Kanada:Canada first

Progressive Conservative (PC) leader Doug Ford attends his election night party following the provincial election in Toronto

Doug Ford wird als „Trump light“ bezeichnet und regiert künftig die kanadische Provinz Ontario.

(Foto: Carlo Allegri/REUTERS)

Die Liberalen von Premier Justin Trudeau verlieren nach 15 Jahren an der Macht in der bevölkerungsreichsten und wirtschaftsstärksten Provinz Ontario. Fortan regiert dort Doug Ford, der auch als "Trump light" bezeichnet wird.

Von Frank Nienhuysen

Mit den Verwünschungen aus dem Trump-Lager kann Justin Trudeau noch recht gelassen umgehen. Einen "besonderen Platz in der Hölle" gönnte Washington dem kanadischen Premier nach seiner Fehde mit dem US-Präsidenten beim G-7-Gipfel. Aber das ist fast schon Alltagspolemik. Sehr viel mehr Sorgen macht Kanada der Handelsstreit mit den USA, die angekündigten Zölle auf Stahl und Aluminium, die das Land arg treffen könnten. Zu all dem Ärger mit Donald Trump beim südlichen Nachbarn aber kommt für den liberalen Trudeau nun auch noch der überraschende Aufstieg von Doug Ford. Der wird zwar lediglich als "Trump light" bezeichnet, dafür aber regiert er künftig im eigenen Land. Ford, 53, wird Premier von Ontario, der bevölkerungsreichsten und wichtigsten Provinz in Kanada. Nach 15 Jahren löst er dort die abgestürzten Liberalen ab. Schwere Zeiten sind das für Trudeau.

Ford hatte vor der Wahl in der vergangenen Woche mit schneidigen Reden im Trumpschen Duktus viele Menschen in Ontario für sich gewonnen. Steuern? Werden radikal gesenkt. Umweltschutz? Wird gebremst. Liberaler Schulunterricht zum Thema Homosexualität? Wird abgeschafft. So pointiert zeigte sich Ford, der erst im März die Führung in der konservativen Partei, den Progressive Conservatives, übernommen hatte. Prompt führte er sie zu 40 Prozent und damit zur absoluten Mehrheit der Sitze. "Wir werden dafür sorgen", sagte Ford, "dass Ontario der beste Platz der Welt wird, um zu leben, um Geschäfte zu machen und eine Familie groß zu ziehen." Er werde Ontario wieder zum Motor von Kanada machen. Und nebenbei versprach Doug Ford auch noch, den Preis für eine Flasche Bier auf einen kanadischen Dollar zu senken. "Buck a beer" nannte er seine sehr populistische Initiative. So gewinnt man offenbar Wahlen in Nordamerika.

Wie Ford all diese Versprechen zu finanzieren gedenkt, außer mit dem Abbau von Bürokratie, ließ er sich nicht konkret entlocken. Die nach 15 Jahren abservierten Liberalen müssen den Schock nun jedenfalls erst mal verdauen. Und mit ihnen muss dies auch der kanadische Regierungschef Trudeau tun, der eine wichtige Stütze in jener Provinz verloren hat, in der etwa jeder dritte Kanadier lebt. Und die fast die Hälfte der gesamten kanadischen Wirtschaftsleistung erbringt.

Viele Einwohner Ontarios leiden darunter, dass die Preise für Häuser und Wohnungen deutlich gestiegen sind und hohe Energiekosten ihre Einkommen schwinden lassen. Und nun droht auch noch der wütende Nachbar-Präsident Trump mit Zöllen, die viele Arbeitsplätze in der kanadischen Provinz gefährden. Allein in der Stadt Hamilton arbeiten 9000 Menschen in der Stahlindustrie, für die Trumps angekündigten Zölle "ein Schlag ins Gesicht sind", wie die New York Times in einer Reportage einen Stahlarbeiter zitiert. Wäre es ihnen nun also lieber, wenn Kanada auf Trump mit Hilfe von Doug Ford nun selber trump-artig antwortet?

Regierungschef Justin Trudeau hat nach vielen moderaten Tönen im Streit über das nordamerikanische Freihandelsabkommen Nafta nun Härte angekündigt und seinerseits für Juli den Beginn von Zöllen auf US-Waren wie Schokolade oder Orangensaft aus Florida angekündigt. Und doch hat die anfängliche Euphorie im Land über den liberalen, offenen, einwanderungsfreundlichen und toleranten Premier spürbar nachgelassen. Im nächsten Jahr sind Parlamentswahlen in Kanada und Trudeau ahnt nun spätestens seit der Wahl von Doug Ford zum Premier von Ontario, dass er um Mehrheiten erheblich kämpfen muss. Nicht einmal der Drogenskandal von Fords inzwischen gestorbenem Bruder Rob Ford, der einst Bürgermeister von Toronto war, hat den Erfolg des politisch unerfahren Geschäftsmannes in Ontario verhindert. Trudeau ist also gewarnt.

Seine Toleranz und sein Charme verfangen zwar noch immer bei vielen Kanadiern, die den Vergleich zu Trump ziehen, doch seit sich Trudeau von einem befreundeten Milliardär auf eine Ferieninsel einladen ließ, gilt auch er als Mann mit Makeln. Spöttisch schauten die Kanadier nun auch auf seine ausgefallenen Socken, seine Kleiderwahl etwa beim Besuch in Indien. Mehr noch aber schauen sie auf die Wirtschaftsdaten. Als Exportnation ist Kanada auf blühenden Handel angewiesen, wenn schon weniger mit den USA, dann eben mehr mit der Europäischen Union. Im Streit mit Trump steht Trudeau deshalb sogar sein Gegner Ford zur Seite, der ihn einst einen schwachen Premier nannte. Schließlich gehe es um Jobs, sagte Ford. Es klingt fast wie "Canada first".

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