Kalinka-Prozess:Das forensische Nichts

Der Fall Kalinka ist mutmaßlich ungelöst, weil die bayerische Justiz versagt hat. Der wegen Herzschwäche des Angeklagten unterbrochene Prozess ist bloß eine Schau.

Nicolas Richter

Den Wert der funktionierenden Strafjustiz erkennt man, wenn sie nicht funktioniert: Wenn sie einem Verdacht nicht nachgeht, wenn sie Vorwürfe nicht klärt, wenn sie es also versäumt, Rechtsfrieden zu schaffen. Dann kommt es eben vor, dass ein verzweifelter französischer Rentner seinen deutschen Widersacher von bezahlten Schlägern nach Frankreich schleifen lässt, in der Hoffnung, es möge nun endlich Recht geschehen.

Am Anfang der Tragödie um den bis heute mysteriösen Tod der jungen Französin Kalinka Bamberski steht das Versagen deutscher Ermittler: Nicht eine Spur hat die Polizei am Tatort gesichert; die Rechtsmedizin hat die Leiche tagelang verwesen lassen bis zur Obduktion und dann nicht einmal die relevanten Proben aufbewahrt.

Ein junges Mädchen stirbt - vor 30 Jahren hat die Staatsanwaltschaft das einfach hingenommen. Missbrauch? Gar Mord? Ach was, eher wohl ein Sonnenstich. So ging man einst um mit Missbrauch - es deckt sich mit dem, was man in jüngster Zeit darüber gelernt hat. Der Fall Kalinka ist mutmaßlich ungelöst, weil die bayerische Justiz versagt hat.

Ein Gericht in Paris versucht nun, das forensische Nichts mit spätem Aktionismus zu füllen. Anders als im Fernsehkrimi Cold Case, wo neue Zeugen oder Techniken alte Rätsel erhellen, sind leider im Fall Kalinka weder Beobachter aus der Todesnacht noch frische Spuren aufgetaucht. Neu ist nur, dass der mutmaßliche Täter vor Gericht geprügelt wurde.

Es wird nach Aktenlage keine Gewissheiten mehr geben, es wird nicht gelingen, den Sex-Täter Doktor Krombach zweifelsfrei eines Mordes oder auch nur fahrlässiger Tötung zu überführen. Der wegen Herzschwäche unterbrochene Prozess ist deswegen bloß eine Schau.

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