Kampf gegen IS-Terrorismus:Obama: Ich weiß, wie ernst die Terrorgefahr ist

Barack Obama

US-Präsident Barack Obama wendet sich im Oval Office an die Nation. Es ist erst das dritte Mal, dass er eine Rede in seinem Amtszimmer hält.

(Foto: AP)

Nach San Bernardino verspricht der US-Präsident, den IS zu "zerstören". In der TV-Ansprache verkündet Obama keine neue Strategie, sondern signalisiert, dass er die Ängste der Bürger versteht.

Analyse von Matthias Kolb, Washington

Es ist das Privileg eines jeden US-Präsidenten, dass er sich jederzeit Gehör verschaffen kann. Wenn Barack Obama eine Erklärung ankündigt, dann hören fast alle Journalisten zu. Und es verrät viel über die Dringlichkeit, wann und wo sich der Präsident zu Wort meldet. Wenn er es am Sonntagabend zur besten Sendezeit (quasi vor dem Tatort) tut und die TV-Kameras im Oval Office aufgebaut werden, dann heißt das: Diese Rede ist wichtig. Verdammt wichtig.

Bisher hatte sich Obama erst zwei Mal aus seinem Amtszimmer an die Nation gewandt: 2010 nach der Ölkatastrophe im Golf von Mexiko und zum Ende des US-amerikanischen Kampfeinsatzes im Irak. Doch der Schock über den Terror-Anschlag in San Bernardino mit 14 Toten, den ein muslimisches Ehepaar verübt hat, und die aufgeregte, mitunter hysterische öffentliche Debatte zwingen den US-Präsidenten, seine Position und seine Überzeugung klar und deutlich zu formulieren.

Anstatt den kompletten Abend bei einer festlichen Gala im Kennedy Center zu verbringen, wendet sich Obama also direkt an seine Bürger. Es sind fünf Botschaften, die er dabei vermitteln möchte.

  • Ich nehme die Gefahr durch die IS-Terroristen ernst. Obama bezeichnet den Anschlag in San Bernardino als "Terrorakt" und versichert, dass seine Regierung alles tue, um tödliche Attacken in den USA zu verhindern. Seit sieben Jahren beginne jeder Morgen für ihn mit einem Briefing durch die Geheimdienste über mögliche Risiken. Wörtlich sagt er: "Ich weiß, wie ernst die Gefahr ist." Zugleich betont er, dass der Kampf gegen den Terror in eine "neue Phase" eingetreten sei.
  • Ich verstehe eure Sorgen kurz vor Feiertagen. Zu Beginn des jüdischen Hanukkah-Festes und kurz vor Weihnachten spricht Obama über die weit verbreiteten Ängste in der Bevölkerung. "Als Vater von zwei Töchtern, die das Wichtigste für mich sind, weiß ich, dass wir unsere Kinder in den Gesichtern der jungen Leute erkennen, die in Paris getötet wurden", sagt der US-Präsident. Obama war nicht nur von Republikanern dafür kritisiert worden, dass er nach den Pariser Anschlägen von einem "Rückschlag" gesprochen hatte, was als Verharmlosung aufgefasst wurde. Unmissverständlich verspricht er nun, den "Islamischen Staat" zu zerstören.
  • Keine Panik, die US-Strategie wird Erfolg haben. Obama betont, dass das Vorgehen gegen den IS ständig angepasst werde. Neue Initiativen verkündet er nicht: Die Strategie aus Luftangriffen, gekoppelt mit dem Einsatz von Spezialkräften und der Ausbildung von Kämpfern in Syrien und Irak, werde erfolgreich sein. Die USA arbeiten mit 65 Staaten zusammen und drängen etwa die Türkei, ihre Grenze zu Syrien abzuriegeln. Es sei richtig, nach einer politischen Lösung für den Syrien-Konflikt zu suchen.
  • Spaltung darf nicht weiter gehen. Der Demokrat appelliert an den von den Republikanern kontrollierten Kongress, per Abstimmung zu bestätigen, dass sich die USA im Krieg gegen die IS-Miliz befinden. Die Abgeordneten sollten "demonstrieren, dass das amerikanische Volk diesen Kampf gemeinsam" führe.
  • Strengere Waffengesetze machen das Land sicher. Erneut - und zum großen Missfallen der konservativen Abgeordneten und Kommentatoren - fordert Obama, den Verkauf von Sturmgewehren zu verbieten: "Wir müssen es den Terroristen schwerer machen, Leute töten zu können." Obwohl ein entsprechendes Gesetz erst drei Tage zuvor abgelehnt wurde, fordert der US-Präsident den Kongress auf zu beschließen, dass niemand in den USA Waffen kaufen dürfe, der wegen Terrorverdacht auf einer No-Fly-Liste steht.

Welche Reaktionen Obama unbedingt vermeiden will

Obama betont in seiner Ansprache mehrmals, dass die USA diesen Kampf gewinnen würden, weil das Land "auf der richtigen Seite der Geschichte" stehe. Panik sei nicht angebracht, stattdessen müssten alle "stark und smart" sein. Er wünsche sich, dass Technik-Firmen die Geheimdienste unterstützen würden, damit die Terroristen sich nicht länger verbergen könnten - eine indirekte Forderung nach weniger Verschlüsselung.

