung und Frau Merkel abzulösen", sagte er da. "Ich erwarte deshalb, dass sich alle - auch der Parteivorsitzende - in den nächsten 100 Tagen konstruktiv und loyal hinter den Spitzenkandidaten und die Kampagne stellen."

Soso, dann hat Parteivorsitzende sich also bisher eher nicht konstruktiv und loyal Verhalten? Ist das der Vorwurf?

Kanzlerin Merkel kann das alles nur freuen

Die Hintergründe sind Spekulation. Dass die beiden keine Freunde sind, ist kein Geheimnis. Am vergangenen Dienstag in der Fraktionssitzung soll es wegen des Euro-Kurses gekracht haben. Gabriel vermittelte wohl den Eindruck, Steinbrück nicht folgen zu wollen. In der Woche davor hielt Steinbrück seine große außenpolitische Rede. Am gleichen Tag gab Gabriel einer Zeitung ein nicht minder großes Interview zur Außenpolitik. Nett ist das alles nicht.

Etwas weniger als 100 Tage vor der Wahl aber den eigenen Parteichef öffentlich zu maßregeln, zeigt, dass in der SPD gewaltig mehr schiefläuft als nur schlechte Umfragewerte. Der Gegner sitzt jetzt offenbar auch im Willy-Brandt-Haus, der SPD-Parteizentrale, und nicht mehr allein im CDU-Hauptquartier.

Kanzlerin Merkel kann das nur freuen. Ihre Schlafwagen-Strategie von 2009 scheint wieder aufzugehen. Einfach alles versprechen, was die SPD auch verspricht und ansonsten Klappe halten. Merkel-Land geht's gut, das soll als Botschaft reichen. Vielleicht sollten Steinbrück und Gabriel einmal ernsthaft versuchen, diese Strategie zu durchbrechen, statt sich gegenseitig zu verhauen. Oder, noch einfacher: Einer von beiden geht. Sollte es so kommen, dürfte diese Prognose sicher sein: Gabriel wird es nicht sein.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: