"Islamischer Staat" in Syrien:Terror-Milizen beginnen Großangriff auf Grenzstadt Ain al-Arab

"Islamischer Staat" in Syrien: Der Kampf um Ain al-Arab: Diese syrischen Kurden beobachten von einem Hügel aus, was in der Grenzstadt geschieht.

Der Kampf um Ain al-Arab: Diese syrischen Kurden beobachten von einem Hügel aus, was in der Grenzstadt geschieht.

(Foto: AFP)

Tausende Kurden sind bereits aus der Enklave Ain al-Arab, im Kurdischen Kobane genannt, in die nahe Türkei geflüchtet. Die Dschihadisten des IS beschießen die Stadt mit Granaten. Die westliche Allianz um die USA fliegt Angriffe, um die Milizen zu schwächen.

  • Die IS-Milizen haben einen Großangriff auf die syrisch-türkische Grenzstadt Ain al-Arab (Kobane) gestartet. Die westliche Allianz um die USA fliegt Angriffe auf die Stellungen der Dschihadisten.
  • In einem TV-Interview räumt US-Präsident Obama ein, dass die amerikanischen Geheimdienste den IS unterschätzt haben - ähnlich hatte sich zuvor bereits Nachrichtendienst-Chef Clapper geäußert.
  • Die islamistische Al-Nusra-Front bezeichnet die Luftangriffe gegen den IS in Syrien als "Krieg gegen den Islam". Sie droht mit weltweiten Anschlägen.
  • Der türkische Präsident Erdoğan stellt Unterstützung für die Anti-IS-Koalition in Aussicht.

IS-Milizen beginnen Großangriff auf Ain al-Arab

Die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) beginnt offenbar von mehreren Seiten einen Großangriff auf die kurdische Enklave Ain al-Arab (im Kurdischen Kobane genannt) in Nordsyrien. Mindestens zwei Granaten seien am Abend im Westen der Stadt eingeschlagen, berichtet die syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte. Auch von Osten her sollen die Extremisten nach Angaben von Augenzeugen angreifen. Auf Twitter berichten Beobachter von der türkischen Grenze aus ebenfalls von "schwerem Beschuss".

Eine arabische Journalistin vor Ort schreibt unter Berufung auf Anwohner, es sei das erste Mal, dass die IS-Miliz einen so großen Angriff unmittelbar auf die Stadt führe. Autos würden "reihenweise" die Stadt verlassen. Ein Korrespondent der kurdischen Nachrichtenseite Rudaw bestätigte Angriffe auf das Stadtzentrum.

Am Samstag hatten IS-Extremisten Ain al-Arab nach Angaben der Beobachtungsstelle erstmals mit Mörsergranaten beschossen. Mindestens ein Bewohner sei dabei ums Leben gekommen. Die IS-Kämpfer haben vor über einer Woche einen Vormarsch auf die von Kurden bewohnten Gebiete in Nordsyrien begonnen. 60 Dörfer rund um Ain al-Arab fielen bereits in ihre Hände.

Bei den Gefechten und Anschlägen rund um die Stadt wurden nach Angaben der Menschenrechtsorganisation in den vergangenen Tagen 40 kurdische Kämpfer getötet.

Westliche Allianz fliegt Angriffe im Großraum Ain al-Arab

Die westliche Allianz hat inzwischen die ersten Luftangriffe auf den Großraum Ain al-Arab geflogen. Einheiten der Terrormilizen sollen schwere Verluste erlitten haben, wie Tagesschau.de unter Berufung auf den kurdischen Sender Rudaw-TV meldet. Genaue Zahlen über getötete IS-Kämpfer werden nicht genannt. Die kurdischen Einheiten sollen durch die Bombardierung Zeit gewinnen. Mehr als 150 000 Menschen sind bereits über die Grenze in die Türkei geflohen.

Federführend bei den Luftangriffen ist die US-Luftwaffe, unterstützt wird sie von Jordanien, Saudi-Arabien und den Vereinten Arabischen Emiraten. Militärische Unterstützung erhalten sie aus Europa außerdem von Frankreich und Großbritannien - auch Dänemark, Belgien und die Niederlange kündigten Hilfe an.

