Kampf um Wirtschaftsmetropole Aleppo:Rebellen fürchten Bodenoffensive der Assad-Truppen

Hubschrauber kreisen über der Stadt, Artilleriefeuer ist zu hören, Panzerkolonnen rücken vor: Die Rebellen in der syrische Millionenstadt Aleppo bereiten sich auf einen angeblich bevorstehenden Angriff von Bodentruppen vor. Die USA warnen vor einem Massaker.

Syrische Rebellen und Regimetruppen formieren sich nach tagelangen Kämpfen um die Millionenmetropole Aleppo für die entscheidenden Gefechte. Das Militär bereitete am Donnerstag mit massiven Artillerieangriffen in mehreren Stadtbezirken eine Bodenoffensive vor. Nach eigenen Angaben schlugen die Aufständische Vorstöße der Regimetruppen zurück.

Die Sprecherin des US-Außenministeriums Victoria Nuland sagte, die Regierungstruppen hätten Panzer vor Aleppo stationiert, auch Flugzeuge seien mobilisiert worden. Man sehe darin eine ernste Eskalation des Konflikts. "Wir sprechen hier von einem Angriff auf enge Straßen in der Stadt, die von Zivilisten bevölkert werden", fügte sie hinzu. Man tue, was man könne, um den Druck auf das Assad-Regime zu erhöhen.

Die heftigsten Angriffe in Aleppo gab es am Donnerstag in den Bezirken Muhafasa, Maschaad, Scheich Badr und Salaheddin. Gleichzeitig demonstrierten die Rebellen ihren Durchhaltewillen: "Wir kontrollieren jetzt 50 Prozent der Stadt", sagte Kommandeur Abu Omar al-Halebi am Donnerstag der Nachrichtenagentur dpa am Telefon.

Eine syrische Abgeordnete aus Aleppo setzte sich einem Medienbericht zufolge in die Türkei ab. Die Politikerin Ichlas Badawi sei aus Protest gegen die Gewalt des Regimes gegen das syrische Volk über die Grenze geflüchtet, meldete die amtliche türkische Nachrichtenagentur Anadolu. Badawi habe zudem davor gewarnt, dass Assad eine Offensive gegen Städte plane, in denen Rebellen gegen Regierungstruppen kämpften.

Von unabhängiger Seite ließen sich die Angaben der Bürgerkriegsparteien nicht überprüfen, weil Medien in Syrien nur äußerst eingeschränkt arbeiten können.

Die Kämpfe in Aleppo dauern seit dem Wochenende an. Das Regime von Präsident Baschar al-Assad hatte am Mittwoch damit begonnen, Tausende Soldaten für den Kampf um die zweitgrößte Stadt des Landes in den Norden zu verlegen, griff mit Hubschrauber und Kampfflugzeugen aus der Luft an. Zugleich sollen Kampfjets die Nachschubwege der Aufständischen bombardiert haben, sagte Al-Halebi.

In der Hauptstadt Damaskus lieferten sich am Donnerstag Aufständische und Sicherheitskräfte im palästinensischen Flüchtlingslager Jarmuk Gefechte, wie Aktivisten berichteten. Auch im Stadtteil Al-Hadschar al-Aswad tobten Kämpfe. Aus allen anderen Teilen von Damaskus hatten die Regimetruppen in den vergangenen Tagen die Aufständischen weitgehend zurückgeschlagen.

Vereinte Nationen schicken Beobachter nach Hause

Auch in anderen Landesteilen gingen die Kämpfe mit unverminderter Härte weiter. Gefechte und Angriffe der Regimetruppen wurden unter anderen aus Rastan bei Homs, Idlib, Deir as-Saur und Daraa gemeldet. Die lokalen Koordinierungskomitees sprachen von 200 Toten, darunter Frauen und Kinder.

Tödliche Schüsse auf Dreijährigen

An der Grenze zu Jordanien eröffneten syrische Soldaten nach jordanischen Angaben am Freitagmorgen das Feuer auf eine Gruppe von Flüchtlingen und erschossen dabei einen dreijährigen Jungen. Der Junge sei seiner Schussverletzung am Hals sofort erlegen, teilte der jordanische Informationsminister Samih Maajtah mit.

Die Soldaten schossen seinen Angaben zufolge auf Flüchtlinge aus Syrien, die in Turra die Grenze überqueren wollten. Zwei Personen sei es gelungen, ins Nachbarland zu fliehen, etwa zehn weitere seien aufgrund der Schüsse zurück auf syrisches Gebiet gerannt, berichtete ein jordanischer Grenzschützer.

Wegen der andauernden Kämpfe schickten die Vereinten Nationen 150 unbewaffnete Beobachter nach Hause, die in Syrien eigentlich eine Waffenruhe überwachen sollten. Damit wurde die UN-Beobachtermission für Syrien (Unsmis) auf die Hälfte ihres Bestands reduziert, wie UN-Untergeneralsekretär Hervé Ladsous vor Journalisten in Damaskus mitteilte.

Angesichts der zunehmenden Gewalt befürchtet die EU-Kommission eine Ausweitung des Flüchtlingsdramas. "Aus einer humanitären Perspektive hat sich die Situation im Laufe der vergangenen vier bis fünf Wochen erheblich verändert", sagte ein Mitarbeiter der Kommissionsabteilung für humanitäre Hilfe (Echo). "Wir rennen einem Zug hinterher, der ständig beschleunigt."

Zugleich drohe den internationalen Helfern das Geld auszugehen, erklärte die Brüsseler Behörde. So sei ein 180 Millionen US-Dollar (146 Millionen Euro) schwerer Hilfsplan der Vereinten Nationen Anfang Juli erst zu 21 Prozent finanziert gewesen. Auch 193 Millionen Dollar (157 Millionen Euro) für die Aufnahme und Versorgung von Bürgerkriegsflüchtlingen in den Nachbarländern Syriens seien erst zu 26 Prozent geflossen.

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