Kämpfe in Afghanistan:Sicherheitskräfte melden Ende der Angriffsserie in Kabul

Die ganze Nacht über sind Granatexplosionen und Schüsse zu hören, erst in den Morgenstunden bringen die afghanischen Sicherheitskräfte die Lage in Kabul wieder unter Kontrolle. Mehrere Geiseln werden aus den Händen der Taliban befreit. Nach Angaben des Polizeichefs ist die Angriffsserie damit beendet: "Alle Terroristen sind getötet worden."

In der afghanischen Hauptstadt Kabul haben sich Soldaten am Montag erneut Gefechte mit Aufständischen geliefert. Vor Sonnenaufgang feuerten die Truppen unter Führung der afghanischen Streitkräfte Granaten auf ein Gebäude im Stadtzentrum ab, von dem aus die Taliban am Sonntag ihre Angriffsserie in Kabul und drei östlich gelegenen Städten begonnen hatten. Augenzeugen in der Umgebung des Parlaments berichteten, sie hätten die ganze Nacht hindurch bis zum Morgen Granatexplosionen und Schüsse gehört.

Die Kämpfe ließen gegen 7 Uhr nach, nur noch vereinzelt waren Schüsse zu hören. Ein Sprecher des afghanischen Innenministeriums erklärte, Aufständische hätten sich am Morgen in einem noch nicht fertiggestellten Gebäude nahe dem Parlament verschanzt. Inzwischen seien die Gefechte jedoch größtenteils beendet.

"Alle Terroristen sind getötet worden. Wir haben die Lage jetzt unter Kontrolle", sagte der Polizeichef der afghanischen Hauptstadt, General Ayoub Salangi. Jetzt werde noch nach übriggebliebenen Bomben und Granaten gesucht. Die Angreifer hätten während ihrer Offensive 35 Geiseln genommen, die von Sicherheitskräften befreit worden seien. Nur eine Frau sei leicht verletzt worden, erklärte Salangi.

Die Taliban hatten am Sonntag eine Angriffswelle auf internationale Einrichtungen in Afghanistan gestartet. In einer koordinierten Aktion hatten sie Botschaften, Regierungsgebäude und Nato-Stützpunkte angegriffen. Auch auf dem Gelände der deutschen Botschaft in Kabul richteten die Angriffe Schäden an.

Die Anschläge hatten mit einer Serie von Explosionen im Diplomatenviertel Wasir Akbar Chan begonnen. Kurz danach war in der afghanischen Hauptstadt schweres Maschinengewehrfeuer zu hören. Die Nato teilte in einer Stellungnahme mit, allein in Kabul befänden sich sieben Einrichtungen unter Beschuss. Nahe Kabul wurde der Nato-Stützpunkt Camp Warehouse mit Granaten beschossen. Griechische und türkische Soldaten hätten das Feuer erwidert, berichtete ein Reporter der Nachrichtenagentur AP.

Innenminister Bismillah Mohammadi berichtete, bei den Angriffen in Kabul seien 16 Taliban-Kämpfer beteiligt gewesen. Die meisten von ihnen hätten sich unter einer als Frauen getarnt.

Auch aus den Städten Dschalalabad und Gardes im Osten des Landes wurden Angriffe gemeldet. In Dschalalabad wurden nach Behördenangaben mindestens drei Angreifer getötet, in Gardes verschanzten sich Militante in einem Gebäude. Afghanische Sicherheitskräfte umstellten das Haus.

Bei den Kämpfen sind nach Angaben des Innenministeriums 47 Menschen getötet worden. Mohammadi berichtete, 36 Taliban-Kämpfer, acht Angehörige der Sicherheitskräfte und drei Zivilisten seien ums Leben gekommen, 40 Angehörige der Sicherheitskräfte und 25 Zivilisten verletzt worden.

Taliban wollten Stärke beweisen

Die Taliban erklärten nach Beginn der Anschläge, Selbstmordattentäter hätten in Kabul den Nato-Stützpunkt, die deutsche und die britische Botschaft, das Parlamentsgebäude, zwei Hotels und mehrere Ziele in der Nähe der russischen Botschaft angegriffen. Auch in den Hauptstädten der Provinzen Nangarhar, Logar und Paktia würden Einrichtungen von schwer bewaffneten Kämpfern attackiert, hieß es in einer Erklärung von Talibansprecher Sabiullah Mudschahid.

Die Taliban wollten ihre Stärke beweisen, nachdem sie von Seiten der Nato als geschwächt bezeichnet worden seien, sagte Mudschahid. Die Angriffe seien der Vorbote der vor kurzem angekündigten Frühjahrsoffensive der Taliban.

Karsai erhebt Vorwürfe gegen die Nato

Nach der Angriffsserie erhob der afghanische Präsident Hamid Karsai Vorwürfe auch gegen die Nato. In einer Mitteilung Karsais hieß es, Geheimdienstversagen der afghanischen Seite "und besonders der Nato" hätten die Angriffe möglich gemacht. Das müsse untersucht werden. Karsai lobte die afghanischen Sicherheitskräfte. Sie hätten dem Volk das "Vertrauen gegeben, dass sie ihr Territorium erfolgreich verteidigen können".

Kämpfe in Afghanistan: Eine Explosion erschüttert ein leerstehendes Gebäude in Kabul, in dem sich die Taliban verschanzt haben. Die Gefechte dauern bis in die frühen Morgenstunden an.

Eine Explosion erschüttert ein leerstehendes Gebäude in Kabul, in dem sich die Taliban verschanzt haben. Die Gefechte dauern bis in die frühen Morgenstunden an.

(Foto: AP)

Das Innenministerium machte das aus Pakistan heraus operierende Hakkani-Netzwerk für die Angriffe verantwortlich. Innenminister Bismillah Mohammadi sagte in Kabul, ein festgenommener Angreifer habe der Polizei gesagt, er sei aus Pakistan. Er habe außerdem gestanden, dem Hakkani-Netzwerk anzugehören. Bei dem Netzwerk handelt es sich um eine eigene Gruppe, die aber Taliban-Chef Mullah Mohammad Omar als obersten Anführer anerkennt.

Ein Sprecher der Nato-geführten Internationalen Schutztruppe Isaf sagte, die ausländischen Truppen hätten die afghanischen Sicherheitskräfte in Kabul in der Nacht zu Montag aus der Luft unterstützt. Augenzeugen berichteten vom Einsatz von Kampfhubschraubern. Der Isaf-Sprecher sagte, die einheimischen Sicherheitskräfte hätten den Großteil der Gefechte alleine geführt.

Außenminister Guido Westerwelle äußerte sich zu den Anschlägen: "Die Ereignisse zeigen, wie schwierig die Lage in Afghanistan immer noch ist", erklärte Westerwelle. "Fest steht: Wir werden uns durch diese Gewalt nicht von unserem Engagement für eine friedliche Zukunft Afghanistans, die innere Aussöhnung und einen erfolgreichen politischen Prozess abbringen lassen", fügte er hinzu. Deutschland und die Nato wollten trotz aller Rückschläge ihren Einsatz für eine friedliche und gute Zukunft des Landes fortsetzen. Dabei gelte es, die Übergabe der Verantwortung an die afghanischen Sicherheitskräfte verantwortungsvoll zu organisieren, betonte Westerwelle.

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