Kanzlerin und ihre Bildungsministerin:Warum Schavan so wichtig für Merkel ist

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Sie sind seit 1998 ein vertrautes Duo: So lange sind Merkel und Schavan gemeinsam in der Parteispitze der CDU. In all den Jahren hat Schavan Merkel bei deren Aufstieg zur unangefochtenen Parteichefin geholfen. Stürzt die Ministerin jetzt über die Plagiatsaffäre, würde das vor allem eine große Lücke in der Bildungspolitik der Partei offenbaren.

Robert Roßmann, Berlin

Es passiert nicht oft, dass sich das Verhältnis zweier Politiker in einer einzigen Szene verdichten lässt. Bei Angela Merkel und Annette Schavan ist das am 1. März 2011 einem Fotografen gelungen. Es war der Tag des Rücktritts von Karl-Theodor zu Guttenberg. Die Kanzlerin und ihre Ministerin stehen auf der Computermesse Cebit an einem türkischen Stand, als Merkel eine SMS bekommt. Die Sequenz des Fotografen zeigt, wie Merkel ihr Handy an Schavan weiterreicht, damit diese die Kurznachricht lesen kann. Als die Ministerin der Kanzlerin das Handy zurückgibt, lächeln sich die beiden verschmitzt an wie zwei Hanni-und-Nanni-Mädchen nach dem Austausch einer Geheimbotschaft.

Berichte, in der SMS sei es um den Guttenberg-Rücktritt gegangen, bestreitet das Kanzleramt zwar. Doch selbst wenn die Darstellung der Merkel-Leute stimmt, offenbart die Szene eine ungewöhnliche Nähe: Wem reicht die Kanzlerin schon das Handy, mit dem sie Partei und Kabinett dirigiert?

Merkel und Schavan sind mindestens seit 1998 ein vertrautes Duo. Merkel wurde damals Generalsekretärin, Schavan Partei-Vize. Abgesehen von Wolfgang Schäuble ist niemand länger in der CDU-Spitze als die beiden. In all den Jahren hat Schavan Merkel bei deren Aufstieg zur unangefochtenen Parteichefin geholfen.

Dabei war Schavan in vielerlei Hinsicht wichtig. Zum einen deckte sie für Merkel die katholische Flanke der CDU ab. Schavan sitzt im Zentralkomitee der deutschen Katholiken, bis zu ihrer Wahl in den Bundestag war sie dessen Vizepräsidentin. Merkel und ihr Generalsekretär Hermann Gröhe sind Protestanten. Außerdem hatte Schavan viele Jahre lang im Landesverband Baden-Württemberg etwas zu sagen. Zusammen mit Nordrhein-Westfalen stellt der Südwesten die Hälfte aller Parteitagsdelegierten. Merkel braucht deren Unterstützung.

Die Dissertation von Schavan und die Originalquellen im Vergleich

Die Kanzlerin schätzt an Schavan, dass sie niemals ihren Führungsanspruch infrage stellen würde - anders als Ursula von der Leyen. Dass die Bildungsministerin zu einer der wichtigsten Vertrauten der Kanzlerin werden konnte, liegt aber auch an ihrer Verschwiegenheit. Vor einem Gespräch mit dem erkrankten Finanzminister Schäuble im Jahr 2010, in dem es um dessen Zukunft gehen sollte, konnte sich Merkel deshalb mit Schavan beraten.

Die Loyalität der 57-Jährigen geht so weit, dass sie es sogar klaglos hinnimmt, wenn sie von der CDU-Chefin im parteiinternen Machtpoker eingesetzt wird. So brachte Merkel im Jahr 2004 Schavan als Bundespräsidentin ins Gespräch, obwohl sie wusste, dass CSU und FDP dies niemals mitmachen würden. Und im August 2012 kündigte Schavan ihren Rückzug vom stellvertretenden Parteivorsitz an, um Merkel die Verjüngung der CDU-Führung zu erleichtern.

An der Parteispitze würde ein Rücktritt Schavans also keine Lücke mehr reißen, der Übergang ist bereits geregelt. Als Bildungsministerin ist Schavan dagegen nur schwer zu ersetzen. Sie hat Merkel in all den Jahren die im deutschen Föderalismus fallstrickhafte Bildungspolitik vom Leib gehalten. Sollte Schavan zurücktreten, würde ein gewaltiges Defizit der CDU offenbar: Außer Schavan gibt es in der Partei keinen profilierten Bildungspolitiker mehr. Als Merkel 2005 Kanzlerin wurde, stellte die CDU noch acht Landesbildungsminister, heute sind es nur noch zwei. Brunhilde Kurth aus Sachsen ist dabei noch nicht einmal CDU-Mitglied. Und der Niedersachse Bernd Althusmann ist bisher nur einmal bundesweit aufgefallen: als er sich wegen seiner Doktorarbeit Plagiatsvorwürfen stellen musste.

© SZ vom 16.10.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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