Kandidaten für EU-Rettungsschirm:Monti sagt Jein zu EU-Hilfen für Italien

Italiens Ministerpräsident nährt Spekulationen über einen Antrag seines Landes auf EU-Rettungsgelder: "Italien könnte interessiert sein", orakelt Monti. Freilich nicht jetzt, sondern in der Zukunft. Während der Internationale Währungsfonds seine Schulden-Prognose für Italien weiter nach oben schraubt, gibt es indes einen unerwarteten Lichtblick in der drittgrößten Volkswirtschaft der Euro-Zone.

Der italienische Regierungschef Mario Monti hat die Möglichkeit von EU-Hilfen für sein schuldengeplagtes Land ins Spiel gebracht. Es sei gefährlich zu behaupten, dass Italien niemals unter den Rettungsschirm schlüpfen werde, sagte Monti im Anschluss an ein Finanzminister-Treffen, bei dem das Rettungspaket für die spanischen Banken festgezurrt wurde. Er fügte hinzu: "Italien könnte interessiert sein." Zugleich betonte er, dass die italienische Regierung derzeit keine Hilfen anfordern müsse.

Day Two Of The Euro-Finance Ministers Meeting As Spanish Aid Is Accelerated

Italiens Ministerpräsident Mario Monti im Gespräch mit Spaniens Wirtschaftsminister Luis de Guindos beim Treffen der Finanzminister in Brüssel.

(Foto: Bloomberg)

Vor etwa zwei Wochen hatte Monti bereits erklärt: "Italien plant derzeit keine Aktivierung des Mechanismus, aber ich schließe für die Zukunft nichts aus." Die EU-Rettungsfonds seien genau für ein Land wie Italien geschaffen worden, welches die Sparauflagen der EU erfülle.

Damit nährt Monti Befürchtungen, dass auch Italien im Sommer Hilfe aus dem EFSF beantragen muss. Monti hat dies zwar verneint, aber gleichzeitig für eine Lockerung der Bedingungen bei kurzfristigen Hilfen geworben.

Beim jüngsten EU-Gipfel in Brüssel hatte Monti Bundeskanzlerin Merkel die Zustimmung abgerungen, dem neuen Rettungsfonds ESM auch den Aufkauf von Staatsanleihen zu erlauben, um so die Zinsen für angeschlagene Länder wie Italien oder Spanien zu senken und damit möglicherweise internationale Finanzhilfen abzuwenden.

Rettung Italiens könnte EU überfordern

Bislang haben fünf Länder aus der Euro-Zone unter dem Rettungsschirm Schutz gesucht: Griechenland, Irland, Portugal, Spanien und Zypern. Der Fall Italien macht den Finanzmärkten wegen seiner Größe am meisten Sorgen - viele Anleger sorgen sich, dass die drittgrößte Volkswirtschaft der Euro-Zone nach Deutschland und Frankreich die Rettungsmechanismen überfordern könnte.

Das Misstrauen der Investoren hat zuletzt dazu geführt, dass die Renditen auf italienische Staatsanleihen wieder auf rund sechs Prozent gestiegen sind. Sollten die Anleger noch höhere Zinsen fordern, gilt der italienische Schuldenberg auf Dauer als nicht finanzierbar.

Kritik an "nordischen Ländern"

Der neuerliche Zinsanstieg nach einer anfänglichen Erleichterung in Folge des Krisengipfels sei beunruhigend, hatte Monti zuletzt bei einer Konferenz im französischen Aix-en-Provence gesagt. Der italienische Ministerpräsident warf nicht näher genannten "nordischen Ländern" vor, mit ihrer Kritik an den Gipfelbeschlüssen die "Glaubwürdigkeit" der Euro-Zone aufs Spiel zu setzen.

Moody's senkt Bewertung für Italiens Staatsanleihen

Der Fall Italien sorgt auf den Finanzmärkten wegen seiner Größe für Nervosität: Das Land ist nach Deutschland und Frankreich die drittgrößte Volkswirtschaft der Euro-Zone.

(Foto: dpa)

Monti spielte damit auf die Niederlande und Finnland an, die Vorbehalte gegen einige der Kompromissbeschlüsse haben. Sie stemmen sich vor allem gegen Pläne, die Hilfen des künftigen dauerhaften Euro-Rettungsschirms ESM für Krisenstaaten wie Spanien und Italien zu erleichtern.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat indes den Reformdruck auf Monti erhöht. Um in Italien den Teufelskreis aus schwachem Wirtschaftswachstum und hohen Schulden zu durchbrechen, müssten die angefangenen Reformen mit aller Entschiedenheit und unter Hochdruck fortgesetzt werden, forderte der Chef der IWF-Delegation in Italien, Kenneth Kang.

Italiens Wirtschaft bleibe trotz der "ambitionierten Bemühungen" Montis "verletzlich". Sollte Italien von der Krise in der Euro-Zone angesteckt werden, drohten zugleich regionale und globale Auswirkungen, erklärte der IWF in einem Jahresbericht. Zwar seien die italienischen Banken "solide", aber noch immer in hohem Maße von der Europäischen Zentralbank abhängig.

Italien wird nach Einschätzung des IWF in diesem Jahr mehr Schulden machen als bislang erwartet: Die Experten erhöhten ihre Prognose für die Neuverschuldung auf 2,6 Prozent der Wirtschaftsleistung von bislang 2,4 Prozent. Dadurch werde der Gesamtschuldenstand 2013 wohl auf 126,4 Prozent des Bruttoinlandsproduktes anschwellen und nicht wie bislang erwartet auf lediglich 123,8 Prozent.

In der vergangenen Woche hatte die Regierung in Rom in einer siebenstündigen Nachtsitzung Kürzungen von 26 Milliarden Euro bis Ende 2014 beschlossen. Das Gesetzesdekret muss noch vom Parlament in Rom abgesegnet werden.

Monti hat wegen der Parlamentswahlen 2013 nicht mehr viel Luft, seinen Auftrag als "Retter Italiens" zu erfüllen. Populisten wie Beppe Grillo mit seiner Internet-Bewegung könnten in das Parlament einziehen. Und auch Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconi drängt mit Euro-kritischen Äußerungen wieder ins Rampenlicht.

Unerwarteter Produktionsanstieg

Einen kleinen Lichtblick gibt es für die italienische Wirtschaft aber doch: Inmitten der Schuldenmisere überrascht die Industrie des Landes mit einem unerwarteten Produktionsanstieg. Das verarbeitende Gewerbe, das neben der Industrie auch die Energie umfasst, stellte im Mai 0,8 Prozent mehr her als im Vormonat.

Das Plus gilt jedoch als Gegeneffekt zum starken Rückgang von zwei Prozent im April. Mitten in der Rezession fahren die Unternehmen nicht wieder auf vollen Touren: Im Vergleich zum Mai 2011 schrumpfte die Produktion um fast sieben Prozent.

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