Ganz explizit - und sicherlich in Reaktion auf die lauten Forderungen der republikanischen Präsidentschaftsbewerber - nennt Obama drei Dinge, die die USA unbedingt vermeiden sollten.

  • Kein Krieg mit US-Bodentruppen. Obama ist und bleibt davon überzeugt, dass er gewählt wurde, um Kriege zu beenden - und keine zu beginnen. Wenn die USA nun Tausende Soldaten in den Kampf gegen die IS-Dschihadisten schicken würde, dann würde dies nur der IS-Propaganda nutzen: "Sie wünschen sich, dass wir ihr Territorium besetzen." Er sei jedoch nicht bereit, dass eine neue Generation von Soldaten "im Ausland kämpfe und dort sterbe".
  • Kein Krieg zwischen Amerika und "dem Islam". Auf jeden Fall müsse der Eindruck vermieden werden, dass die USA alle Muslime bekämpfen würden. Dies ist ein Seitenhieb gegen Donald Trump, Ted Cruz und alle anderen Republikaner, die ständig von Amerikas "Krieg gegen den radikalen Islam" sprechen. Obama betont, dass die IS-Miliz nicht für "den Islam" spreche, sondern diese Religion in einer "pervertierter Art" interpretiere. Die IS-Mitglieder seien "Gangster" und "Mörder", die einem "Todeskult" angehörten. Nun sollte auch jedem Fox-News-Gucker klar sein: Die Zeiten, als Obama den IS als "Nachwuchsteam" von al-Qaida bezeichnete (Anfang Feburar 2014), sind längst vorbei.
  • Keine Diskriminierung von US-Muslimen. Vehement warnt der Präsident davor, die Millionen Amerikaner, die dem Islam angehören, zu verdächtigen oder zu diskriminieren. Es verstoße gegen alle Werte, wenn etwa christliche Flüchtlinge bevorzugt würden oder US-Muslime schlechter behandelt werden (Donald Trump kann sich eine spezielle Datenbank vorstellen). "Wenn wir diesen Weg bestreiten, dann verlieren wir", warnt Obama. Er erinnert daran, dass die Muslime nicht nur "Nachbarn, Kollegen und Freunde" seien, sondern auch viele im US-Militär oder als Polizisten für die Sicherheit der Amerikaner sorgen würden.

Seine 13 Minuten lange Rede an die Nation beendet Obama mit dem Satz "Freiheit ist mächtiger als Angst". Aus polit-strategischen Gründen ist es sicher richtig gewesen, dass er sich an diesem Sonntag nicht nur lächelnd bei einer Gala gezeigt. Ob die Hauptbotschaft "Ich verstehe, dass ihr euch Sorgen macht" bei den Amerikanern ankommt, ist aber eher zweifelhaft.

Obama sprach an jenem Ort, an dem John F. Kennedy über die Kuba-Krise und die Bürgerrechtsbewegung gesprochen, Richard Nixon seinen Rücktritt verkündet und von wo aus George W. Bush seine erste Rede nach 9/11 gehalten hatte. Doch von dieser Ansprache Obamas wird kaum etwas in Erinnerung bleiben - sie ist höchstens ein erster Schritt.

Mehrheit für Bodentruppen im Kampf gegen IS

In einer aktuellen CNN-Umfrage geben 60 Prozent der Bürger Obama schlechte Noten für seine Anti-Terror-Politik. Zwei Drittel finden das Vorgehen des US-Militärs "nicht aggressiv genug" und 53 Prozent befürworten den Einsatz von Bodentruppen im Irak und Syrien, um gegen die IS-Miliz vorzugehen. Wer diesen Schritt befürwortet, der wird von Obamas Rede enttäuscht sein.

Dass jene Republikaner, die nach Obama ins Oval Office im Weißen Haus einziehen möchten, sich mit harschen Worten via Twitter und im Kabel-Fernsehen zu Wort melden, verwundert nicht. Den demokratischen Präsidenten zu kritisieren oder gar zu beschimpfen, gehört zum Standardrepertoire.

Konservative Analysten und Kommentatoren sind äußerst unzufrieden mit Obamas Anti-IS-Politik. Der junge Publizist Ben Domenech formuliert, was viele US-Bürger über ihren Präsidenten denken: "Der Kerl hat den Bezug zur Realität verloren."

Die Appelle aus dem Weißen Haus werden also nicht dazu führen, dass die öffentliche Debatte weniger emotional und sachlicher geführt wird. Hillary Clinton, die demokratische Favoritin im Kampf um das Weiße Haus, hat die Obama-Rede übrigens bisher nicht via Social Media kommentiert. Dass auch sie mit ihrem einstigen Chef nicht zufrieden ist, hatte Clinton Stunden zuvor in einem TV-Interview erklärt: Die USA seien "momentan nicht dabei, gegen den IS zu gewinnen".

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