Kabinettsbeschluss:Strenge Regeln für Gentests

Nach dem neuen Gesetz dürfen Versicherungen und Arbeitgeber sensible Informationen zum Erbgut nur noch in Ausnahmefällen abfragen.

Nina von Hardenberg und Guido Bohsem

Auf dem Flur vor dem Institut für Humangenetik am Universitätsklinikum Bonn sitzen jeden Tag ein paar Menschen, die es wissen wollen. Eine Mutter oder Tante von ihnen ist vielleicht an Darmkrebs erkrankt. Jetzt treibt die Tochter oder Nichte die Sorge um, dass auch sie ein erhöhtes Krebsrisiko in sich tragen könnte.

Kabinettsbeschluss: Humangenetiker suchen fieberhaft nach Genveränderungen, die auf ein Krebsrisiko hindeuten.

Humangenetiker suchen fieberhaft nach Genveränderungen, die auf ein Krebsrisiko hindeuten.

(Foto: Foto: AP)

Mit etwa 70.000 Neuerkrankungen pro Jahr ist Dickdarmkrebs eine der häufigsten bösartigen Tumorerkrankungen in Westeuropa. Meist tritt die Krankheit in hohem Alter auf und ist ein Einzelfall in der Familie. Bei etwa fünf Prozent der Patienten liegt aber eine der heute bereits bekannten erblichen Formen vor. Etwa 650 genetische Beratungen führt das Zentrum für erblichen Darmkrebs im Jahr durch. "Längst nicht alle davon entscheiden sich wirklich für einen Test", betont der Sprecher des Zentrums, der Humangenetiker Peter Propping.

Fieberhafte suche nach Genveränderungen

Für die Wissenschaft war die Erkenntnis, dass manche Formen von Darm- und Brustkrebs vererbbar sind, in den neunziger Jahren ein Durchbruch. Seither suchen Humangenetiker fieberhaft nach weiteren Genveränderungen, die auf ein Krebsrisiko hindeuten.

Doch vielen Menschen macht die immer feinere Diagnostik auch Angst. Mit dem Gendiagnostik-Gesetz, das am Mittwoch vom Kabinett verabschiedet wurde, soll der Umgang mit den sensiblen Informationen aus Gentests deswegen genau geregelt werden.

"Das Gendiagnostik-Gesetz schützt den Menschen vor dem Missbrauch seiner genetischen Daten", sagte Gesundheitsministerin Ulla Schmidt am Mittwoch in Berlin. Jeder müsste alleine entscheiden, ob er eine genetische Untersuchung mache oder nicht. Tatsächlich sieht der Gesetzentwurf hohe Hürden für die Weitergabe von Informationen aus Gentests vor.

Dem Tenor nach gehen die Befunde Arbeitgeber und Versicherungsunternehmen nichts an. Versicherungsunternehmen dürfen nur bei hohen Versicherungssummen von mehr als 300.000 Euro einen Test verlangen. "Wenn ich etwas weiß, dann muss ich bei einer hohen Versicherungssumme auch diese Erkenntnis weitergeben", sagte Schmidt.

Patienten vor unseriösen Angeboten schützen

Der Gesetzentwurf räumt dem Arzt eine zentrale Stellung ein. Nur Ärzte dürfen künftig medizinische Gentests anbieten, und sie werden zu einem Aufklärungsgespräch verpflichtet. Damit sollen Patienten vor unseriösen Angeboten geschützt werden. So fordern Internet-Firmen dazu auf, ihnen eine Speichelprobe zu schicken. Der Kunde erhält dann per Post eine Auswertung seines individuellen Diabetes- und Thrombose-Risikos.

Die Ärzteschaft hat diese Regel begrüßt. "Seriöse Institute führen die genetische Beratung ohnehin schon durch", sagt Propping, der auch die Bundesärztekammer in Fragen der Gendiagnostik berät. Bei einem solchen Beratungsgespräch informieren die Mediziner auch über die Grenzen des Gentests.

Dieser gibt in den allermeisten Fällen nur eine Wahrscheinlichkeit dafür an, dass ein Mensch eine Krankheit bekommen wird. Der Patient muss dann mit dieser Unsicherheit leben. Bei einem Darmkrebsrisiko kann Propping den Test dennoch empfehlen, da dieser Krebs meistens heilbar sei, wenn er rechtzeitig erkannt werde. "Wer sein Risiko kennt und regelmäßig zur Vorsorge geht, kann sich sehr gut schützen." Kritischer sind hingegen Diagnosen über Krankheiten, für die es keine Therapien gibt.

Was den Humangenetiker an dem geplanten Gesetz stört, sind die strengen Vorgaben zum Umgang mit Gewebe- und Blutproben aus Gentests. Diese müssen künftig vernichtet werden, wenn der Patient sie nicht für die Forschung freigegeben hat. Diese an sich sinnvolle Regelung erschwert den Medizinern die Arbeit. Bislang bewahren viele Labore die Proben auch über den Tod der Patienten hinaus auf. "Gerade die Frage, woran Verwandte gestorben sind, kann für Nachfahren sehr wichtig sein, um zu wissen, ob sie erblich belastet sind", erklärte Propping.

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