Kanzlerin unterstützt Sarkozy im Wahlkampf:Wenn sich Mut in Übermut verwandelt

Die Kanzlerin setzt im französischen Wahlkampf allein auf Amtsinhaber Sarkozy. Nicht ganz selbstlos: Dessen Herausforderer Hollande könnte ihr europapolitisches Werk zerstören. Doch je offener Merkel den chancenreichen Sozialisten jetzt brüskiert, desto mehr kostbare Zeit braucht das Zusammenraufen nach einem Sieg Hollandes.

Daniel Brössler

Der 6. Februar 2012 wird womöglich als der Tag in Erinnerung bleiben, an dem sich der Mut der Angela Merkel in Übermut verwandelt hat. Es ist der Tag, an dem die deutsche Bundeskanzlerin ihren Wahlkampf für den französischen Präsidenten begonnen hat.

Deutsch-franzoesischer Ministerrat

Au revoir! Nicolas Sarkozy und Angela Merkel verabschieden sich nach ihrem Treffen.

(Foto: dapd)

Was Merkel als gewöhnliche Unterstützung unter Parteifreunden abtut, ähnelt der klassischen Entscheidung eines waghalsigen Spielers. Sie setzt alles auf Nicolas Sarkozy und nimmt angesichts der nach heutigem Stand geringen Siegchancen des Amtsinhabers das erhebliche Risiko in Kauf, in François Hollande den künftigen Präsidenten Frankreichs zu verärgern. Sie spekuliert auf den unwahrscheinlicheren, aber höheren Gewinn.

Vielleicht aber wird in der Rückschau der 6. Februar auch nur als der Tag gesehen werden, an dem eine Verzweifelte nach dem Strohhalm griff. Nimmt Merkel die Ankündigungen des Sozialisten Hollande ernst, so muss sie um ihr europapolitisches Werk fürchten. Der Sozialist will nicht sparen, sondern die Konjunktur anwerfen. Die größte lebende Gefahr für Merkels Fiskalpakt trägt den Namen Hollande. Die Kanzlerin kämpft in Frankreich deshalb nicht wirklich für Sarkozy, sondern für ihre eigene Politik. So betrachtet, wirkt ihr Spiel waghalsig, aber nicht mehr irrational.

In jedem Fall beweist Merkels Eingreifen in die Geschicke Frankreichs, dass es um jegliche europäische Normalität geschehen ist. Zwar stimmt, dass Wahlkampfhilfe unter politischen Freunden in Europa nicht unüblich ist. Es hat sie schon häufig in der Vergangenheit gegeben. Die Wahlhelfer folgten dabei aber stets zwei Prämissen. Erstens jener, sich als Regierungschef eines EU-Landes nicht über die Maßen in die Innenpolitik eines anderen verstricken zu lassen. Und zweitens der, das gütliche Auskommen mit einem Wahlsieger aus der anderen Parteienfamilie nicht zu gefährden.

Zeit, die Europa nicht hat

Über beide Regeln setzt sich Merkel hinweg. Sie akzeptiert die tragende Rolle, die Sarkozy ihr in einem Wahlkampf zuweist, dessen Schlager das leuchtende deutsche Beispiel sein soll. Indem sie ihre Popularität in Frankreich uneingeschränkt in den Dienst des Präsidenten stellt, wird Merkel auf bedenkliche Weise Partei im Nachbarland.

Hinzu kommt der gefährliche Eindruck, dass das Verhindern eines sozialistischen Sieges geradezu deutsche Regierungspolitik ist. Einem möglichen Präsidenten Hollande müsste Merkel ein Ausmaß an Verzeihen und Vergessen abverlangen, das aufzubringen ihr selbst wohl schwerfiele.

Die Krise wird die Kanzlerin und jedweden französischen Präsidenten zwingen, sich zusammenzuraufen. Je offener aber Merkel Hollande im Wahlkampf brüskiert, desto mehr Zeit dürfte das kosten. Zeit, die Europa nicht hat. Wenigstens einen Besuch im Kanzleramt sollte Merkel dem Kandidaten Hollande keinesfalls verweigern. Schon bald muss sie womöglich an seine Vernunft als Präsident appellieren.

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