Kandidatur für den Linken-Parteivorsitz:Bartsch schweigt sich aus

Wer soll die Linken aus ihrer politischen Krise führen? Sahra Wagenknecht vom radikal linken Flügel hat erklärt, am Parteivorsitz nicht interessiert zu sein. Jetzt wird der Reformer Dietmar Bartsch als Kandidat gehandelt. Er hatte sich 2010 im Streit mit Oskar Lafontaine zurückgezogen. Teile der Partei warten auf sein Comeback.

Daniel Brössler, Berlin

Er hat es wieder nicht gesagt. Nicht direkt jedenfalls. Zwanzig Minuten hat Dietmar Bartsch am Wochenende auf dem Parteitag der sächsischen Linken in Bautzen gesprochen, hat die Euro-Krise analysiert und auch die Lage der Linken. Er hat eingeräumt, "dass unser politischer Einfluss zurückgegangen ist". Nur über die eigene politische Zukunft hat er kein Wort verloren. Das war vielleicht auch gar nicht nötig. In der Linken schwinden die Zweifel daran, dass der einstige Bundesgeschäftsführer an die Spitze strebt.

Die Linke - Dietmar Bartsch

Zählt zum Reformerflügel der Linken: Dietmar Bartsch.

(Foto: dpa)

An diesem Dienstag wählt die Linke im Bundestag ihren neuen Fraktionsvorstand. Nach einem von Fraktionschef Gregor Gysi ausgetüftelten Kompromiss soll Bartsch einer von vier Vize-Fraktionschefs werden. Nach der Wahl aber ist vor der Wahl. Dann geht es um den Parteivorsitz.

Fraglos ist Sahra Wagenknecht, der das Amt der "ersten stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden" zugedacht ist, medial dieser Tage die Präsenteste aller Linken. Allerdings hat sie mehrfach erklärt, am Parteivorsitz nicht interessiert zu sein. Das zumindest hat von Dietmar Bartsch noch keiner gehört. Seit er im Streit mit Oskar Lafontaine 2010 die Geschäftsführung verlor, warten zumindest Teile der Partei auf Bartschs Comeback.

Machtbasis des Reformers aus Mecklenburg-Vorpommern sind die ostdeutschen Landesverbände. Eben auf jene aber muss sich auch die Berlinerin Gesine Lötzsch stützen, die im Unterschied zu ihrem Ko-Vorsitzenden Klaus Ernst bereits ihre Kandidatur erklärt hat. "Jeder, der meint, er könnte in Hinterzimmern ein Personaltableau erstellen, der hat unser neues Programm noch nicht verinnerlicht", rechtfertigte sie in Bautzen ihr Vorpreschen.

Auffällig großer Beliebtheit erfreut sich ein Vorschlag, den schon vor Monaten Klaus Ernst gemacht hat. Die neuen Vorsitzenden sollen demnach in einem Mitgliederentscheid gekürt werden. "Ich habe immer gesagt, dass ich den Vorschlag von Klaus Ernst befürworte. Wenn man einen Mitgliederentscheid macht, muss man ihn aber solide vorbereiten, damit die Partei einen Nutzen daraus zieht", sagt Bartsch. Auch Lötzsch hat wissen lassen, sie sei "offen" für den Vorschlag. Nach der Satzung der Linken kann ein Mitgliederentscheid auf Antrag von Landes- und Kreisverbänden, die gemeinsam mindestens ein Viertel der Mitglieder repräsentieren, oder auf Antrag von acht Landesverbänden durchgeführt werden. Auch die Unterschriften von 5000 Mitgliedern würden genügen.

Angst vor quälenden Personaldebatten

An Unterstützung aus den Landesverbänden wird es vermutlich nicht fehlen. Der Landesvorstand in Bartschs Heimatverband im Nordosten hat sich am Wochenende für den Mitgliederentscheid ausgesprochen. In Sachsen wurde der Landesvorsitzende Rico Gebhardt beauftragt, bei anderen Landesverbänden, vor allem auch im Westen, die Idee zu sondieren. Großes Interesse wurde bereits aus Schleswig-Holstein signalisiert. Dort fürchtet man, dass quälende Personaldebatten die Chancen bei der Landtagswahl am 6. Mai minimieren. "Wir stellen uns es wenig hilfreich vor, wenn so eine Personaldebatte mitten in unseren Wahlkampf fällt", sagt Landeschefin Jannine Menger-Hamilton. Vorzugsweise bis Anfang April solle daher ein Mitgliederentscheid abgeschlossen sein. Proporz könne in dem Entscheid überdies keine Rolle spielen: "Es muss eine demokratische Entscheidung der Basis sein. Sonst wäre es eine Show-Veranstaltung."

Bisher galt, dass etwa ein Vorsitzender Bartsch eine Ko-Vorsitzende aus dem radikal-linken Lager bräuchte, die aus dem Westen kommt oder dort - wie Wagenknecht - zumindest ihren Wahlkreis hat. Vorgefühlt wurde auch bei Katharina Schwabedissen, die Landeschefin in Nordrhein-Westfalen ist und zur Parteilinken zählt. "Ich werde im kommenden Jahr nicht als Parteivorsitzende kandidieren, sondern meine Arbeit in Nordrhein-Westfalen fortsetzen", versichert sie allerdings. Käme der Mitgliederentscheid, wäre der Proporz womöglich ohnehin obsolet. Er kenne den Vorwurf, dass die Parteitage durch Strömungen dominiert werden und nicht die reale Situation an der Parteibasis widerspiegeln, sagt Steffen Bockhahn, Landeschef im Nordosten. Dem könne "hervorragend begegnet werden, wenn die gesamte Mitgliedschaft entscheidet".

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