Kanzlerin kritisiert Papst:Vatikan lässt Merkel abblitzen

Ungewöhnlich scharf hat Kanzlerin Angela Merkel den Papst wegen des Holocaust-Leugners Williamson kritisiert - der Vatikan zeigt sich unbeeindruckt.

J. Müller-Meiningen und S. Braun

In bisher nicht gekannter Schärfe hat Bundeskanzlerin Angela Merkel Papst Benedikt XVI. in der Debatte über den Umgang mit dem Holocaust kritisiert und das Oberhaupt der katholischen Kirche zu einer Klarstellung aufgefordert. Merkel sagte in Berlin, der Papst müsse "sehr eindeutig" erklären, dass es keine Leugnung des Holocaust geben dürfe. Zugleich rief sie den Papst dazu auf, unmissverständlich deutlich zu machen, dass es "einen positiven Umgang mit dem Judentum insgesamt" geben müsse. "Diese Klarstellungen sind aus meiner Sicht noch nicht ausreichend erfolgt", sagte Merkel. Vatikan-Sprecher Federico Lombardi wies die Forderung zurück. "Die Haltung des Papstes zum Thema Holocaust ist sehr deutlich ausgedrückt worden, sagte er."

Kanzlerin kritisiert Papst: Ein Bild aus besseren Tagen: Der Pontifex mit der Kanzlerin beim Besuch in der Heimat 2006

Ein Bild aus besseren Tagen: Der Pontifex mit der Kanzlerin beim Besuch in der Heimat 2006

(Foto: Foto: ddp)

Im Umgang mit dem Holocaust gibt sich die Kanzlerin seit ihrem Amtsantritt besonders entschlossen. So lieferte sie sich schon kurz nach ihrer Wahl auf der Münchner Sicherheitskonferenz Anfang 2006 ein Rededuell mit dem iranischen Vertreter und wies alle Holocaust-Leugnungen aus Teheran scharf zurück.

Auch andere deutsche Politiker verlangten eine deutlichere Reaktion des Papstes, der bereits am vergangenen Mittwoch bei einer Generalaudienz auf seine Kritiker eingegangen war. Dabei hatte Benedikt XVI. seine Solidarität mit den Juden betont und Versuche verurteilt, den Holocaust zu leugnen. Der Papst müsse seinen "Fehler schleunigst korrigieren", sagte der Grünen-Politiker Volker Beck.

Die Proteste richten sich gegen ein Dekret, das der Vatikan am Samstag vor einer Woche veröffentlicht hatte. Darin hob der Papst die Exkommunikation von vier traditionalistischen Bischöfen auf. Unter ihnen ist auch Richard Williamson, der in einem Interview behauptet hatte, es habe weder Gaskammern gegeben, noch seien sechs Millionen Juden von den Nationalsozialisten umgebracht worden. Das Interview war drei Tage vor Bekanntgabe der Rehabilitierung der Bischöfe gesendet worden.

Auch die Informationspolitik des Vatikans steht weiter in der Kritik. "Der Papst braucht nicht nur direkte Medienberater. Es fehlt ein Kabinett, in dem die Spitzen der Kongregationen und Räte einmal in der Woche zusammenkommen, um Pannen zu vermeiden", sagte der Leiter von Radio Vatikan, Pater Eberhard von Gemmingen, der Süddeutschen Zeitung. Der Vatikan habe in der Affäre "sehr viel schlecht gemacht". In strategischer Hinsicht agiere er teilweise "kindlich". Zuvor hatte bereits der Mainzer Kardinal und Papst-Vertraute Karl Lehmann eine "klare Entschuldigung von hoher Stelle" gefordert.

Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone verteidigte den Papst gegen die Vorwürfe, er habe einen Holocaust-Leugner wieder in die Kirche aufgenommen. Die Aufhebung der Exkommunikation habe nichts mit dessen "verwerflichen" Äußerungen zu tun. Gemmingen erklärte, die Exkommunikation der Bischöfe, Anhänger des traditionalistischen Bischofs Marcel Lefebvre, sei zwar aufgehoben. Die Bischöfe blieben aber suspendiert und dürften keine kirchlichen Amtshandlungen ausüben.

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