Kämpfe in Syrien:Bilder aus der Hölle des Krieges

Ein Drohnenvideo zeigt albtraumhafte Szenen von Kämpfen in Damaskus. Es ist Teil der russischen Propagandaschlacht in Syrien.

Von Sebastian Gierke

Es sind perfekte Bilder. Die Farben, die Schärfe, die Klarheit. Es sind perfekte Bilder aus der Hölle.

Die Bilder zeigen das Grauen des Krieges in Syrien. Häuser explodieren, Rauchwolken steigen auf, Panzer rücken vor. Überall Zerstörung, überall Trümmer. Eine Stadt als Schuttberg. Es sind Streitkräfte der syrischen Armee zu sehen, die Panzer Baschar al-Assads werden eindrucksvoll ins Bild gesetzt.

Eine Drohne hat die Bilder aufgenommen, mutmaßlich über Jobar, einem Stadtteil von Damaskus. Genauer: einem ehemaligen Stadtteil von Damaskus. Denn von Jobar, das vor allem zeigen die Aufnahmen, ist nicht mehr viel übrig.

Um das von den Rebellen gehaltene Viertel im Osten der syrischen Hauptstadt wird seit zwei Jahren gekämpft. Die Bewohner haben die Häuser längst verlassen, die Kämpfe finden in den Ruinen und Tunneln statt.

Jobar ist von strategischer Bedeutung, weil es an den "Platz der Abbasiden" grenzt, ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt, der in das Zentrum von Damaskus führt. Immer wieder haben die syrischen Truppen versucht, Jobar einzunehmen. Von hier aus beschießen die Rebellen oft andere Viertel von Damaskus.

Mittwoch vergangene Woche haben die syrischen Streitkräfte wieder eine Offensive gestartet. Ziel waren die Verteidigungslinien der Aufständischen, von denen diese die Hauptstadt beobachteten, sagte ein Militärvertreter.

Mittwoch vergangene Woche wurde auch das Video ausgestrahlt. Vom staatlich-russischen Nachrichtenportal Vesti.ru. Am Montag dieser Woche wurde es auf Youtube gepostet.

Produziert wurde das Video von Russia Works. Dahinter steckt das russische Staatsfernsehen. Russia Works ist eine Produktionsgesellschaft, die für die staatliche russische Medienholding WGTRK solche Clips produziert. Auf der Internetseite finden sich alle Videobeiträge der Sendungsreihe mit dem Namen "Krieg", die verschiedene russische Sender ausstrahlen.

Eine vermeintliche Erfolgsmeldung nach der anderen

Wie jeder Krieg ist auch der Krieg in Syrien ein Propagandakrieg. Seit Beginn der eigenen Luftschläge in Syrien versucht Russland auf allen zur Verfügung stehenden Kanälen die Bevölkerung den Kampfhandlungen gegenüber positiv zu stimmen. Gerade heute ist Assad nach Moskau gereist, um Putin für dessen Eingreifen zu danken. Das russische Verteidigungsministerium veröffentlicht eine vermeintliche Erfolgsmeldung nach der anderen. Es geht um die Deutungshoheit. Zwischen Amerikanern und Russen entwickelt sich zunehmend ein nicht nur politisches, sondern auch militärisches Duell.

Auf den Filmen von Russia Works ist zum Beispiel der Kriegsjournalist Ewgenij Podubnowo (hier in einem anderen Video von Russia Works) zu sehen: Wie er durch verlassene Tunnel der syrischen Rebellen schleicht oder Frauen filmt, die um ihre Toten trauern. Außerdem gibt es einen Videoblog mit Luftaufnahmen von Gefechten in der Nacht oder zerbombten Wohnsiedlungen.

Podubnowo macht Aufnahmen aus schwer umkämpften Gebieten, in die sich kaum noch ein Journalist traut. Möglich ist das, weil der Russe unter dem Schutz der syrischen Armee steht. Er reist deren Panzern hinterher und liefert hochwertiges Material für die Propagandamaschinierie des russischen Präsidenten Putin, aber auch die des syrischen Machthabers Assad.

Podubnowo filmt die angebliche Offensive der syrischen Armee in Damaskus oder zeigt wie sich deren Panzer nahe der durch den IS besetzten Ruinenstadt Palmyra durch den Staub wühlen.

Was ist echt, was gestellt?

Doch was ist echt und was gestellt? Das lässt sich kaum überprüfen. Die Lage vor Ort ist unübersichtlich. Podubnowo und das russische Staatsfernsehen können so die Berichterstattung selbst beliebig lenken.

Auch das Video aus Jobar lässt sich nicht unabhängig überprüfen. Eliot Higgins von der investigativen Journalisten-Plattform Bellingcat, glaubt, dass die Aufnahmen aus Jobar stammen. Auch der Telegraph berichtet darüber.

Doch was zeigen die Bilder. Tatsächliche Kämpfe? Den Krieg?

Der Sicherheits- und Militärexperte Marcel Dickow von der Stiftung Wissenschaft und Politik glaubt nach Ansicht der Bilder nicht, dass es sich dabei um Aufnahmen handelt, die von einer militärischen Drohne gemacht wurden. "Man erkennt, dass es sich um einen Quadrocopter handelt", erklärt Dickow. "Und zwar daran, dass die Drohne immer wieder in der Luft zu stehen scheint, außerdem werden die Bilder immer wieder von Rotoren abgeschattet." Eine solche Drohne könne jedermann erwerben, sagt Dickow. Der, der sie lenkt, müsse sich im Umfeld von ein oder zwei Kilometern befinden.

Das ist Propaganda

All das spricht laut Dickow dafür, dass zumindest in diesem Video keine wirklichen Kampfhandlungen gezeigt werden, also keine echte Offensive, sondern eine Übung. "Show of Force", nennt Dickow das. Das Protzen mit der eigenen Stärke. Indiz dafür sei auch die "krasse Bearbeitung" der Bilder. "Das sind keine dokumentarischen Bilder, das ist Propaganda", sagt Dickow.

Endgültig klären lässt sich nicht, ob die Bilder Kampfhandlungen zeigen oder nicht. Der Journalist Podubnowo ist jedenfalls dafür bekannt, den Krieg als Action-Spektakel zu inszenieren, ständig zischt es oder knallt es neben ihm. Die Qualität seiner Bilder ist ausgezeichnet, es gibt keine verwackelten oder verpixelten Aufnahmen. Die Videos sind hinterlegt mit heroischer Chor-Musik, schweren Bässen. Gleichzeitig steht auch die Kameradschaft zwischen Russen und Syrern im Mittelpunkt: Podubnowo posiert mit Assads Soldaten. Mit einem von ihnen stimmt er sogar ein russisches Liebeslied an.

Auch andere russische Journalisten berichten aus Syrien. Semjon Pegov befindet sich ebenfalls im Tross der syrischen Armee. In seinem jüngsten Bericht lässt er sich von syrischen Soldaten die Schlagkraft der russischen Kampflugzeuge bestätigen: "Die Flugzeuge haben erfolgreich die von uns benannten Ziele zerstört", sagt ein Offizier in die Kamera. Zum Glück kämpfe man jetzt zusammen.

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