Obama: US-Geheimdienste haben IS unterschätzt

Die US-Geheimdienste haben nach Ansicht von Präsident Barack Obama die Extremistengruppe IS in Syrien unterschätzt. Zugleich hätten die USA die Schlagkraft der irakischen Armee im Kampf gegen die vorrückenden Dschihadisten überschätzt, räumte Obama in einem am Sonntag ausgestrahlten Fernsehinterview des Senders CBS ein. Die Extremisten hätten sich das Chaos im syrischen Bürgerkrieg stärker zu Nutzen gemacht als erwartet. Syrien sei zu einer Art "Ground Zero" für Dschihadisten aus der ganzen Welt geworden.

Obama verwies dabei auch auf Äußerungen des Direktors der Nationalen Nachrichtendienste, James Clapper. Dieser hatte bereits der Washington Post gesagt, die USA hätten nicht mit einem solchen Erfolg der IS-Milizen gerechnet. Zudem räumte Clapper ein, er hätte nie gedacht, dass sich die irakischen Sicherheitskräfte den vorrückenden Dschihadisten im Norden des Golfstaats so schnell geschlagen geben könnten und die Flucht ergreifen würden.

Gotteskrieger kündigen Vergeltung an

Am Samstag haben Mitglieder der islamistischen Al-Nusra-Front ein Video ins Internet gestellt, in dem sie mit weltweiten Anschlägen drohen. Es ist die erste Reaktion der mit al-Qaida verbündeten Gruppe seit dem Beginn der Luftangriffe über syrischem Gebiet am Dienstag. Ungewöhnlich ist, dass der IS bisher alle al-Qaida-Ableger als Konkurrenz blutig bekämpft hatte - nun scheint sich auch unter den Islamistengruppen eine Allianz zu bilden.

"Islamischer Staat" in Syrien: Mitglieder der Al-Nusra-Front drohen mit Anschlägen auf Länder, die sich an den Luftangriffen auf den IS beteiligen.

Mitglieder der Al-Nusra-Front drohen mit Anschlägen auf Länder, die sich an den Luftangriffen auf den IS beteiligen.

(Foto: AFP)

Die internationalen Luftangriffe auf Stellungen von Dschihadisten bezeichnet al-Nusra als "Krieg gegen den Islam". "Diese Staaten haben schreckliche Taten begangen, die sie auf die Liste dschihadistischer Ziele in aller Welt bringen", sagt ein Al-Nusra-Sprecher in dem Video. "Dieser Krieg könnte Jahrzehnte dauern."

Schon am Freitag hatte das Auswärtige Amt seine Sicherheitshinweise für Reisende akualisiert. Für mehr als 40 Länder in Nahost, Afrika und Asien gab das Außenministerium neue Hinweise heraus. Es heißt, es sei nicht auszuschließen, dass westliche Ausländer "Ziel terroristischer Gewaltakte, von Entführungen und von kriminellen Übergriffen" durch IS-Sympathisanten werden könnten.

Erdoğan spricht sich für Bodentruppen an der Grenze aus

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan verspricht auf dem Rückweg von einem Besuch in den USA, die flüchtenden Syrer zu schützen und die 900 Kilometer lange Grenze zu sichern. "Die Türkei wird alles tun, was ihre Pflicht ist", sagte er der Zeitung Hürriyet. Erdoğan stellt eine militärische Unterstützung seines Landes für die von den USA geführte Koalition gegen den IS in Aussicht und spricht sich für den Einsatz von Bodentruppen aus. An der Grenze müssten mit ihrer Hilfe Puffer- und Flugverbotszonen eingerichtet werden.

Peschmerga-Kämpfer trainieren in Bayern

Trotz des angespannten Verhältnisses ist Erdoğan bei der Sicherung der Grenze auf die Kurden angewiesen. Auch die internationale Allianz setzt auf Peschmerga-Truppen. Während die ersten Waffenlieferungen aus Deutschland im Nordirak eintreffen, hat in der Infanterieschule im bayerischen Hammelburg die Ausbildung kurdischer Soldaten begonnen. Sie würden in der Handhabung von Panzerabwehrraketen des Typs "Milan" unterwiesen, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums. Geplant ist die Schulung von etwa 30 Kämpfern. Zur Bekämpfung des IS sollen die Peschmerga-Soldaten im Nordirak unter anderem 500 dieser Raketen, 16 000 Gewehre und mehrere Millionen Schuss Munition bekommen. Deutschland will 10 000 Kämpfer ausrüsten.

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