Kanzlerin in Masar-i-Scharif:Merkel besucht überraschend Afghanistan

Kanzlerin Merkel besucht die deutsche Truppe in Afghanistan. Angesichts des Abzugs 2014 fordert Merkel vom afghanischen Präsidenten Karsai mehr Reformen. Erst vor wenigen Tagen war ein deutscher Soldat in einen Hinterhalt geraten und erschossen worden.

Von Nico Fried, Masar-i-Scharif

6:18 Uhr Ortszeit, Landung in Masar-i-Sharif: Bundeskanzlerin Angela Merkel trifft zu einem Kurzbesuch in Afghanistan ein. Mit an Bord des Luftwaffen-Airbus ist auch Verteidigungsminister Thomas de Maizière. Die Reise ist wie immer geheim gehalten worden - aus Sicherheitsgründen. Im achten Jahr ihrer Regierungszeit besucht Merkel Afghanistan zum fünften Mal.

Die Reise war schon seit Wochen geplant worden. Und doch kommt sie jetzt zu einem schwierigen Zeitpunkt: Am vergangenen Samstag wurde erstmals nach fast zwei Jahren wieder ein deutscher Soldat getötet. Der Mann, Mitglied der deutschen Spezialkräfte KSK, war nördlich von Kundus in einen Hinterhalt geraten, als er nach einem Gefecht mit afghanischen Aufständischen, in dessen Verlauf auch ein Bombardement aus der Luft angefordert worden war, den Schaden in den gegnerischen Reihen untersuchte. Ein weiterer deutscher Soldat war verletzt worden.

Pflichterfüllung unter großen Risiken

Noch ist unklar, ob das Gefecht auf eine verschärfte Sicherheitslage hinweist. Die Taliban hatten jüngst, wie jedes Jahr, eine Frühjahrsoffensive angekündigt. Der Besuchstermin von Merkel und de Maizière wurde dennoch beibehalten. Es solle keine Demonstration sein, hieß es in der deutschen Delegation, aber es komme nun auch nicht ungelegen.

Nach ihrem Eintreffen im Feldlager Kundus besuchte Merkel den Ehrenhain, wo sie der gefallenen und im Einsatz ums Leben gekommenen deutschen Soldaten gedachte. Nach Andacht und Gebet sagte sie vor den Soldaten: "Da ist mir natürlich wieder auch bewusstgeworden, dass Sie Ihren Dienst tun nicht einfach aus Pflichterfüllung, sondern auch unter großen, großen Risiken."

Bei einem Besuch des nordafghanischen Bundeswehr-Feldlagers in Kundus sagte Merkel vor Journalisten: "Jeder Gefallene ist ein schwerer Schlag für uns." Da es eine zeitlang keine Gefallenen gegeben hätte, sei es insofern ein Rückschlag. "Es hat uns vor Augen geführt, dass es eine nach wie vor komplizierte Situation ist." Die Kanzlerin betonte allerdings auch, dass sich die Strategie der Ausbildung afghanischer Streitkräfte und die Übergabe der Sicherheitsverantwortung an sie bewährt habe. "Vieles ist geschafft", sagte sie.

Angesichts des baldigen Endes des Nato-Kampfeinsatzes 2014 mahnte Merkel bei ihrem Besuch weitere Reformen in Afghanistan an. "Wir werden ein Auge darauf haben, dass der politische Prozess hier vorangeht", sagte sie vor deutschen Soldaten in Kundus. Als anstehende Aufgaben nannte Merkel die Vorbereitung der Präsidentschaftswahl im April 2014 und den Aufbau der Wirtschaft. Sie bekräftigte den Willen der Bundesregierung, sich nach dem Auslaufen des Nato-Kampfeinsatzes Ende 2014 weiter militärisch in Afghanistan zu engagieren.

Einsatzende nach zehn Jahren

Erstmals flog die Kanzlerin direkt mit einem Regierungs-Airbus von Berlin nach Masar-i-Scharif. Bei den vorangegangenen Reisen musste sie aus Sicherheitsgründen im usbekischen Termes in eine Militärmaschine mit Raketenabwehrsystem umsteigen.

Die Bundesregierung hatte nach dem Tod des KSK-Soldaten erklärt, unverändert an ihrer Afghanistan-Strategie festhalten zu wollen. Dazu gehört das Angebot, auch nach dem Ende des Nato-Kampfeinsatzes ab 2015 bis zu 800 Soldaten für Ausbildung und Beratung der afghanischen Armee zur Verfügung zu stellen. Deutschland hat damit als erstes Nato-Land einen konkreten Vorschlag für eine längerfristige Präsenz am Hindukusch gemacht. Die radikalislamischen Taliban hatten der Bundeswehr daraufhin mit gezielten Angriffen gedroht.

Die Bundeswehr will das Feldlager in Kundus im Herbst an die Afghanen übergeben und den verlustreichen Einsatz in der Unruheprovinz dann nach knapp zehn Jahren beenden. Derzeit sind rund 4300 Bundeswehrsoldaten in Afghanistan stationiert. Der Einsatz kostete bislang 53 deutsche Soldaten das Leben. 35 davon starben bei Angriffen und Anschlägen. Merkel hatte die deutschen Soldaten in Afghanistan zuletzt im März 2012 besucht.

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