Kabinett beschließt Atomausstieg:Schwarz-Gelb übt sich in Eigenlob

Die Bundesregierung macht Ernst: Das Kabinett beschließt, bis 2022 schrittweise aus der Atomkraft auszusteigen und den Umstieg zu erneuerbaren Energien zu fördern. Damit vollendet die Kanzlerin ihre energiepolitische Kehrtwende - und lässt diese von Umweltminister Röttgen begeistert präsentieren.

Wolfgang Jaschensky

Die Probleme, die Gesundheitsminister Daniel Bahr gerade mit dem Krisenmanagement rund um den Darmkeim Ehec hat, scheinen FDP-Chef Philipp Rösler recht zu geben: Der Wechsel aus dem Böse-Nachrichten-Ressort Gesundheit in das Gute-Nachrichten-Ressort Wirtschaft hat sich gelohnt. Doch nun sitzt der junge Wirtschaftsminister auf seiner ersten Gute-Nachrichten-Pressekonferenz und scheint damit so gar nicht glücklich zu sein.

German Economics Minister Roesler Environment Minister Roettgen and Transport Minister Ramsauer address a news conference in Berlin

Sie präsentierten in der Bundespressekonferenz den Ausstiegsbeschluss der schwarz-gelben Regierung: Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU, links) und Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) überlassen Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) den Platz in der Mitte.

(Foto: REUTERS)

In der Bundespressekonferenz soll Rösler neben Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) und Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) die Anstrengung der schwarz-gelben Bundesregierung, bis 2022 vollständig auf Kernenergie zu verzichten, als historische Leistung preisen. Dieses Datum ist aber ein Problem für Rösler. Mit seinem Mantra, der Weg zum Ausstieg sei entscheidend, nicht das Datum, konnte sich der FDP-Mann nicht durchsetzen.

Und so bleibt es dem Umweltminister überlassen, den schwarz-gelben Ausstiegsplan mit dem Elan eines Versicherungsvertreters auf Provisionsbasis zu verkaufen: Röttgen nennt das Paket einen "Meilenstein für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung des Landes", er schwärmt von einem "gesellschaftlichen Pionierprojekt, das Industrie erhalten und Wachstum ermöglichen wird" und hebt die "nicht zu überschätzende Bedeutung für unser Land" hervor.

Diesen "Meilenstein" hatte das Bundeskabinett am Montagmorgen verabschiedet - ein umfangreiches Gesetzespaket, dass den Atomausstieg bis zum Jahr 2022 regeln und gleichzeitig den Umstieg auf eine alternative Energieversorgung beschleunigen soll. Kernstück des Pakets ist die Novelle des Atomgesetzes, das die schrittweise Abschaltung der 17 deutschen Reaktoren regelt. Acht davon - die sieben ältesten Meiler und das Atomkraftwerk Krümmel - sind bereits abgeschaltet und sollen sofort dauerhaft stillgelegt werden, die übrigen zwischen 2015 und 2022.

Entscheidung über Stand-by-AKW in der nächsten Woche

Eines der sofort abzuschaltenden AKW soll möglicherweise bis 2013 noch in Bereitschaft gehalten werden, für den Fall von Stromengpässen im Winter. Ob ein solches Stand-by-AKW nötig ist, soll die Bundesnetzagentur in den nächsten Wochen entscheiden.

Nach den bereits stillgelegten AKW sollen die verbleibenden neun noch Strom produzierenden Meiler nach folgendem Zeitplan vom Netz gehen:

|| 2015 Grafenrheinfeld (Bayern),

|| 2017 Gundremmingen B (Bayern)

|| 2019 Philippsburg 2 (Baden-Württemberg)

|| 2021 Grohnde (Niedersachsen), Brokdorf (Schleswig-Holstein) und Gundremmingen C (Bayern)

|| 2022 Isar 2 (Bayern), Neckarwestheim 2 (Baden-Württemberg) und Emsland (Niedersachsen)

Bereits bis zum 8. Juli soll das geänderte Atomgesetz Bundestag und Bundesrat passiert haben, um rasch in Kraft treten zu können.

Darüber hinaus beschloss das Kabinett eine Reihe weiterer Entwürfe, unter anderem zum Ausbau der erneuerbaren Energien. Bis 2020 sollen erneuerbare Energien mindestens 35 Prozent des deutschen Stromverbrauchs decken, so Umweltminister Röttgen. Das sei ein ehrgeiziges Ziel, sagte der CDU-Politiker. Möglich seien aber auch 38 Prozent. Gleichzeitig sollen zehn Prozent des heutigen Strombedarfs eingespart werden.

Zudem will der Staat unter anderem die Sanierung von Gebäuden fördern. Von 2012 an sollen für die Gebäudesanierung jährlich 1,5 Milliarden Euro zur Verfügung stehen, sagte Bauminister Ramsauer. Das sei mehr als bisher durchschnittlich für das Programm zur Verfügung gestanden habe. Zudem könnten die Eigentümer zehn Prozent der Sanierungskosten von der Steuer absetzen, was ein Volumen von weiteren 1,5 Milliarden Euro ausmachen könne. Durch beide Maßnahmen solle die jährliche Sanierungsquote auf zwei Prozent gesteigert werden.

Rösler will Entlastung auch für kleinere Gewerbebetriebe

Die Planungs- und Bauzeit beim Netzausbau soll deshalb von zehn auf vier Jahre gesenkt werden. Hier meldete sich auch Wirtschaftsminister Rösler wieder zu Wort: Nur so sei die Energiewende machbar, betonte er.

Zwei kleine Erfolge durfte der Wirtschaftsminister noch verkünden: Im Rahmen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes sollen auch mehr kleinere Gewerbebetriebe von Entlastungen profitieren. Energieintensive Unternehmen sollen eine "Strompreiskompensation" erhalten, die bei der EU durchgesetzt werden soll.

Begeistert sah Rösler bei alledem dennoch nicht aus. Am Ende wurde er gefragt, ob er stolz auf das Gesetzespaket sei. Anders als Umweltminister Röttgen wollte er das nicht bejahen.

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