Kampf gegen "Islamischer Staat":Irak - die Falle für US-Präsidenten

Kampf gegen "Islamischer Staat": Übersicht über von Kurden oder IS kontrollierten Gebiete. Zum Vergrößern auf das Bild klicken.

Übersicht über von Kurden oder IS kontrollierten Gebiete. Zum Vergrößern auf das Bild klicken.

(Foto: SZ-Grafik)

Obama ist der vierte US-Staatschef in Folge, der im Irak interveniert. Seine Vorgänger haben dort zum Teil desaströs agiert. Auch Obama geht ein hohes Risiko ein. Dennoch ist es richtig, die Jesiden zu schützen.

Ein Kommentar von Nicolas Richter

Barack Obama ist der vierte US-Präsident in Serie, der militärisch im Irak eingreift. Vor ihm haben sich Bush Junior, Bill Clinton und Bush Senior mit zum Teil verheerenden Interventionen versucht. Kein anderes Land offenbart Amerikas Ehrgeiz und Gestaltungswillen, aber auch Amerikas Hybris und Scheitern, so schonungslos wie der Irak.

Obamas Entscheidung ist nicht schon deswegen falsch. Im Norden des Irak haben sich Tausende Jesiden ins Gebirge geflüchtet, weil die blutrünstige Islamistenmiliz IS ihnen mit der Auslöschung droht. Dies wäre ein Völkermord, und Verbrechen wie diese erfordern das Eingreifen der Weltgemeinschaft.

Die Vereinten Nationen haben sich längst auf die Idee einer globalen Schutzverantwortung geeinigt. Obama stellt sich dieser Verantwortung mit angemessenen Mitteln: Er versorgt die Verfolgten und droht ihren Verfolgern. Ein Beschluss des UN-Sicherheitsrats wäre zwar wünschenswert, ist aber nicht notwendig, weil die irakische Regierung selbst um Hilfe gebeten hat; das ist der Unterschied zur US-Invasion des Irak im Jahr 2003.

Es wäre zynisch, die Jesiden ihren Peinigern zu überlassen

Natürlich ist jede Skepsis gegenüber der neuen US-Operation gerechtfertigt. Wo immer amerikanische Truppen zuletzt intervenierten, ob im Irak, in Afghanistan oder in Libyen, haben sie bestenfalls gemischte Ergebnisse erzielt, zuweilen war es danach schlimmer als davor. Obama ist sich dessen bewusst, er weiß, dass nicht nur sein Volk müde ist von der Rolle des Weltpolizisten, sondern auch, dass die Welt müde ist von Amerikas naiven bis brutalen Abenteuern. Die zynische Antwort wäre es, die Jesiden ihren Peinigern zu überlassen. Dass Amerika gleichwohl eine Restverantwortung für die Welt spürt, ist eine gute Nachricht. Interventionen können verheerend sein, Nichtstun aber auch, siehe das Stillhalten der USA beim Genozid in Ruanda.

Obama hat allerdings auch eine zweite neue Front im Irak eröffnet, und hier sind Begründung und Folgen weit weniger klar: Er hat die kurdische Stadt Erbil für unangreifbar erklärt, weil sich dort US-Diplomaten und Militärberater aufhalten. Am Freitag hat er Rebellen bombardieren lassen, die Erbil bedrohten. Ginge es Obama nur um das Wohl seiner Bürger, könnte er sein Personal auch aus Erbil abziehen.

Obama als Helfer in äußerster Not

Offenbar aber hat der Präsident entschieden, den IS-Extremisten Grenzen zu setzen. Die Kurden im Norden des Irak sind treue US-Verbündete, ihre Provinz ist eines der letzten halbwegs stabilen Gebiete. Sollte Obama beschlossen haben, Teile des Irak vor den Islamisten abzuschotten, so wäre dies eine viel folgenreichere Operation als der überschaubare Eingriff zugunsten der Jesiden. Obama muss klarer als bisher erklären, welche Ziele er im Irak verfolgt.

So oder so ist er nun dem Risiko ausgesetzt, dass ihn der irakische Sog erfasst. Wenn es ihm nicht bald gelingt, die Regierung in Bagdad zur Einheit zu bewegen und dem irakischen Militär zu einer erfolgreichen Gegenoffensive zu verhelfen, so könnte der Irak noch den Rest seiner Amtszeit bestimmen - jener ewige Krisenherd, den er eigentlich so gern verlassen wollte.

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