Kampf gegen den Islamischen Staat:Amerikas schwierige Suche nach Verbündeten

John Kerry

Amerikas Außenminister John Kerry auf dem Weg ins saudische Dschidda, wo er am Donnerstag unter den Vertretern arabischer Länder und der Türkei Verbündete suchte.

(Foto: AP)

Die Nachbarländer des Irak und Syriens halten sich im Kampf gegen die Terrormiliz IS auffällig zurück. Gängige arabische Meinung ist, dass die Amerikaner die Suppe allein auslöffeln sollen, die sie sich einst eingebrockt haben.

Von Sonja Zekri, Kairo

Eigentlich müsste es umgekehrt sein, eigentlich müssten sich Länder wie Saudi-Arabien oder Jordanien an die Spitze des Kampfes gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) setzen, anstatt sich von Washington zum Jagen tragen zu lassen. So aber sieht es aus.

Es dauerte mehr als zwei Monate nach dem Fall von Mossul an die Dschihadisten-Horden, ehe sich die Arabische Liga dazu bequemte, durchschlagende Maßnahmen gegen den mörderischen neuen IS anzukündigen. Die offene Unterstützung amerikanischer Luftschläge gegen die Terroristen gehörte nicht dazu.

Amerika wirbt, Amerika drängt, Amerika schickt seinen Außenminister

Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate besitzen indes moderne Flugzeuge wie F-15- und F-16-Jets, auch Apache-Kampfhubschrauber. Vor drei Jahren schickten die Emirate und Katar ihre Flieger gegen Muammar al-Gaddafi nach Libyen. Heute ist Libyen die Hölle, aber damals war die arabische Beteiligung politisch von größter Bedeutung: Das war kein neuer Kreuzzug des Westens, damals verstieß die Region einen der Ihren.

Im Kampf gegen den IS aber ist es anders. Schließlich - so ein gängiges arabisches Argument - waren es ja vor allem die Amerikaner, die mit dem Sturz Saddam Husseins die Misere ausgelöst haben. Also ist es deren Sache, wieder für Ruhe zu sorgen. Und Amerika wirbt, Amerika drängt, Amerika schickt Außenminister John Kerry ins saudische Dschidda, wo er am Donnerstag unter den Vertretern arabischer Länder und der Türkei Verbündete suchte - und fand, zumindest im Ansatz. Die arabischen Teilnehmer des Treffens sagten unter anderem zu, die Finanzströme der Extremisten und den Zulauf von ausländischen Kämpfern zu stoppen. Die Türkei hingegen hielt sich heraus und kündigte in Dschidda an, sich lediglich auf humanitäre Hilfe beschränken zu wollen. Die Gefahr für diese Anrainerstaaten, so hatte US-Präsident Barack Obama in einer Rede schon vor Wochen gesagt, ist sehr viel größer als für Washington: "Es ist ihre Gegend."

Nicht, dass Länder wie Saudi-Arabien dies nicht wüssten. Der greise König Abdullah hatte bereits im Juli 30 000 Mann zur Verstärkung an die Grenze zum Irak geschickt. Außerdem hat er eine gigantische Grenzanlage angekündigt. Ein 900 Kilometer langer Zaun, fünf Schichten Draht, Wachtürme, Nachtsichtkameras, Radaranlagen. Schnelle Eingreifeinheiten sollen "Eindringlinge, Drogen, Waffen und Viehschmuggler" aus dem Irak fernhalten.

Die Reaktionen waren nicht ohne Häme: "Kannst du die Angst riechen?", spottete MidEasternist auf Twitter. Ein anderer Kommentator bemerkte, Saudi-Arabien wolle sich nun vor dem Monster schützen, das es mit auf die Welt gebracht habe - eine Anspielung auf die Finanzierung allerlei Radikaler in der Region durch saudische Geldgeber.

Das größere Problem für die Saudis ist Iran

Die größte Gefahr für das Königreich, so ein Dritter, liege ohnehin diesseits des Zauns: Viele Saudis sympathisieren mit dem Kalifat, indoktriniert durch wahhabitische Prediger, die jeden anderen Glauben zum Verbrechen erklären, verbittert über eine königliche Familie, die Privilegien nutzt und Milliarden kostet, aber überhaupt nicht so lebt, wie die strenge saudische Islam-Variante es vorsieht.

Trotz aller Sorge sprang Saudi-Arabien dem Irak nicht sofort gegen den IS bei. Die ultrasunnitische saudische Monarchie hatte mit Iraks Ex-Premier Nuri al-Maliki lange ihre Schwierigkeiten. Der Schiit Maliki hatte sich für saudischen Geschmack viel zu eng an den schiitischen Gottesstaat Iran gelehnt, die Schikanen der Maliki-Regierung gegenüber den irakischen Sunniten erbitterten viele Saudis.

Und ob Malikis Nachfolger Haider al-Abadi, ebenfalls Schiit, es schafft, die frustrierten Sunniten für den Kampf gegen die Dschihadisten zu gewinnen, ist offen.

Iran und die USA auf derselben Seite? Das beunruhigt die Saudis sehr

Für Saudi-Arabien ist das sunnitische Kalifat ein Problem, aber das größere Problem ist und bleibt Iran. Dass Teheran nun praktisch auf derselben Seite wie Amerika gegen den IS kämpft, ist für Riad deshalb eher beunruhigend. Das Verhältnis zwischen den USA und Saudi-Arabien war ja zuletzt ohnehin nicht besonders: Unvergessen ist in Riad, dass Obama den Sturz des ägyptischen Präsidenten Hosni Mubarak zugelassen hatte und dass er bei der Bewaffnung der moderaten Kämpfer in Syrien wenig versprach und noch weniger hielt, dafür vieles verhinderte.

Nun aber will Obama die Terroristen auch in Syrien angreifen und moderate syrische Rebellen ausrüsten und trainieren. Zwar sind nicht mehr viele da; ganze Einheiten wurden ausgehungert, getötet, eingesperrt oder radikalisiert. Zudem sind sie zerstritten wie eh und je.

Dennoch hat sich Saudi-Arabien nach US-Angaben bereit erklärt, die Kämpfer gegen den IS und den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad zu trainieren und auszurüsten. Jordanien könnte zudem versuchen, die sunnitischen Stämme aus dem Irak und Syrien für den Kampf gegen den IS zu gewinnen. Viele sunnitische Stammesmitglieder sind inzwischen in Jordanien, ohne ihre Kooperation dürfte der IS nicht zu besiegen sein.

Auch sonst gibt es viel zu tun: Die Türkei müsste die Grenzen besser bewachen, weil die Dschihadisten massenhaft auf diesem Weg in den Irak kommen, ihre Verletzungen in der Türkei auskurieren und Rekruten anwerben. Gerade dieses Land hat sich beim Treffen mit Kerry in Dschidda freilich nicht bewegen lassen.

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